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jektiven, intentionalen Entscheidungen und unbewussten, subjektiven wie diskursiven Selbstverständlichkeiten und Weltvorstellungen. Kombiniert mit der Notwendigkeit der Reduktion in Geomedien, sind diese stets perspektivisch und reduzieren Sinngebungen ins Singuläre, hin zu eindeutigen Deutungen, hin zu absoluten Räumen. Diese Reduktion der Deutung(sangebote) kann das Handeln der Kartenleser (auch wenn diese auf Basis des Mediums ihre eigenen Ausdeutungen vornehmen) limitieren und lenken. Durch den erwähnten Bezug zur physischen Welt ist die Wirkmächtigkeit der Karte dabei besonders hoch, weshalb eine mündige Rezeption im Sinne einer Reflexion unerlässlich ist. Die Methode der Dekonstruktion in der Kritischen Kartographie (vgl. Harley 1989) ist eine Methode, die didaktisch adaptierbar ist (vgl. Gryl 2010) und der kritischen Betrachtung jener autorenseitigen Konstruiertheit dient. Es gilt, die Monoperspektivität durch Perspektivenwechsel aufzubrechen. Ein Zeichen steht für eine spezifische Bedeutung; jedoch kann hinterfragt werden, welche alternativen Deutungen angebracht werden können. Eine Grünfläche kann beispielsweise in der Planungskarte verheißungsvoll aussehen: Doch welche Nutzungen sich genau hinter dem Begriff verbergen (Betreten verboten, Hundespielplatz etc.) wird nicht deutlich. Dekonstruktion heißt Grenzen der Zeichen auszuloten, beim Überschreiten der Grenze die Deutungsmacht der Karte zu brechen und das Verschwiegene offen zu legen. Theoretisch fundiert Harley (1989: 2–3) dies mit einem eklektizistischen Aufgreifen der Dekonstruktion von Derrida (1976) und der Macht- und Diskurstheorie von Foucault (1973). Zusätzlich dazu ist eine auf die subjektive Konstruktion des Konsumenten abzielende Reflexivität durch diesen selbst für eine mündige Geomediennutzung notwendig. Dies wird unter anderem darin deutlich, dass die Ergebnisse der Dekonstruktion wiederum subjektiv wie diskursiv geleitete Konstruktionen sind und daher einer erneuten Dekonstruktion bedürfen, hin zu einer „Dialektik ohne Ende“ (Dörfler 2005: 75). Im Rahmen von Spatial Citizenship kann damit die reflexive Lesart von Geomedien als eine relevante Komponente formuliert werden. Hierbei werden sowohl die Subjektivität und Diskursgeleitetheit der Autorenseite, als auch die eigene Subjektivität als Konsument punktuell und klarer erfassbar. 133

