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vermittelter Beziehungen zu Sachverhalten und Situationen, die sich in Räumen widerspiegeln. Das Medium der subjektiven Karte soll hier als zeichnerischer Ausdruck komplexer Selbst- und Weltbeziehungen, die sich an den Darstellungsmitteln der Karte im weitesten Sinne orientieren, verstanden werden. Unter diesen Begriff lassen sich die sogenannten „Mental Maps“ ebenso subsumieren wie „Phantasielandkarten“, denen sich vor einem halben Jahrhundert Karl Odenbach in einem analytischen Interesse zugewandt hatte (s. Beitrag von Odenbach in diesem Band). Odenbach wollte über die Phantasielandkarte etwas über den entwicklungspsychologischen Stand seiner SchülerInnen erfahren; aber er wollte auch Einblick in das Denken in erdkundlichen Zusammenhängen gewinnen (vgl. Odenbach 1957 in diesem Band). So öffnete er sich zwar den subjektiven Weltbildern seiner SchülerInnen gegenüber, hatte aber doch immer auch Abweichungen vom „richtigen“ Plan der Kartographie im Blick. „Seine“ Phantasielandkarte stand so zu einem großen Teil seines Forschungsinteresses doch auch in der Logik einer Effizienzsteigerung unterrichtlicher Wissensvermittlung. Auch Birkenhauer schlug vor, Phantasielandkarte zeichnen zu lassen, um Einblicke in das kindliche Verständnis von Karten zu gewinnen (Birkenhauer 1974: 88). Der Beitrag von Odenbach ist in seiner Verfolgung kognitiver Lernfortschritte auf anachronistischen Weise aktuell, steht doch in den aktuellen Kerncurricula der Bundesländer weniger das humanistische Projekt der Menschen-Bildung auf der Tagesordnung, sondern das ausbildungsorientierte Programm der Vermittlung tauschwerter Skills. Im Unterschied zur Phantasielandkarte dienen die sogenannten „Mental Maps“ nicht der Evaluation des Gelernten. Sie folgen einem Interesse an subjektiven Weltbildern, Raum- und Ortsvorstellungen und sollen Aufschluss geben über bevorzugte und gemiedene Orte, über Vorurteile, über den Differenzierungsgrad von Raumvorstellungen etc. Der Band von Downs and Stea (vgl. 1982) liefert eine Fülle an Beispielen, in denen deutlich wird, in welcher Weise Raumvorstellungen zum einen Produkt kultureller, politischer, ideologischer Konstruktionen sind, die auf gesellschaftlichem bzw. subkulturellen Niveau gewachsen, zum anderen aber auch persönliche Lebenssituationen ausdrücken. Es kommt ganz auf den Gegenstand einer Mental Map an, ob sie eine (i.S. der Übersetzung des Titels) „kognitive“ oder doch viel mehr eine affektive Karte ist. Dies gilt auch grundsätzlich für die im Folgenden vorzustellenden subjektiven Karten. 61

3 Meine Stadt – zwischen Imagination und Projektion An einer explorativen Studie über subjektive Raumvorstellungen von Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen zehn und siebzehn Jahren nahmen 186 Schülerinnen und Schüler teil, 123 aus einer Gesamtschule im Main- Taunus-Kreis (Klassen 5 bis 9) und 63 aus einer Gesamtschule in Wiesbaden. Die Beteiligung von Jungen und Mädchen war in etwa gleich. Alle SchülerInnen hatten die Aufgabe, eine Karte zum Thema „Wie erlebe ich meine Stadt“ (künftig K1) und „Wie wünsche ich mir meine Stadt“ (künftig K2) zu zeichnen. Dafür stand ihnen eine Doppelstunde zur Verfügung. Am unteren Rand eines vorgedruckten Blattes befanden sich Kästen für den Eintrag von kartographischen Symbolen, die von allen SchülerInnen genutzt worden sind, um über Farben, Buchstaben oder einfache Zeichen das Dargestellte zu erläutern. Auf dem Arbeitsblatt befand sich ferner die Auforderung, am Rande des Blattes die Karte kurz zu erläutern; dies ist nur von wenigen SchülerInnen umgesetzt worden. Die im Prinzip großzügig bemessene Zeit reichte in vielen Fällen nicht aus, so dass nur eine Karte fertiggestellt werden konnte (dies betrifft 50 von 186 SchülerInnen). Darin mag eine Fußnote zu den Lern- und Arbeitsrhythmen im Sekundarbereich I unterhalb des Gymnasiums anklingen. Die den Versuch begleitenden Lehrkräfte berichteten auch, dass die Motivation der SchülerInnen zur Anfertigung von zwei Karten nur mit Mühe aufrecht zu erhalten gewesen sei. In den folgenden Illustrationen werde ich nicht quantitativ argumentieren. Die Karten sind in ihrer ästhetischen Gestaltung, technischen Ausführung und thematischen Orientierung so mannigfaltig, dass jede objektivierende Generalisierung einen Abstraktionsgrad schaffen würde, der die pädagogische Intention des Mediums »subjektive Karte« konterkarieren müsste. Beide Karten unterscheiden sich dadurch, dass K1 im Prinzip eine Mental Map und K2 eine Phantasielandkarte ist. In K1 bringen die SchülerInnen ihre Wahrnehmungs- und Erlebnisweise zum Ausdruck. Das im (Karten-)Bild Dargelegte deckt sich in vielen Aspekten mit den charakteristischen Merkmalen, die auch in den Beispielen bei Downs / Stea hervorstechen: Nicht die „tatsächliche“ Stadt wird in einer exakten Abbildlogik zu Papier gebracht, sondern ein „Bild“ der Stadt, in das sich persönliche Präferenzen ebenso einschreiben wie tägliche Bewegungsroutinen im Raum, Lage-, Ferne- und Nähebeziehungen, die nicht am euklidischen Raum geeicht sind, sondern an ge- bzw. erlebten Beziehungen zu Orten und Wegen. Die Ergebnisse zu K2 nehmen schon in der Aufgabenstellung Distanz zur tatsächlichen Stadt und 62

