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den Raum der Stadt außerhalb des Wohnquartiers eingebettet. Angesichts des gestellten Themas („Wie erlebe ich / wünsche ich mir meine Stadt“) deutet die (intuitive) Wahl des Maßstabes darauf hin, dass im Erleben und Wünschen der Kinder die eigene Stadt in erster Linie als Symbol für das eigene Wohnquartier verstanden worden ist. Während Odenbachs Beispiele von Phantasielandkarten auf ein Denken in größeren räumlichen Zusammenhängen hinweisen, lassen die dieser Studie zugrunde vorliegenden Beispiele eine stärkere Ich-Bezogenheit des Stadt-Denkens und -„Wollens“ erkennen, dies noch im neunten Jahrgang. Der „ganzen“ Stadt kommt damit in allen Altersstufen keine große Bedeutung zu. 3.1.3 Differenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit In aller Regel bringen die Karten, die paarweise auf eine Ist- und eine Wunschsituation bezogen sind, eine deutliche Differenz zum Ausdruck. Charakteristische Beispiele werde ich im folgenden Kapitel vorstellen. Es ist nicht immer zu erkennen, auf welche Stadt bzw. welches Stadtviertel sich die K1 beziehen. Mitunter sind auch für die „eigene“ Stadt Phantasienamen angegeben worden. Das gleiche gilt für die kartographische bzw. zeichnerische Darstellung einer Wunschstadt. Eine „Richtung“ der projektiven Imaginationen wird mit Phantasienamen, Namen anderer Städte oder gar nicht angegeben. Dennoch ist aus den Darstellungen leicht erkennbar, dass die Stadt der Wünsche als Raum einer der doppelten Entlastung zum Ausdruck gebracht worden ist. Er ist zum einen Raum der Kompensation erlebter Defizite im eigenen Leben und zum anderen Idealisierungsraum, in dem imaginierte Merkmale und Qualitäten einer Wunschwelt sichtbar werden, die sich auf verdeckte Weise wiederum von einem gefühlten Mangel distanzieren. Weder die kompensatorischen, noch die idealisierenden Bilder einer imaginierten „besseren“ Stadt können aber in einem naiven Sinne als „Planungsansprüche“ an die Stadtpolitik verstanden werden. Vielmehr sind sie ganzheitliche Ausdrucksgestalten, die unmittelbar die affektive persönliche Situation der Verortung in sozialisationsrelevanten sozialen Milieus widerspiegeln. So gesehen sind vor allem die K2 „Phantasielandkarten“ im engeren Sinne. Gerade deshalb dürfen sie in ihrer verschlüsselten inhaltlichen Aussage nicht mit den Phantasielandkarten von Odenbach verglichen werden. Während ein weitestgehend repressionsfreies Schulsystem dem Ausdruck von Befindlichkeiten seitens der Lernenden (zumindest in der offiziellen 67

„weißen“, im Unterschied zur allgegenwärtigen „schwarzen“ Pädagogik) wenig Schranken setzt, mit dem Auftrag zur Anfertigung der K2 sogar die Aufforderung explizit wird, persönliche Phantasien ins Bild einer Karte zu setzen, dürften die von Odenbach in Auftrag gegebenen Phantasielandkarten unter ganz anderen Voraussetzungen entstanden sein. Einen großen – wenn nicht den größten – Teil seiner Explorationen hat er im repressiven Schulsystem des Nationalsozialismus durchgeführt. So wird die Anfertigung einer „Phantasie“-Landkarte unter dem Druck der Erwartung einer vorzeigbaren Leistung gestanden haben. Phantasie orientiert sich unter solchen Voraussetzungen eher am Maßstab des in der Logik einer Karte Darstellbaren, als an subjektiven Wünschen, Ängsten, Hoffnungen und Sehnsüchten, die auf eine andere und besser geglaubte Welt projiziert werden. Starke Wunsch-Motive sind in den hier zugrunde liegenden Karten (bei jüngeren Mädchen) ein Leben in der unmittelbaren Nähe zu Tieren (z. B. im eigenen Garten), eine Form des Wohnens, die die Möglichkeit des gemeinsamen Lebens mit allen wichtigen Bezugspersonen bietet (insbesondere das Leben mit Familienangehörigen, vor allem Vater und Mutter). Bei Jungen und Mädchen ist auch der Wunsch nach einer „intakten“ Natur und einer „ökologischen“ Stadt zu beobachten. Gerade im Feld der Projektionen wird der Einfluss massenmedialer Themenkonjunkturen, ubiquitärer Politik-Diskurse und problemsensibilisierender Unterrichts-Themen deutlich. Ein alle illusionierten Stadtwelten dominierendes Thema ist indes die räumliche Synthese von Wohnen und Konsum. Wenn das eigene Haus in einem Kreis von Markenhändlern und global agierenden Fastfood-Ketten gleichsam in der Mitte steht, drückt sich damit die zugespitzte und leise Macht der Kulturindustrie aus. Wenn wir auch hier von „subjektiven“ Karten sprechen, so macht diese Form der Subjektivität doch darauf aufmerksam, dass persönliche Wünsche und Vorstellungen tief in der gemeinsamen Situation stehen, in der Kinder und Jugendliche aufwachsen und die ihnen Orientierung in der Suche nach Identität bietet – Lebenszuversicht, Halt, Lebensbedeutsamkeit und Sinn. Auf dem Hintergrund der Macht kulturindustrieller Medien auf das Denken und Fühlen von Kindern, vor allem aber junger Jugendlicher versteht es sich von selbst, dass Attraktivität nicht von guten Gebrauchswerten ausgeht, sondern vom Tuning eines so banalen Dings wie einer Frikadelle zu einem Kulturfetisch. Die Identität stiftende Bedeutung der Teilhabe (oder auch nur des Wunsches an solcher Teilhabe) am Lifestyle qua Konsum verdichtet sich in der Heiligsprechung der Orte dieses Konsums. Darin werden die Fetische konkret und abstrakt zugleich. 68

