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8 Exkurs: Kartieren oder Kartographieren? Auffällig oft werden die Begriffe „Kartieren“ und „Kartographieren“ synonym verwendet, z. B. in der Kunstszene, die das Subjektive im Kartieren häufig wie selbstverständlich mit einbegreift, ohne dies explizit hervorzuheben. Das kann für den Geographen verwirrend und wenig nützlich sein, denn eine semantische Grunderfahrung besagt: Dort, wo es zwei Begriffe für eine vermeintlich gleiche Sache gibt, handelt es sich nicht um das Gleiche, sondern um Verschiedenes und seien es nur feine Nuancen. Andernfalls wäre einer der beiden Begriffe längst verschwunden oder weniger im Gebrauch. Hier nun der Versuch einer Klärung, obwohl das Verschwimmen der beiden Begriffe wohl nicht mehr aus der Welt zu schaffen sein wird. Vom Kartieren haben die meisten Geographen eine ziemlich fest umrissene Vorstellung. Demnach handelt es sich vorwiegend um eine Feldmethode zur Erhebung von Primärdaten und lediglich um die Vorstufe zu einer („richtigen“) Karte (vgl. Hüttermann 2008). Erinnerungen werden wach an ziemlich trostlose Unterseminarübungen, in denen Geschäfte, Kioske, Tankstellen, Briefkästen und allerlei Feld-, Wald- und Wiesennutzungen besinnungslos kartiert wurden. Zur Unterscheidung zwischen Kartieren und subjektivem Kartographieren sind Benno Werlens (1997b: 4 bzw. 37) Ausführungen hilfreich: „Postuliert man beispielsweise das Kartieren als wichtigste geographische Methode, dann wird konsequenterweise die Idee gefördert, ‚Raum’ oder ‚Landschaft’ seien die ‚wahren’ Gegenstände der Geographie“. Die Konstitution des Gesellschaftlichen bleibt ebenso draußen vor wie die „Welt der intersubjektiv kommunizierbaren Bedeutungshorizonte“. Auf der Folie von räumlichen Hypostasierungen bzw. räumlichen Fetischisierungen werden lediglich die räumlichen Eigenschaften des Gesellschaftlichen kartiert – Repräsentationen von Repräsentationen. Kartieren ist nochmaliges Schreiben von bereits Geschriebenem. Daher darf sich, wer sich auf physisch-materielle, erdräumlich lokalisierbare Gegebenheiten kapriziert (siehe z. B. Hüttermann 2008), nicht wundern, dass er kaum mehr festhält als die Banalitäten einer „objektiven“ Welt, und zwar in immer perfekterer Weise. Über den Wahn, die Welt umfassend in ihrer Totalität „objektiv“ abbilden zu wollen – was absurderweise auf eine Karte im Maßstab 1:1 hinausliefe –, haben sich die Literaten Lewis Carroll, Jorge 31

Luis Borges und Umberto Eco in satirischer Absicht ausgelassen (vgl. Crampton 2001: 240). Ein Beispiel zeigt: Hier hat jemand offensichtlich kartiert, d. h., Primärdaten erhoben (Abb. 15). Festgehalten wurde die Anzahl von gastronomischen Betrieben im Zentrum einer Kleinstadt. Ziel oder Zweck war die nüchterne Feststellung, dass inmitten einer überplanbaren innerstädtischen Grünfläche, die laut Bürgerwunsch in eine Art Park- und Spiellandschaft verwandelt werden soll, wohl kaum noch Platz ist für ein von einigen Zeitgenossen erträumtes schnuckeliges Café. Vielmehr wurde durch die Kartierung deutlich, dass die bereits vorhandenen gastronomischen Betriebe – neun an der Zahl – ausreichen und durch Wege optimal an die neue Park- und Spiellandschaft angebunden werden sollten. Abb. 15 Kartierung aus einer Planungswerkstatt Der Unterschied zwischen Kartieren und Kartographieren wird mit einem Schlage augenfällig: Für dieselbe Grünfläche wurden auch subjektive Kartographien von interessierten und engagierten Bürgern in Planungswerkstätten angefertigt, in denen sie ihre Vorstellungen über das künftige Aussehen der besagten innerstädtischen Freifläche durch subjektives Kartographieren visu- 32

8 Exkurs: Kartieren oder Kartographieren?<br />

Auffällig oft werden die Begriffe „Kartieren“ und „Kartographieren“ synonym<br />

verwendet, z. B. in der Kunstszene, die das Subjektive im Kartieren<br />

häufig wie selbstverständlich mit einbegreift, ohne dies explizit hervorzuheben.<br />

Das kann für den Geographen verwirrend und wenig nützlich sein, denn<br />

eine semantische Grunderfahrung besagt: Dort, wo es zwei Begriffe für eine<br />

vermeintlich gleiche Sache gibt, handelt es sich nicht um das Gleiche, sondern<br />

um Verschiedenes und seien es nur feine Nuancen. Andernfalls wäre<br />

einer der beiden Begriffe längst verschwunden oder weniger im Gebrauch.<br />

Hier nun der Versuch einer Klärung, obwohl das Verschwimmen der beiden<br />

Begriffe wohl nicht mehr aus der Welt zu schaffen sein wird. Vom Kartieren<br />

haben die meisten Geographen eine ziemlich fest umrissene Vorstellung.<br />

Demnach handelt es sich vorwiegend um eine Feldmethode zur Erhebung<br />

von Primärdaten und lediglich um die Vorstufe zu einer („richtigen“) Karte<br />

(vgl. Hüttermann 2008). Erinnerungen werden wach an ziemlich trostlose<br />

Unterseminarübungen, in denen Geschäfte, Kioske, Tankstellen, Briefkästen<br />

und allerlei Feld-, Wald- und Wiesennutzungen besinnungslos kartiert wurden.<br />

Zur Unterscheidung zwischen Kartieren und subjektivem Kartographieren<br />

sind Benno Werlens (1997b: 4 bzw. 37) Ausführungen hilfreich: „Postuliert<br />

man beispielsweise das Kartieren als wichtigste geographische Methode,<br />

dann wird konsequenterweise die Idee gefördert, ‚Raum’ oder ‚Landschaft’<br />

seien die ‚wahren’ Gegenstände der Geographie“. Die Konstitution des Gesellschaftlichen<br />

bleibt ebenso draußen vor wie die „Welt der intersubjektiv<br />

kommunizierbaren Bedeutungshorizonte“. Auf der Folie von räumlichen<br />

Hypostasierungen bzw. räumlichen Fetischisierungen werden lediglich die<br />

räumlichen Eigenschaften des Gesellschaftlichen kartiert – Repräsentationen<br />

von Repräsentationen. Kartieren ist nochmaliges Schreiben von bereits Geschriebenem.<br />

Daher darf sich, wer sich auf physisch-materielle, erdräumlich lokalisierbare<br />

Gegebenheiten kapriziert (siehe z. B. Hüttermann 2008), nicht wundern, dass<br />

er kaum mehr festhält als die Banalitäten einer „objektiven“ Welt, und zwar<br />

in immer perfekterer Weise. Über den Wahn, die Welt umfassend in ihrer<br />

Totalität „objektiv“ abbilden zu wollen – was absurderweise auf eine Karte<br />

im Maßstab 1:1 hinausliefe –, haben sich die Literaten Lewis Carroll, Jorge<br />

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