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ACP Die Akzeptanz der Psychotherapie – Einleitung 22 / 369 es 19 Jahre dauerte, bis Therapieforscher Eysencks Behauptungen überprüft und widerlegt hatten (Bergin, 1971; McNeilly & Howard, 1991), reagierten sie im Falle der zweiten Provokation durch Grawes Studie wesentlich schneller. Es dauerte nur drei Jahre, bis die in dieser Studie veröffentlichten Behauptungen in vielen Fällen entkräftet werden konnten (s. Tschuschke, 1997). Zum einen lässt sich die zentrale Behauptung – kognitive Verhaltenstherapie sei in jedem Fall den anderen Therapieschulen haushoch überlegen – aus Grawes Studie nicht ableiten (Csontos, 2000; Tschuschke, 1997; Tschuschke, Heckrath & Tress, 1997). In einer Fülle von Einzeluntersuchungen (experimentelle und statistische Studien, Fallstudien u. a.) wurde seitdem die Wirksamkeit unterschiedlicher psychotherapeutischer Verfahren überprüft. Meta-Analysen dienen dazu, die Ergebnisse vieler Einzeluntersuchungen zusammenzufassen und zu strukturieren. Bei einer Vielzahl von psychischen Störungen, so die Ergebnisse vieler großer Meta-Analysen zur Wirksamkeit von Psychotherapie, steht die Wirksamkeit der Kognitiven Verhaltenstherapie und der Psychoanalytischen Kurzzeitpsychotherapie inzwischen außer Frage. Eingeschränkt gilt dies auch für die psychodynamisch/ psychoanalytischen und humanistischen/ gesprächspsychotherapeutischen Verfahren. Schwierigkeiten bei Wirksamkeitsstudien zur Psychotherapie, vor allem in der vergleichenden Therapieforschung, entstehen in erster Linie aus der Tatsache, dass die unterschiedlichen therapeutischen Schulen teils sehr unterschiedliche Kriterien für Therapieerfolg postulieren und sehr unterschiedliche therapeutische Wirkmechanismen vermuten. Insofern werden auch die Ergebnisse der genannten Metaanalysen teils leidenschaftlich diskutiert. Historisch lässt sich die Psychotherapieforschung nach Shapiro (1990) in drei zeitliche Phasen gliedern. Diese sind nicht nur als geschichtlicher Ablauf zu verstehen, sondern auch als Phasen des Erkenntnisgewinns. Somit gehen die Ergebnisse der ersten beiden Phasen in die dritte mit ein: (1) Legitimationsphase (Ergebnisforschung; 1930–1970: „Wirkt die Psychotherapie überhaupt?“), (2) Konkurrenzphase (Zusammenhang zwischen Prozess- und Ergebnisvariablen; 1960–1980; „Gibt es Unterschiede zwischen den Therapierichtungen?“) und (3) die Phase der Prozessforschung (Mikroanalyse des Prozesses/ Klinische Forschung; ab 1980; „Was wirkt eigentlich in der Psychotherapie?“). 1.1 Phase I – ‚Legitimationsphase’ Als Eysenck aus den Forschungsergebnissen von Landis (1937) und Denker (1947) den Schluss zog, dass Psychotherapie nicht über die Wirksamkeit spontaner Remission hinaus käme, war das der Anstoß zur Outcome-Forschung. Sie beschäftigt sich mit den Ergebnissen von Psychotherapie, ihrer Wirksamkeit, ihrer Effektivität in der klinischen Praxis und der Definition und Messung von Therapieerfolg (Hiller, 2004, S. 397). Als Reaktion auf Eysencks provokante Behauptung konnte in der ‚Legitimationsphase’ durch eine Vielzahl von For-

ACP Die Akzeptanz der Psychotherapie – Einleitung 23 / 369 schungen die Wirksamkeit von Psychotherapie nachgewiesen und diese damit als probate Behandlungsmethode bei psychischen Problemen legitimiert werden. Allerdings sorgten die Forschungsergebnisse auch für eine weniger erfreuliche Überraschung – das Äquivalenzparadox. Obwohl alle untersuchten Psychotherapieformen wirkten, unterschieden sie sich überraschenderweise nicht in der Wirkung voneinander (Luborsky, Luborsky & Singer, 1975; Grawe, 1994; Äquivalenzparadox, Elliot & Shapiro, 1993). „Alle haben gewonnen und alle haben einen Preis verdient (Vogel-Dodo-Verdikt; ‚Alice aus dem Wunderland’ [Carroll, 1946]).“ „Für alle einen Preis und einen Dämpfer“ (Dieter Zimmer, Artikel in der ZEIT, 1988). Das Paradoxe liegt in der Tatsache, dass verschiedene Therapieschulen mit völlig unterschiedlichen, teilweise diametral entgegengesetzten, therapeutischen Vorgehensweisen (psychodynamisch, lerntheoretisch, psychoanalytisch, humanistisch etc.) und unterschiedlichen Welt- und Menschenbildern gleich gute Therapieergebnisse erzielen. Daraus folgt, dass die spezifischen Methoden allein die Ergebnisvarianz nicht vollständig erklären können. Die Aufgabe der nächsten Phase in der Psychotherapieforschung sollte es deshalb sein, den unbekannten unspezifischen Wirkfaktor zu finden. 1.1.1 Studien zu Phase I 1.1.1.1 Katamnestische Untersuchung von Dührssen (1962) Dührssen & Jorswiek (1962) konnten mit ihrer Studie an 1004 Patienten der AOK Berlin den Nachweis erbringen, dass die analytisch-psychotherapeutisch behandelten Patienten signifikant weniger Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte benötigten (nach der 5-Jahres- Katamnnese) und sogar weniger als der Durchschnitt der Kassenpatienten. In Anbetracht der hohen Krankenhaustagegeldsätze und der häufigen Arztbesuche neurotischer und psychosomatischer Patienten erschien den Kassen die Kostenübernahme für Psychotherapie als eine ökonomisch sinnvolle Maßnahme. Die Ergebnisse dieser Studie haben deshalb wesentlich dazu beigetragen, dass die Krankenkassen die Kosten für analytisch-psychotherapeutische Behandlung übernehmen. 1.1.1.2 Menninger-Studie The Psychotherapy Research Project of the Menninger Foundation war eine Studie, die hohe empirisch-wissenschaftliche Standards erfüllte. Sie wurde von 1952–1954 durchgeführt und sollte die Wirkungsweise und den Erfolg psychoanalytischer Therapien untersuchen. Dafür wurden 42 Versuchspersonen gemäß klinischen Kriterien entweder einer klassischen Psychoanalyse oder einer supportiven Psychotherapie zugeteilt. Die Patienten wurden zu vier Zeitpunkten untersucht und dabei detaillierte Fallgeschichten und Beschreibungen des weiteren Lebenslaufs erstellt: (1) Aufnahme, (2) Entlassung, (3) Katamnese I (nach 2 Jahren) und (4) Katamnese II (nach 30 Jahren). Als Hauptergebnis wurde festgehalten: Unterstützende thera-

