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ACP Die Akzeptanz der Psychotherapie – Explikation der Forschungssituation 64 / 369 liche seelische und geistige Erkrankungen behandelt, die unangenehme Empfindungen und Abwehrhaltungen (wie unterstellte Willens- und Charakterschwäche bei Inanspruchnahme von Psychotherapie) in der Allgemeinheit hervorrufen können. Dies wird noch zusätzlich dadurch verstärkt, dass im Vergleich zu den physischen Zusammenhängen der Naturwissenschaft, die psychischen Zusammenhänge viel schwieriger eindeutig zu messen sind. Während die Einnahme von Medikamenten wenig aktive Teilnahme erfordert, muss für eine Psychotherapie Zeit und Geld investiert werden. Dagegen hat die ärztliche Heilkunde, die im Altertum eine Geheimwissenschaft war, es durch erhebliche Öffentlichkeitsarbeit mit viel Transparenz in den Medien geschafft, ihrem Berufsstand zu einer beträchtlichen Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu verhelfen. Oelsner (1994) konnte durch 174 nach dem Ansehen von Psychotherapeuten befragte Westund Ostberlinern herausfinden, dass der Beruf „Psychotherapeut“ in der Bevölkerung anerkannt ist. Diese Akzeptanz von Psychotherapie als Behandlungsangebot galt für West- und Ostbürger gleichermaßen. Bedenklich war jedoch, dass der errechnete Mittelwert gerade noch im Mittelfeld und damit unter dem Ansehen anderer akademischer Berufe (Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker) lag. Ärzte genießen, den Ergebnissen dieser Studie gemäß, ein weit größeres Ansehen, als Psychotherapeuten. Das nur etwa jeder dritte psychotherapeutisch Behandlungsbedürftige in eine Psychotherapie findet (Franz, 1990) schreibt Oelsner (1994) jedoch dem sehr oberflächlichen Wissen über Psychotherapie in der Bevölkerung zu. Zu wenig weiß der ‚Normalbürger’ über die Indikationsbereiche, Zielvorstellungen, Behandlungsformen und -bedingungen von Psychotherapie. Darüber hinaus bezweifelt jeder vierte psychotherapeutisch Behandlungsbedürftige die Erfolgschancen einer Psychotherapie. Die hohe Skepsis findet ihre Ursachen vor allem in der Angst vor zuviel Offenheit, Durchschautwerden und/oder Verletztwerden. Jeder zweite ist so mißtraurisch, dass er Psychotherapeuten für Pfuscher, Scharlatane und Machtbesessen hält, die selber einen Tick haben (Froburg, 1995, S. 16). Bei einer so hohen Skepsis in der Bevölkerung gegenüber Psychotherapeuten verwundert es nicht, das West-Berliner Psychotherapeuten sich von Patienten, von Ärzten und auch von der Öffentlichkeit wenig anerkannt fühlen (Albert, 1993; Bauch, 1993; Kretzschmar, 1994). Um die Anerkennung der Psychotherapie aus der Blickrichtung von Allgemein- Mediziner zu untersuchen, befragte Panzer (1994) 47 Berliner Allgemein-Mediziner. „Das sind die niedrigsten Werte, die wir in allen relevanten Teilstichproben erhalten haben. Und das Resultat ist so fatal, dass es einem fast die Sprache verschlägt (Frohburg, 1995, S. 17).“ Nur 28% der befragten Ärzte konnten als eher psychotherapiefreundlich eingestuft werden. Der größere Anteil der Ärzte war psychiatrisch (39%) oder mehr somatisch (33%) orientiert. Frohburg (1995) sieht darin das von Meyer (1991) im Forschungsgutachten zum Psycho-

ACP Die Akzeptanz der Psychotherapie – Explikation der Forschungssituation 65 / 369 therapiegesetz festgestellte unzureichende Überweisungsverhalten von Ärzten erneut bestätigt: „… ihre Kenntnisse sowohl über Indikationsbereiche zur Psychotherapie als auch über psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten erwiesen sich zudem oft als sehr gering (Frohburg, 1995, S. 18).“ Interessanterweise kooperierten die 47 befragten Berliner Allgemein-Mediziner in erster Linie (zu 30%) mit Gesprächspsychotherapeuten, die in den seltensten Fällen von den Krankenkassen bezahlt werden. Verhaltenstherapeuten wurden nur zu 22%, Tiefenpsychologen gar nur zu 17% bevorzugt. Bartz (2004) entwickelte aufbauend auf die Forschungen von Grupe (2001) ein Instrument zur Erfassung des Images der Psychotherapie (INIMAG). Mithilfe des INIMAG befragte sie in einer viermonatigen Online-Befragung im Internet insgesamt 166 Teilnehmer. Eine Faktorenanalyse der Daten erbrachte drei valide Faktoren: ’Selbstwertdienliche-, Selbstwertundienliche Attributionen’ und ’Generalisierte Selbstwirksamkeit’ (vgl. Bandura, 1977). Damit lässt sich zeigen, dass die Fähigkeit, Psychotherapie mit selbstwertdienlichen bzw. positiven Zuschreibungen zu belegen, eine Ressource – ein Prädiktor für den Therapieerfolg ist. Ausgehend von diesen Forschungsergebnissen spricht sich Bartz (2004, S. 148) deshalb für eine erweiterte Sichtweise der Möglichkeiten von Psychotherapie aus: „Psychotherapie ist auch Mittler zur Erschließung neuer Ressourcen …“ und Psychotherapeuten sind in diesem Sinne „…Wegweiser und Manager zur Regenerierung neuer Ressourcen“ (S. 148). Jacob, Eirmbter und Hahn (1999) kommen in ihrer Studie zu dem Schluss, dass „… dem Gesundheitssystem kein uneingeschränktes Vertrauen entgegengebracht wird, sondern von großen Teilen der Bevölkerung eine z. T. recht drastische Kritik vorgebracht wird (S. 117, Schlussbemerkungen, 1. Absatz).“ Sie sprechen von einem sehr geringen Systemvertrauen und generalisierten Negativerwartungen, die der Adherence des Patienten eher abträglich sind. Die befragten Patienten wollen nicht als Nummer, als irgendein Bestandteil wahrgenommen werden, sondern sie wünschen sich vom professionellen Heiler, dass er auf den Menschen als Ganzes eingeht. Die Patienten möchten Trost und Rat – wollen, dass ihnen möglichst umfassend geholfen wird. Dass die bisherige Behandlungspraxis dem entgegen steht hängt auch zum Teil mit der gängigen Vergütungspraxis zusammen. Einen weiteren Grund für dieses Missverhältnis zwischen Patientenerwartungen und Behandlungsrealität sehen die Autoren in der stark naturwissenschaftlichen Ausbildung in den Heilberufen, die

