Digitale Edition, hg. von THOMAS MARSCHLER, Augsburg ... - OPUS
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47<br />
selbst „gewisse Gesetze der Schönheit“ trüge, d. i. wenn er nicht selbst <strong>von</strong> der Zahl<br />
bestimmt, nicht zahlenmäßig wäre? Wohl findet deshalb der Mensch das Gesetz der<br />
Schönheit, die Zahl in sich; aber sein Geist ist nicht der Schöpfer, der Grund der<br />
Zahl, sondern sie ist ihm Gesetz und thront erhaben über ihm. Steigt nun der<br />
menschliche Geist über sich selbst hinaus, dann „blitzt“ ihm „aus dem inneren<br />
Wohnsitze“ die ewige Urzahl, die göttliche Weisheit selbst entgegen. 1 Wo demnach in<br />
der Welt etwas Schönes den Menschen ergötzt, da offenbart sich in dem Zahlenmäßigen,<br />
welches das Wesen des Schönen ausmacht, die Urzahl, d. i. die göttliche<br />
Weisheit 2 ; da „lächelt sie ihm freundlich entgegen“ (Sap. VI, 17). Die Zahl, als das<br />
Prinzip und Gesetz des Schönen gedacht, ist darum die Spur und die Leiter hinauf<br />
zu dem unendlich schönen Gott.<br />
Soweit diese metaphysischen Überlegungen nur ausdrücken, daß das ergötzende<br />
sinnliche Schöne als Abbild der Urschönheit, jener Quelle und Fülle aller Seligkeit,<br />
aufzufassen und aus ihr abzuleiten ist, bedeuten sie nicht mehr als eine<br />
philosophische Einkleidung des oben herausgehobenen Stimmungsgehaltes<br />
1<br />
de lib. arb. l. 2, c. 16, n. 42. – Es könnte gefragt werden, weshalb in diesem Zusammenhange nicht<br />
ausführlicher auf den dem hl. Augustin so geläufigen Gedanken eingegangen ist, daß die bestimmten<br />
dem menschlichen Geiste eingeprägten Gesetze der Schönheit, <strong>von</strong> denen alles künstlerische Schaffen<br />
und Urteilen abhängig ist, auf eine höchste, erhaben über den Seelen thronende Kunst und Schönheit<br />
hinweisen (vgl. de lib. arb. l.2, c. 16, n. 41; de vera rel. c. 30, n. 54 – c. 31, n. 58; de div. quaest. 83 qu.<br />
78; conf. l. 7, c. 17, n. 23; ib. l. 10, c. 34, n. 53; de trin. l. 9, c. 6, n. 11; de civ. Dei l. 8, c. 6). Darauf ist<br />
aber zu antworten, daß dieser Gedanke nichts weiter als eine Version des anderen berühmten<br />
augustinischen Gedankens ist, <strong>von</strong> den unwandelbaren Denkgesetzen zu der persönlichen göttlichen<br />
Wahrheit aufzusteigen, dessen Erörterung aus dem Rahmen dieser Arbeit fällt.<br />
2<br />
über das Verhältnis <strong>von</strong> numerus und sapientia s. de lib. arb. l. 2, c. 11, n. 30 – n. 32.