Digitale Edition, hg. von THOMAS MARSCHLER, Augsburg ... - OPUS

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42 am Ziele einer seiner sog. Gottesbeweise angelangt 1 , da wo die Seele des Gottes der unwandelbaren Wahrheit erschauernd inne wird, seinem überschwellenden Gefühle den Ausdruck gibt: „Spät habe ich dich geliebt, o Schönheit, o alte und o neue Schönheit, spät habe ich dich geliebt!“. 2 In der Auffassung Gottes als Schönheit zeigt sich nur der Höhepunkt und die letzte Konsequenz der Eigenart Augustins, in dem eine große Empfänglichkeit für das Schöne in Natur und Kunst mit einer ausgeprägt ethischen Stimmung des Denkens sich so verband, daß er das Lustvolle und Beseligende sich gerne als das Schöne vorstellte und in der Liebe zum Schönen die eigentliche Grundmacht des menschlichen Lebens sah. 3 1 conf. l. 10, c. 6, n. 8 – c. 27, n. 38. 2 ib. I. 10, c. 27, n. 38: Sero te amavi, pulchritudo tam antiqua et tam nova! sero te amavi! 3 s. oben 3. Kapitel.

43 5. Kapitel. Die Bedeutung der Vorstellung Gottes als Urschönheit in dem Zusammenhang des religionsphilosophischen Systems des hl. Augustin. Zuweilen ist die „Doppelnatur“ und die „Zwiespältigkeit“ des augustinischen Geisteslebens vielleicht allzueifrig hervorgehoben worden. 1 Der eine große Widerspruch aber hat die Seele des hl. Augustin, wie die Confessionen es so meisterlich schildern, namentlich in der früheren Periode aufgewühlt: dem herrschenden mystisch ascetischen Zuge stemmte sich eine starke weltaufgeschlossene Anlage entgegen. Mit aller Kraft betont er nämlich einerseits, daß der unendliche Gott das einzig wahrhaft Seiende, das einzig dauernde Gut, die einzig wahre Beseligung sei und daß ihm gegenüber die sinnliche, materielle Welt gleichsam ein Nichts sei, daß ihre Lust nur Schein und Trug und Abhaltung von der einen wahren Freude sei und deshalb durchaus zu fliehen sei. Anderseits war jedoch gerade Augustin von Natur aus in ganz außergewöhnlichem Maße darauf angelegt, das Schöne und Wertvolle in der Außenwelt zu erfassen und sich seiner Betrachtung hinzugeben. Die Aussöhnung und Vereinigung dieser widerstreitenden Richtungen seines Geistes mußte sich dem hl. Augustin als eine Hauptaufgabe seiner Religionsphilosophie aufdrängen. In ihrer Lösung sind nun ästhetische Begriffe und besonders die in der mystischen Verinnerung gewonnene 1 s. z. B. R u d . E u c k e n , Die Lebensanschauungen der großen Denker, 8. Aufl., S. 207 ff.

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am Ziele einer seiner sog. Gottesbeweise angelangt 1 , da wo die Seele des Gottes der<br />

unwandelbaren Wahrheit erschauernd inne wird, seinem überschwellenden Gefühle<br />

den Ausdruck gibt: „Spät habe ich dich geliebt, o Schönheit, o alte und o neue<br />

Schönheit, spät habe ich dich geliebt!“. 2<br />

In der Auffassung Gottes als Schönheit zeigt sich nur der Höhepunkt und die letzte<br />

Konsequenz der Eigenart Augustins, in dem eine große Empfänglichkeit für das<br />

Schöne in Natur und Kunst mit einer ausgeprägt ethischen Stimmung des Denkens<br />

sich so verband, daß er das Lustvolle und Beseligende sich gerne als das Schöne<br />

vorstellte und in der Liebe zum Schönen die eigentliche Grundmacht des<br />

menschlichen Lebens sah. 3<br />

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conf. l. 10, c. 6, n. 8 – c. 27, n. 38.<br />

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ib. I. 10, c. 27, n. 38: Sero te amavi, pulchritudo tam antiqua et tam nova! sero te amavi!<br />

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s. oben 3. Kapitel.

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