ACP Die Akzeptanz der Psychotherapie – Einleitung 22 / 369<br />

es 19 Jahre dauerte, bis Therapieforscher Eysencks Behauptungen überprüft und widerlegt<br />

hatten (Bergin, 1971; McNeilly & Howard, 1991), reagierten sie im Falle der zweiten Provokation<br />

durch Grawes Studie wesentlich schneller. Es dauerte nur drei Jahre, bis die in dieser<br />

Studie veröffentlichten Behauptungen in vielen Fällen entkräftet werden konnten<br />

(s. Tschuschke, 1997). Zum einen lässt sich die zentrale Behauptung – kognitive Verhaltenstherapie<br />

sei in jedem Fall den anderen Therapieschulen haushoch überlegen – aus Grawes<br />

Studie nicht ableiten (Csontos, 2000; Tschuschke, 1997; Tschuschke, Heckrath & Tress,<br />

1997). In einer Fülle von Einzeluntersuchungen (experimentelle und statistische Studien, Fallstudien<br />

u. a.) wurde seitdem die Wirksamkeit unterschiedlicher psychotherapeutischer Verfahren<br />

überprüft. Meta-Analysen dienen dazu, die Ergebnisse vieler Einzeluntersuchungen<br />

zusammenzufassen und zu strukturieren. Bei einer Vielzahl von psychischen Störungen, so<br />

die Ergebnisse vieler großer Meta-Analysen zur Wirksamkeit von Psychotherapie, steht die<br />

Wirksamkeit der Kognitiven Verhaltenstherapie und der Psychoanalytischen Kurzzeitpsychotherapie<br />

inzwischen außer Frage. Eingeschränkt gilt dies auch für die psychodynamisch/<br />

psychoanalytischen und humanistischen/ gesprächspsychotherapeutischen Verfahren.<br />

Schwierigkeiten bei Wirksamkeitsstudien zur Psychotherapie, vor allem in der vergleichenden<br />

Therapieforschung, entstehen in erster Linie aus der Tatsache, dass die unterschiedlichen<br />

therapeutischen Schulen teils sehr unterschiedliche Kriterien für Therapieerfolg postulieren<br />

und sehr unterschiedliche therapeutische Wirkmechanismen vermuten. Insofern werden auch<br />

die Ergebnisse der genannten Metaanalysen teils leidenschaftlich diskutiert.<br />

Historisch lässt sich die Psychotherapieforschung nach Shapiro (1990) in drei zeitliche<br />

Phasen gliedern. Diese sind nicht nur als geschichtlicher Ablauf zu verstehen, sondern auch<br />

als Phasen des Erkenntnisgewinns. Somit gehen die Ergebnisse der ersten beiden Phasen in<br />

die dritte mit ein: (1) Legitimationsphase (Ergebnisforschung; 1930–1970: „Wirkt die<br />

Psychotherapie überhaupt?“), (2) Konkurrenzphase (Zusammenhang zwischen Prozess- und<br />

Ergebnisvariablen; 1960–1980; „Gibt es Unterschiede zwischen den Therapierichtungen?“)<br />

und (3) die Phase der Prozessforschung (Mikroanalyse des Prozesses/ Klinische Forschung;<br />

ab 1980; „Was wirkt eigentlich in der Psychotherapie?“).<br />

1.1 Phase I – ‚Legitimationsphase’<br />

Als Eysenck aus den Forschungsergebnissen von Landis (1937) und Denker (1947) den<br />

Schluss zog, dass Psychotherapie nicht über die Wirksamkeit spontaner Remission hinaus<br />

käme, war das der Anstoß zur Outcome-Forschung. Sie beschäftigt sich mit den Ergebnissen<br />

von Psychotherapie, ihrer Wirksamkeit, ihrer Effektivität in der klinischen Praxis und der<br />

Definition und Messung von Therapieerfolg (Hiller, 2004, S. 397). Als Reaktion auf Eysencks<br />

provokante Behauptung konnte in der ‚Legitimationsphase’ durch eine Vielzahl von For-

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