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Schule & Job - Süddeutsche Zeitung

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Von Jan Stremmel / Text<br />

Die gute Nachricht: Immer weniger<br />

Jugendliche rauchen. Die schlechte: Das Rauchereck<br />

ist verschwunden. Nachruf auf einen Mythos.<br />

14 jetzt SCHULE&JOB N o 04/13<br />

Um die Ec<br />

gebracht<br />

ke<br />

Meine Karriere als Raucher war kurz und glanzlos. Sie dauerte knapp<br />

vier Jahre, von 15 bis 19. Wobei ich ohnehin nur im streng physikalischen<br />

Sinne rauchte; ideologisch gesehen, war ich immer ein Nichtraucher.<br />

Denn wer es ernst meint mit dem Tabak, raucht auch vor dem<br />

Frühstück, nach dem Sport und bei Mandelentzündung. Genau genommen<br />

rauchte ich überhaupt vor allem aus einem Grund: wegen<br />

des Raucherecks in der <strong>Schule</strong>.<br />

Mit der Kippenschachtel am Automaten löste man damals nämlich<br />

gleichzeitig eine Eintrittskarte für den besten Ort des Schulgeländes<br />

– diesen mit Spuckeflecken und platt getretenen Kaugummis übersäten<br />

Ort. Dort stand ich die zwei Sommer und zwei Winter von meinem<br />

achtzehnten Geburtstag (Volljährigkeit war Voraussetzung für<br />

das Rauchen an der <strong>Schule</strong>) bis zum Abitur. Jede kleine Pause, jede<br />

große Pause und pünktlich nach dem 13-Uhr-Gong stellte ich mich in<br />

den lockeren Halbkreis aus Kollegiaten um den hüfthohen Ascher<br />

und zog an den roten Gauloises, die wir alle nur deshalb rauchten,<br />

weil irgendwann mal jemand damit angefangen hatte.<br />

Immer im September mussten wir das Rauchereck suchen. Es zog<br />

jährlich um. So wie man am ersten Schultag nach den Sommerferien<br />

sein neues Klassenzimmer finden muss, stand auch der Aschenbecher<br />

jedes Mal woanders um die <strong>Schule</strong> herum. Zuerst neben den Tischtennisplatten<br />

vor dem Musiksaal. Danach am Tor zum Schulhof.<br />

Schließlich, als ich mit dem Übertritt in die Kollegstufe endlich selbst<br />

befugt war, das gelobte Eck zu betreten, fand ich es, geschrumpft und<br />

im Schatten sehr hoher Fichten, hinter dem Gebäude neben dem<br />

Parkplatz. Stück für Stück war der Aschenbecher an die Peripherie<br />

gerückt worden, immer weiter weg aus dem Sichtfeld von Lehrern,<br />

Schülern und zornigen Elternbeiräten.<br />

Diese Verdrängung war eine Art Vorbote für eine Entwicklung, die<br />

ich damals noch nicht sah, die aber kurz nach meinem Abitur in die<br />

offizielle Abschaffung aller Raucherecken in Bayern mündete. Seither<br />

gilt ein generelles Rauchverbot für Schüler und Lehrer. Eine Studie<br />

der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem<br />

Sommer dieses Jahres ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Verdrängungsprozess<br />

Früchte trägt: Sie besagt, dass die Zahl der jugendlichen<br />

Raucher in den vergangenen zehn Jahren um mehr als die<br />

Hälfte gesunken ist. 2001 rauchten noch knapp 28 Prozent der Zwölfbis<br />

Siebzehnjährigen, 2012 nur noch 12 Prozent.<br />

Fragt man die Herausgeber der Studie nach den Gründen, sprechen<br />

sie von Nichtraucherkampagnen, Informationsständen und Mitmach-<br />

Parcours an den <strong>Schule</strong>n. Der Rückgang der Raucher sei aber vor allem<br />

Zeichen eines größeren gesellschaftlichen Wandels, der bei den<br />

Jugendlichen zuerst sichtbar werde: Die strengen Regeln für Tabakwerbung,<br />

die steigenden Preise, die leidigen Diskussionen um Nichtraucherkneipen<br />

lassen weniger Junge damit anfangen. Rauchen bedeutet<br />

heute zuallererst: Krankheit. Im Rauchereck war es für unsere<br />

von der Zigarettenwerbung weich geklopften Hirne einfach nur Freiheit.<br />

Dabei hatte der Wandel schon damals eingesetzt. Wir merkten das<br />

daran, dass die Lehrer immer zuverlässiger dafür sorgten, dass sich<br />

im Rauchereck keine minderjährigen Schüler aufhielten, die sich an<br />

unserer Sucht ein Beispiel nehmen könnten. In unserem Eck wurden<br />

wir also gleichzeitig abgeschirmt und beschützt. Wie eine seltene,<br />

aber lästige Spezies, die sich hinter dem Haus eingenistet hatte und<br />

irgendwann, nach dem Abitur, schon verschwinden würde.<br />

Diese Abschirmung war für uns psychologisch enorm wichtig. Der<br />

Abstand zu den Kindern gab uns dienstältesten Schülern das erhabene<br />

Gefühl, doch irgendwie erwachsen zu sein. Das Schlimme an den<br />

letzten Schuljahren ist ja – bei aller Zielgeraden-Euphorie –, dass man<br />

zwar volljährig ist, aber trotz Führerschein, Auto oder Nasenpiercing<br />

noch immer fremdbestimmt durch so profane Dinge wie Pausengongs<br />

und Stegreifaufgaben aus der Mathematik. Im Rauchereck waren wir<br />

zwar auch noch Schüler. Aber immerhin die einzigen mit einer Lizenz<br />

zum Qualmen.<br />

Weshalb viele auch dann noch täglich im Rauchereck standen, als sie<br />

sich das Rauchen wieder abgewöhnt hatten. Natürlich hätten sie jetzt<br />

ihre Pausen auch mit den Nichtrauchern verbringen können, die auf<br />

der Vorderseite des Gebäudes in ihre Bierschinkenbrote bissen und<br />

Vokabelkärtchen blätterten. Aber will man das, nachdem man schon<br />

die nikotinschwangere Freiheit geschnuppert hat? Das Rauchereck<br />

war immer noch der beste Ort der <strong>Schule</strong>, unabhängig davon, ob man<br />

seinen funktionalen Zweck nun nutzte oder nicht. Schließlich geht<br />

man ja auch in einen Club, wenn man nicht tanzt.<br />

Wenn sich der Trend so fortsetzt wie bisher, dürfte in zwanzig Jahren<br />

kaum noch ein Jugendlicher rauchen. Aber es gibt längst neue Baustellen:<br />

Die Sucht der Zukunft, warnt man bei der Bundeszentrale für<br />

gesundheitliche Aufklärung, sei die Internet- und Computerspielsucht.<br />

Um ihr entgegenzuwirken, entwickelt man gerade Kampagnen<br />

und Aufklärungsseminare für Schüler.<br />

Wenn in ein paar Jahrzehnten das Rauchereck also endgültig in Vergessenheit<br />

geraten ist, werden sich die <strong>Schule</strong>n mit den Süchten der<br />

Zukunft arrangiert haben. Vielleicht wird es dann Internet- und<br />

Computerspielecken geben, in die sich die Oberstufenschüler zurückziehen<br />

dürfen. Womöglich werden diese Rückzugsorte zunächst neben<br />

den Tischtennisplatten beim Musiksaal installiert. Aber das wird<br />

nur der Anfang sein.<br />

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Susanne E., 20 Jahre, ehemalige<br />

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