Digitale Edition, hg. von THOMAS MARSCHLER, Augsburg ... - OPUS
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13<br />
meinsten metaphysischen Seinsbestimmung aus. 1 Aber das verleitet Augustin<br />
dennoch nicht zu einer rein abstrakten und formalistischen Betrachtung und<br />
Erklärung des Schönen. Seine überall straff theologisch zentrierte Denkweise<br />
verbindet nämlich in diesem Begriffe der Zahl zwei verschiedene Elemente: einmal<br />
die pythagoreisch-platonische Anschauung <strong>von</strong> der Zahl als dem höchsten und<br />
eigentlichen Wesen des Seienden und zum anderen die Auffassung der Zahl als dem<br />
den schönen Erscheinungen innewohnenden lebendigen Prinzip der maßvollen<br />
Bewegung. Obwohl diese beiden Elemente fast immer ineinander überfließen und<br />
sich nur geringe Ansätze zu ihrer begrifflichen Trennung zeigen, 2 so scheint doch<br />
speziell die Auffassung der Zahl als dem Prinzip der maßvollen Bewegung Augustin<br />
bewogen zu haben, als Wesensbestimmung des Schönen die Zahl dem<br />
herkömmlichen neuplatonischen unum vorzuziehen 3 , weil er dadurch dem im<br />
ästhetischen Genuß Erlebten näher kam. Denn Augustin erfaßte das Schöne in der<br />
Natur und der Kunst weniger statisch, als ruhende schöne Form, sondern hauptsäch-<br />
1<br />
In der oben zitierten Stelle: A quo ergo sunt nisi a quo numerus, quandoquidem i n t a n t u m i l l i s<br />
e s t e s s e , i n q u a n t u m n u m e r o s a e s s e ?<br />
2<br />
Als solche kann man die Unterscheidung zwischen numeri inferiores und superiores (de mus. l. 6, c.<br />
11, n. 29) und zwischen numeri carnales und spirituales (ib. c. 12, n. 34) ansehen.<br />
3<br />
Augustin konnte sich aber nicht ganz dem Einfluß der neuplatonischen Ästhetik verschließen; denn<br />
neben der Zahl tritt bei ihm zuweilen auch das unum als das höchste Schönheitsprinzip auf (z.B. ep.<br />
18, n.2: omnis porro pulchritudinis forma unitas est). Und zwar ist hier der Begriff des unum<br />
gleichfalls nicht auf das Schöne beschränkt, sondern zugleich als allgemeinste Seinsbestimmung<br />
gefaßt (z. B. de mor. eccl. l. 2, c. 6, n. 8: Nihil est autem esse, quam unum esse. Itaque inquantum<br />
quidque unitatem adipiscitur, in tantum est; vgl. de ord. l. 2, c. 18, n. 48). – Allein, es ist nicht zu<br />
verkennen, daß Augustin das unum der Zahl nachstellt und es vor allem nie zur begrifflichen<br />
Feststellung und Erklärung eines ästhetischen Erlebnisses, sondern nur zu abstrakten Spekulationen<br />
verwertet.