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Kindern darstellt. Illusionen stehen jedoch in keinem phantastischen Raum der reinen Wünsche, denn sie werden durch subjektives Erleben der wirklichen Stadt genährt. Aus diesem Grunde hatte Michel Foucault in seiner Heterotopologie auch ein unmittelbares Wechselwirkungsverhältnis zwischen Illusions- und Kompensationsheterotopien gesehen (vgl. 1967). Die Illusion lässt sich deshalb auch als Kompensation eines gefühlten Mangels verstehen. Sie verweist auf ein Defiziterleben, das so lange im Dunkeln bleiben muss, wie nichts über seine Gründe ausgesagt werden kann. Auch die folgenden beiden Beispiele setzen Gestalten des Utopischen ins Bild. Auf welche Formen dystopischen Erlebens sie bezogen sind, sagen uns die Karten nicht. Eine vierzehnjährige Schülerin aus Wiesbaden zeichnet als K1 (Abb. 11a) eine großmaßstäbliche Kreuzungssituation im städtischen Raum. Formal weist die Karte abstrakte und naive Zeichen auf. Abb. 11a Karte K1 (Schüler, 14 Jahre) Abb. 11b Karte K2 (Schülerin, 14 Jahre) Geschäfte sind entweder mit ihrem Namen oder mit einem einfachen kartographischen Symbol kartiert, das in der Legende erklärt ist (z. B. Änderungsschneiderei, Kiosk, Juwelier, Bäckerei, „Kleider fürs Baby“, Asia Imbiss, Beate Uhse-Shop, Sportladen, Nagelstudio, Hörgeräteladen). Die Bäume am Straßenrand sind dagegen im bildlichen Sinne als dreidimensionale Dinge in den Raum gestellt. Die Straßensituation stellt einen typischen innerstädtischen Dichteraum mit einem diversifizierten Angebot an Waren und Dienstleistungen dar. 83

In K2 (Abb. 11b) stellt sich in der Imagination der Wunschstadt eine völlig andere Welt dar. Dennoch bezieht sie ein geradezu charakteristisches Gestaltungselement der Großstadt an zentraler Position ein. Neben einem Park platziert die Schülerin – in eine Gegend ohne Straßen – ein Hochhaus. In einer Anmerkung schreibt sie dazu, sie wünsche sich „ein großes Hochhaus und viel Grün.“ Die Stadt wird so zu einem paradoxen Raum. Ein siebzehnjähriger Junge aus einem nicht städtischen Raum entwirft eine kleinmaßstäbliche Karte von Kiel (K1 ohne Abb.), auf deren topographischem Grundraster ein signifikantes Bauwerk aus Wiesbaden vorkommt. Östlich der Kieler Förde sind mehrere Stadteile kartiert, die durch Hauptverkehrsstraßen miteinander verbunden sind. In der Innenstadt weisen Buchstaben u. a. auf Bahnhof, Marine, Supermarkt, Kirche und einen Surfshop hin. Erst auf diesem Hintergrund der (vergleichsweise bemerkenswert) kleinmaßstäblichen Darstellung einer Stadt findet die Karte K2 die ihr gebührende Aufmerksamkeit. Von den zahlreichen Karten dieser Studie liefert sie eines der wenigen Beispiele, die im engeren Sinne als Phantasielandkarte aufgefasst werden können. Der phantastische Gehalt der Karte kommt schon darin zum Ausdruck, dass die Wunschstadt des Schülers (s. Abb. 12) auf einer Insel liegt oder eine Insel ist (s. Kartierung eines Hafens im Norden des Eilandes). Die Insel ist aber nicht nur durch das umgebende Wasser von jedem anderen Raum getrennt. Über dem Wasser ist Nebel ausgebreitet, der schon die Sicht auf ein fernes Abb. 12 Karte K2 (Schüler, 17 Jahre) oder nahes Festland vereitelt. Das Eiland ist als ein vielgestaltiger Raum dargestellt. Zum Siedlungsgebiet im Norden, das von harmonischen Straßenverläufen durchzogen wird, gehört ein Freizeit- und Erholungssee („Chillsee“). Die Siedlung ist durch weitläufige Waldflächen und einen 84

Kindern darstellt. Illusionen stehen jedoch in keinem phantastischen Raum<br />

der reinen Wünsche, denn sie werden durch subjektives Erleben der wirklichen<br />

Stadt genährt. Aus diesem Grunde hatte Michel Foucault in seiner Heterotopologie<br />

auch ein unmittelbares Wechselwirkungsverhältnis zwischen<br />

Illusions- und Kompensationsheterotopien gesehen (vgl. 1967). Die Illusion<br />

lässt sich deshalb auch als Kompensation eines gefühlten Mangels verstehen.<br />

Sie verweist auf ein Defiziterleben, das so lange im Dunkeln bleiben muss,<br />

wie nichts über seine Gründe ausgesagt werden kann. Auch die folgenden<br />

beiden Beispiele setzen Gestalten des Utopischen ins Bild. Auf welche Formen<br />

dystopischen Erlebens sie bezogen sind, sagen uns die Karten nicht.<br />

Eine vierzehnjährige Schülerin aus Wiesbaden zeichnet als K1 (Abb. 11a)<br />

eine großmaßstäbliche Kreuzungssituation im städtischen Raum. Formal<br />

weist die Karte abstrakte und naive Zeichen auf.<br />

Abb. 11a Karte K1 (Schüler, 14 Jahre)<br />

Abb. 11b Karte K2 (Schülerin, 14 Jahre)<br />

Geschäfte sind entweder mit ihrem Namen oder mit einem einfachen kartographischen<br />

Symbol kartiert, das in der Legende erklärt ist (z. B. Änderungsschneiderei,<br />

Kiosk, Juwelier, Bäckerei, „Kleider fürs Baby“, Asia Imbiss,<br />

Beate Uhse-Shop, Sportladen, Nagelstudio, Hörgeräteladen). Die Bäume am<br />

Straßenrand sind dagegen im bildlichen Sinne als dreidimensionale Dinge in<br />

den Raum gestellt. Die Straßensituation stellt einen typischen innerstädtischen<br />

Dichteraum mit einem diversifizierten Angebot an Waren und Dienstleistungen<br />

dar.<br />

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