Schule & Job - Süddeutsche Zeitung
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Von Jakob Biazza / Interview<br />
Konstantin,<br />
ärgere Dich nicht!<br />
Ein Gespräch über Rückschläge,<br />
bei einer Partie Tür hereinkommt. Jedenfalls wenn man<br />
Man erwartet, dass gleich Graf Dracula zur<br />
„Mensch, ärgere Dich nicht‟. liest, wie Konstantin Gropper bislang beschrieben<br />
wurde: „Parade-Emo“, „mor-<br />
Sonderregel: Schmeißt der<br />
Reporter eine Figur des bid“, „blass geschminkt“. Die Bilder haben<br />
Interviewten, darf er eine sich wohl verselbstständigt, seit der 30-Jährige<br />
mit seiner Band Get Well Soon bekannt<br />
unangenehme Frage stellen.<br />
Umgekehrt darf der schamlos<br />
wurde. Tatsächlich tritt ein Typ ein, der<br />
bewerben, was er will, wenn<br />
auch Volvo fahren könnte: gemütlichfreundliches<br />
Wesen, gesunde Bräune, etwas<br />
er es schafft, eine Figur des<br />
Reporters zu schmeißen.<br />
Bauch. Er wählt „Blau, nein, Gelb“ und<br />
antwortet auf die Frage, wann er das letzte Mal richtig gescheitert ist,<br />
nach langem Überlegen: „Ich bin relativ verwöhnt, was das anbelangt.<br />
So richtig auf die Schnauze geflogen bin ich noch nie.“ Wie zum Beweis<br />
würfelt er genau da die erste Sechs des Spiels und darf eine Figur<br />
aufs Brett ziehen – los also.<br />
Kannst du Scheitern für dich definieren?<br />
Ich würde sagen: ein selbst gestecktes Ziel nicht zu erreichen.<br />
Wirklich scheitern kann man also nur an eigenen Ansprüchen?<br />
Auf jeden Fall. Scheitern ist etwas sehr Persönliches. Ich bin bei meiner<br />
Arbeit sehr lange nur meinem eigenen Urteil unterworfen, bevor<br />
ich überhaupt externe Ansprüche an mich heranlasse.<br />
Und dabei erlebst du nie Rückschläge?<br />
Es passiert natürlich schon mal, dass ich Mist mache. Aber ich stecke<br />
mir meistens sehr früh ein Ziel und arbeite drauf hin. Irgendwie bin<br />
ich bislang noch immer dort angekommen – oder wenigstens in der<br />
Nähe. Kunst ist da außerdem sehr dankbar. Man kann sich vieles<br />
schönreden.<br />
Du benutzt in Interviews oft Begriffe wie „Recherche“ oder „Analyse“,<br />
wenn du über deine Arbeit sprichst.<br />
Die gehören zu der Phase, bevor ich mit dem Schreiben anfange. Zur<br />
Themensuche. Ich schöpfe sehr ungern aus meinem Privatleben. Deshalb<br />
brauche ich ein Thema, an dem ich alles aufhängen kann. Oder<br />
vielleicht besser: eine Sprache. Ich mag einfach keine Tagebuchtexte.<br />
Warum?<br />
Weil’s mich bei anderen auch nicht interessiert. Ich kenne keinen<br />
Künstler, der ein so spektakuläres Leben hat, dass man davon die<br />
ganze Zeit singen müsste. Ich habe im Alltag genau die gleichen Probleme<br />
wie alle anderen auch.<br />
Zum Beispiel?<br />
Ich glaube, wenn ich keine Familie hätte, würde ich auf einen Bauernhof<br />
ziehen und innerhalb von drei Jahren zum Messie werden. Und<br />
dann würde irgendwann RTL 2 klingeln, weil sich hinter meiner Tür<br />
die Briefe stapeln. Weil ich vor allem Angst habe, was mit Rechnungen<br />
und Buchhaltung zu tun hat. Wenn ein Brief mehr als zwei Zahlen<br />
beinhaltet, mache ich den gar nicht erst auf.<br />