vermittelter Beziehungen zu Sachverhalten und Situationen, die sich in Räumen<br />

widerspiegeln.<br />

Das Medium der subjektiven Karte soll hier als zeichnerischer Ausdruck<br />

komplexer Selbst- und Weltbeziehungen, die sich an den Darstellungsmitteln<br />

der Karte im weitesten Sinne orientieren, verstanden werden. Unter diesen<br />

Begriff lassen sich die sogenannten „Mental Maps“ ebenso subsumieren wie<br />

„Phantasielandkarten“, denen sich vor einem halben Jahrhundert Karl Odenbach<br />

in einem analytischen Interesse zugewandt hatte (s. Beitrag von Odenbach<br />

in diesem Band). Odenbach wollte über die Phantasielandkarte etwas<br />

über den entwicklungspsychologischen Stand seiner SchülerInnen erfahren;<br />

aber er wollte auch Einblick in das Denken in erdkundlichen Zusammenhängen<br />

gewinnen (vgl. Odenbach 1957 in diesem Band). So öffnete er sich zwar<br />

den subjektiven Weltbildern seiner SchülerInnen gegenüber, hatte aber doch<br />

immer auch Abweichungen vom „richtigen“ Plan der Kartographie im Blick.<br />

„Seine“ Phantasielandkarte stand so zu einem großen Teil seines Forschungsinteresses<br />

doch auch in der Logik einer Effizienzsteigerung unterrichtlicher<br />

Wissensvermittlung. Auch Birkenhauer schlug vor, Phantasielandkarte zeichnen<br />

zu lassen, um Einblicke in das kindliche Verständnis von Karten zu<br />

gewinnen (Birkenhauer 1974: 88). Der Beitrag von Odenbach ist in seiner<br />

Verfolgung kognitiver Lernfortschritte auf anachronistischen Weise aktuell,<br />

steht doch in den aktuellen Kerncurricula der Bundesländer weniger das<br />

humanistische Projekt der Menschen-Bildung auf der Tagesordnung, sondern<br />

das ausbildungsorientierte Programm der Vermittlung tauschwerter Skills.<br />

Im Unterschied zur Phantasielandkarte dienen die sogenannten „Mental<br />

Maps“ nicht der Evaluation des Gelernten. Sie folgen einem Interesse an<br />

subjektiven Weltbildern, Raum- und Ortsvorstellungen und sollen Aufschluss<br />

geben über bevorzugte und gemiedene Orte, über Vorurteile, über den Differenzierungsgrad<br />

von Raumvorstellungen etc. Der Band von Downs and Stea<br />

(vgl. 1982) liefert eine Fülle an Beispielen, in denen deutlich wird, in welcher<br />

Weise Raumvorstellungen zum einen Produkt kultureller, politischer, ideologischer<br />

Konstruktionen sind, die auf gesellschaftlichem bzw. subkulturellen<br />

Niveau gewachsen, zum anderen aber auch persönliche Lebenssituationen<br />

ausdrücken. Es kommt ganz auf den Gegenstand einer Mental Map an, ob sie<br />

eine (i.S. der Übersetzung des Titels) „kognitive“ oder doch viel mehr eine<br />

affektive Karte ist. Dies gilt auch grundsätzlich für die im Folgenden vorzustellenden<br />

subjektiven Karten.<br />

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