ACP Die Akzeptanz der Psychotherapie – Explikation der Forschungssituation 64 / 369<br />

liche seelische und geistige Erkrankungen behandelt, die unangenehme Empfindungen und<br />

Abwehrhaltungen (wie unterstellte Willens- und Charakterschwäche bei Inanspruchnahme<br />

von Psychotherapie) in der Allgemeinheit hervorrufen können. Dies wird noch zusätzlich dadurch<br />

verstärkt, dass im Vergleich zu den physischen Zusammenhängen der Naturwissenschaft,<br />

die psychischen Zusammenhänge viel schwieriger eindeutig zu messen sind. Während<br />

die Einnahme von Medikamenten wenig aktive Teilnahme erfordert, muss für eine Psychotherapie<br />

Zeit und Geld investiert werden. Dagegen hat die ärztliche Heilkunde, die im Altertum<br />

eine Geheimwissenschaft war, es durch erhebliche Öffentlichkeitsarbeit mit viel Transparenz<br />

in den Medien geschafft, ihrem Berufsstand zu einer beträchtlichen Akzeptanz in der<br />

Öffentlichkeit zu verhelfen.<br />

Oelsner (1994) konnte durch 174 nach dem Ansehen von Psychotherapeuten befragte Westund<br />

Ostberlinern herausfinden, dass der Beruf „Psychotherapeut“ in der Bevölkerung anerkannt<br />

ist. Diese Akzeptanz von Psychotherapie als Behandlungsangebot galt für West- und<br />

Ostbürger gleichermaßen. Bedenklich war jedoch, dass der errechnete Mittelwert gerade noch<br />

im Mittelfeld und damit unter dem Ansehen anderer akademischer Berufe (Arzt, Zahnarzt,<br />

Tierarzt, Apotheker) lag. Ärzte genießen, den Ergebnissen dieser Studie gemäß, ein weit größeres<br />

Ansehen, als Psychotherapeuten. Das nur etwa jeder dritte psychotherapeutisch Behandlungsbedürftige<br />

in eine Psychotherapie findet (Franz, 1990) schreibt Oelsner (1994) jedoch<br />

dem sehr oberflächlichen Wissen über Psychotherapie in der Bevölkerung zu. Zu wenig weiß<br />

der ‚Normalbürger’ über die Indikationsbereiche, Zielvorstellungen, Behandlungsformen und<br />

-bedingungen von Psychotherapie. Darüber hinaus bezweifelt jeder vierte psychotherapeutisch<br />

Behandlungsbedürftige die Erfolgschancen einer Psychotherapie. Die hohe Skepsis<br />

findet ihre Ursachen vor allem in der Angst vor zuviel Offenheit, Durchschautwerden<br />

und/oder Verletztwerden. Jeder zweite ist so mißtraurisch, dass er Psychotherapeuten für<br />

Pfuscher, Scharlatane und Machtbesessen hält, die selber einen Tick haben (Froburg, 1995,<br />

S. 16). Bei einer so hohen Skepsis in der Bevölkerung gegenüber Psychotherapeuten verwundert<br />

es nicht, das West-Berliner Psychotherapeuten sich von Patienten, von Ärzten und auch<br />

von der Öffentlichkeit wenig anerkannt fühlen (Albert, 1993; Bauch, 1993; Kretzschmar,<br />

1994). Um die Anerkennung der Psychotherapie aus der Blickrichtung von Allgemein-<br />

Mediziner zu untersuchen, befragte Panzer (1994) 47 Berliner Allgemein-Mediziner. „Das<br />

sind die niedrigsten Werte, die wir in allen relevanten Teilstichproben erhalten haben. Und<br />

das Resultat ist so fatal, dass es einem fast die Sprache verschlägt (Frohburg, 1995, S. 17).“<br />

Nur 28% der befragten Ärzte konnten als eher psychotherapiefreundlich eingestuft werden.<br />

Der größere Anteil der Ärzte war psychiatrisch (39%) oder mehr somatisch (33%) orientiert.<br />

Frohburg (1995) sieht darin das von Meyer (1991) im Forschungsgutachten zum Psycho-

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