In diesem Moment schlägt er die erste Figur – und überlegt sehr lange,<br />
was er anpreisen soll: „Ich habe gerade das Casper-Album produziert.<br />
Aber der hat es nicht wirklich nötig, dass ich für ihn werbe. Also:<br />
Muso, ein Rapper aus Heidelberg. Einer der relevantesten im Augenblick.“<br />
Das kann ja sehr gefährlich werden, mit der Post.<br />
Allerdings. Steuerhinterziehung, obwohl man’s gar nicht weiß. Aber<br />
erkläre das mal einem Richter.<br />
Zack! Endlich schlage ich eine Figur. Und packe meine Frage zum<br />
schlechten Ruf der Popakademie aus, an der er gelernt hat:<br />
Wie cool findest du die Popakademie wirklich?<br />
Na ja, das ist ja genau ihr Hauptproblem: dass sie eben überhaupt<br />
nicht cool ist. Aber das muss sie auch nicht sein. Sie ist eine ernst zu<br />
nehmende Bildungseinrichtung, der ich viel zu verdanken habe.<br />
Schon weil ich über sie in meinen Beruf gefunden habe.<br />
Moment: Stand der Wunsch, Musiker zu werden, nicht schon fest, als<br />
du dort angefangen hast?<br />
Nein, nein. Die Popakademie kam nur als Idee auf, um es mal zu versuchen<br />
mit der Musik. Ich bin ja Schwabe. Ich brauche immer eine<br />
offizielle Ausrede. Aber ich habe nie geglaubt, dass ich je von dem<br />
leben kann, was ich da mache.<br />
Es ist spannend zu verfolgen, wie Gedanken bei Gropper zu Sätzen<br />
werden: vom Ziel her geplant, bedächtig arrangiert. Hat er einen Gedanken<br />
gefasst, lässt er sich bei dessen Formulierung nicht unterbrechen.<br />
Als könne er die Außenwelt dimmen – die Fragen, die Spielfiguren,<br />
die er bewegt, die Sechs, die er würfelt. Vermutlich komponiert er<br />
auch so.<br />
Hat unsere Generation ein größeres Sicherheitsbedürfnis als frühere?<br />
Auf der einen Seite schon. Allerdings steht dem ein Übermaß an<br />
Möglichkeiten gegenüber. Ich habe das Gefühl, dass aus dem Selbstverwirklichungsdrang<br />
beinahe ein Selbstverwirklichungszwang geworden<br />
ist. Ein Druck, etwas Besonderes zu machen.<br />
Hier schlägt er noch eine Figur – und überlegt wieder lange. Selbstvermarktung<br />
ist nicht seine Stärke. „Ich empfehle meinen aktuellen Lieblingsautor:<br />
Arnold Stadler – ‚Der Tod und ich, wir zwei’. Sehr lustig.<br />
Aber auch sehr deprimierend.“<br />
Ist Musiker heute ein bürgerlicherer Beruf als früher?<br />
Es ist auf jeden Fall einer, der Disziplin braucht wie jeder andere. Ob<br />
das früher wirklich anders war, weiß ich nicht. Aber nimm Nick Cave:<br />
Der hat jahrelang Heroin gespritzt, und inzwischen hat er ein Büro, in<br />
das er um neun Uhr geht, um Songs zu schreiben.<br />
Und schon droht Gefahr! Soeben zieht Konstantin Gropper die letzte<br />
Figur vor die Zielfelder!<br />
Dein Vater ist Musiklehrer. Musstest du deshalb weniger kämpfen,<br />
als du gesagt hast: Ich probiere das jetzt wirklich mit der Musik als<br />
Beruf?<br />
Nein, nein. Mein Vater ist auch in erster Linie Schwabe und dann Musiker.<br />
Nicht direkt nach diesen Worten, aber sehr bald danach gewinnt<br />
Gropper das Spiel mit deprimierenden drei Figuren Vorsprung.<br />
Die ausführliche Version des Interviews kannst du online lesen:<br />
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