Digitale Edition, hg. von THOMAS MARSCHLER, Augsburg ... - OPUS
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gedacht hatte.“ 1 In den Confessiones wendet er ja geradezu systematisch sein<br />
geistiges Auge auf das eigene Ich, und in wunderbar feiner Selbstbeobachtung durchleuchtet<br />
er da die tiefsten Falten, erfaßt er die geheimsten Regungen seines<br />
Seelenlebens, sodaß sich hier sein psychologisches Genie in hellstem Lichte zeigt. 2<br />
Auch darf man Augustin als einen vollgültigen Vertreter der hier in Frage stehenden<br />
Geistesrichtung ansehen. Denn wie man auch sonst sein Verhältnis zu dem<br />
Neuplatonismus bestimmen mag, in der subjektiv gefärbten und stark im<br />
Gemütsleben wurzelnden Denkweise ist er ganz Neuplatoniker, vielmehr darin ist er<br />
so gut wie die Neuplatoniker ein Kind jener Zeit, in der die ungeheure Verwirrung<br />
und Verwilderung im Handeln und Denken bei jedem ernsthaft Suchenden die<br />
glühende Sehnsucht nach einer neuen befriedigenderen Lebensgestaltung wachrufen<br />
und somit den Verstand auf den Einfluß des Gefühls disponieren mußte.<br />
Hierzu kommt endlich, daß zunächst und vor allem Augustin es ist, durch den die<br />
Philosophie des aus-<br />
1<br />
W i l h . D i l t h e y , Einleitung in die Geisteswissenschaften, Berlin 1883, Bd. 1, S.335; vgl.<br />
B i n d e m a n n , Der hl. Augustin, Berlin 1844, Bd. 1, S. I X : „Bei Augustinus stehen Leben und Lehre<br />
in dem verbundensten Zusammenhang.“<br />
2<br />
s. G e o r g v . H e r t l i n g , Augustin, München 1904, S. 8 und S. 41; – H e r m . S i e b e c k nennt<br />
Augustin „Das psychologische Genie der patristischen Periode“ (Die Anfänge der neueren Psychologie<br />
in der Scholastik, in Ztschr. für Philos. und philos. Kritik, Neue Folge, Jahrg. 1888, Bd. 93, S. 170); –<br />
vgl. A d . H a r n a c k , Lehrb. der Dogmengeschichte, Freiburg i. B. 1897, 3. Aufl., Bd. 3, S. 98 ff: „Was<br />
längst gesucht wurde – das Innenleben zum Ausgangspunkt des Denkens über die Welt zu machen –,<br />
das hat er (sc. Augustin) gefunden. Und indem er sich dabei nicht leeren Träumereien hingab,<br />
sondern mit einer wahrhaft ‚physiologischen Psychologie‘ alle Zustände des Innenlebens <strong>von</strong> den<br />
elementaren Vorgängen an bis zu den sublimsten Stimmungen durchforscht, ist er, weil das Gegenbild<br />
des Aristoteles, so der wahre Aristoteles einer neuen Wissenschaft geworden, die es freilich vergessen<br />
zu haben scheint, daß sie als Erkenntnistheorie und innere Beobachtung aus dem monotheistischen<br />
Glauben und dem Gebetsleben entsprungen ist.“