„weißen“, im Unterschied zur allgegenwärtigen „schwarzen“ Pädagogik)<br />

wenig Schranken setzt, mit dem Auftrag zur Anfertigung der K2 sogar die<br />

Aufforderung explizit wird, persönliche Phantasien ins Bild einer Karte zu<br />

setzen, dürften die von Odenbach in Auftrag gegebenen Phantasielandkarten<br />

unter ganz anderen Voraussetzungen entstanden sein. Einen großen – wenn<br />

nicht den größten – Teil seiner Explorationen hat er im repressiven Schulsystem<br />

des Nationalsozialismus durchgeführt. So wird die Anfertigung einer<br />

„Phantasie“-Landkarte unter dem Druck der Erwartung einer vorzeigbaren<br />

Leistung gestanden haben. Phantasie orientiert sich unter solchen Voraussetzungen<br />

eher am Maßstab des in der Logik einer Karte Darstellbaren, als an<br />

subjektiven Wünschen, Ängsten, Hoffnungen und Sehnsüchten, die auf eine<br />

andere und besser geglaubte Welt projiziert werden.<br />

Starke Wunsch-Motive sind in den hier zugrunde liegenden Karten (bei jüngeren<br />

Mädchen) ein Leben in der unmittelbaren Nähe zu Tieren (z. B. im<br />

eigenen Garten), eine Form des Wohnens, die die Möglichkeit des gemeinsamen<br />

Lebens mit allen wichtigen Bezugspersonen bietet (insbesondere das<br />

Leben mit Familienangehörigen, vor allem Vater und Mutter). Bei Jungen<br />

und Mädchen ist auch der Wunsch nach einer „intakten“ Natur und einer<br />

„ökologischen“ Stadt zu beobachten. Gerade im Feld der Projektionen wird<br />

der Einfluss massenmedialer Themenkonjunkturen, ubiquitärer Politik-Diskurse<br />

und problemsensibilisierender Unterrichts-Themen deutlich. Ein alle<br />

illusionierten Stadtwelten dominierendes Thema ist indes die räumliche<br />

Synthese von Wohnen und Konsum. Wenn das eigene Haus in einem Kreis<br />

von Markenhändlern und global agierenden Fastfood-Ketten gleichsam in der<br />

Mitte steht, drückt sich damit die zugespitzte und leise Macht der Kulturindustrie<br />

aus. Wenn wir auch hier von „subjektiven“ Karten sprechen, so<br />

macht diese Form der Subjektivität doch darauf aufmerksam, dass persönliche<br />

Wünsche und Vorstellungen tief in der gemeinsamen Situation stehen, in<br />

der Kinder und Jugendliche aufwachsen und die ihnen Orientierung in der<br />

Suche nach Identität bietet – Lebenszuversicht, Halt, Lebensbedeutsamkeit<br />

und Sinn. Auf dem Hintergrund der Macht kulturindustrieller Medien auf das<br />

Denken und Fühlen von Kindern, vor allem aber junger Jugendlicher versteht<br />

es sich von selbst, dass Attraktivität nicht von guten Gebrauchswerten ausgeht,<br />

sondern vom Tuning eines so banalen Dings wie einer Frikadelle zu<br />

einem Kulturfetisch. Die Identität stiftende Bedeutung der Teilhabe (oder<br />

auch nur des Wunsches an solcher Teilhabe) am Lifestyle qua Konsum verdichtet<br />

sich in der Heiligsprechung der Orte dieses Konsums. Darin werden<br />

die Fetische konkret und abstrakt zugleich.<br />

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