4.5 Social cartography und volunteered GI Will man den citizenship- und empowerment-Gedanken weiterführen, kommt man nicht umhin, neben die mündige Konsumption die Produktion eigener räumlicher Repräsentationen zu stellen (vgl. u. a. Turnbull 1993). Im Sinne eines demokratischen Ansatzes geht es hierbei zunächst um die Kommunikation eigener, subjektiver Deutungen. Dies geschieht in alternativen Darstellungen, aber im Bewusstsein der Relationalität von Räumen. Dem folgt eine auf demokratischen Prinzipien beruhende Auseinandersetzung und Aushandlung mit Akteuren, die andere Deutungsangebote einbringen. Um eine relative Machtgleichheit herzustellen, bedarf es der Verfügbarkeit gleicher Kommunikationsmittel für alle Akteure. Frühere Laienkarten waren gegenüber den durch professionelle Kartographie produzierten institutionellen Karten im Hintertreffen. Von Kindern handgezeichnete „niedliche“ Karten kommunizieren ungefiltert deren Interessen, verschaffen ihnen jedoch keine gleichberechtigte Verhandlungsposition. Eine „unprofessionelle“ Gestaltung kann zudem den Betrachter zu verkürzten Schlussfolgerungen auf den Inhalt verleiten. Die Möglichkeiten des geoweb (als Teil des web2.0) versprechen dagegen die Mittel der Deutungskommunikation jedem einzelnen zur Verfügung zu stellen. Die technologischen und ökonomischen Barrieren zur Nutzung von Kartenproduktionsinstrumenten sinken drastisch. Jedermann kann mit frei zugänglichen digitalen Globen (z. B. Google Earth) oder Webmapping- Diensten (z. B. Scribblemaps) grafisch ansprechende, professionelle Gestaltungsmittel anwendende und damit konkurrenzfähige Karten erstellen und sie anderen über vorhandene web2.0-Kanäle zugänglich machen. Darüber hinaus bietet das geoweb geeignete Plattformen für das Aufeinandertreffen und die Verhandlung einer mit anderen Mitteln technisch schwer zu koordinierenden Vielzahl an Deutungen mit dem Ziel der für alle Beteiligten tragbaren Konsensfindung. Entgegen der Kritik der erwähnten Critical GIScience erlauben GI-Anwendungen im gewissen Maße Komplexität und Widerspruch. 4 Mehrdeutigkeit und Interessenvielfalt ersetzen potentiell einfache, singuläre Erzählungen. An die Stelle von face-to-face-Verhandlungen treten zeitlich und räumlich entankerte web2.0-Aushandlungsprozesse in sozialen Netzwerken, Foren und Wikis. Zeitliche Ungleichzeitigkeit mit 4 Vgl. mapping controversies (Latour et al., 2010-12-06) 134

4.5 Social cartography und volunteered GI<br />

Will man den citizenship- und empowerment-Gedanken weiterführen, kommt<br />

man nicht umhin, neben die mündige Konsumption die Produktion eigener<br />

räumlicher Repräsentationen zu stellen (vgl. u. a. Turnbull 1993). Im Sinne<br />

eines demokratischen Ansatzes geht es hierbei zunächst um die Kommunikation<br />

eigener, subjektiver Deutungen. Dies geschieht in alternativen Darstellungen,<br />

aber im Bewusstsein der Relationalität von Räumen. Dem folgt eine<br />

auf demokratischen Prinzipien beruhende Auseinandersetzung und Aushandlung<br />

mit Akteuren, die andere Deutungsangebote einbringen.<br />

Um eine relative Machtgleichheit herzustellen, bedarf es der Verfügbarkeit<br />

gleicher Kommunikationsmittel für alle Akteure. Frühere Laienkarten waren<br />

gegenüber den durch professionelle Kartographie produzierten institutionellen<br />

Karten im Hintertreffen. Von Kindern handgezeichnete „niedliche“ Karten<br />

kommunizieren ungefiltert deren Interessen, verschaffen ihnen jedoch<br />

keine gleichberechtigte Verhandlungsposition. Eine „unprofessionelle“ Gestaltung<br />

kann zudem den Betrachter zu verkürzten Schlussfolgerungen auf<br />

den Inhalt verleiten.<br />

Die Möglichkeiten des geoweb (als Teil des web2.0) versprechen dagegen<br />

die Mittel der Deutungskommunikation jedem einzelnen zur Verfügung zu<br />

stellen. Die technologischen und ökonomischen Barrieren zur Nutzung von<br />

Kartenproduktionsinstrumenten sinken drastisch. Jedermann kann mit frei<br />

zugänglichen digitalen Globen (z. B. Google Earth) oder Webmapping-<br />

Diensten (z. B. Scribblemaps) grafisch ansprechende, professionelle Gestaltungsmittel<br />

anwendende und damit konkurrenzfähige Karten erstellen und sie<br />

anderen über vorhandene web2.0-Kanäle zugänglich machen.<br />

Darüber hinaus bietet das geoweb geeignete Plattformen für das Aufeinandertreffen<br />

und die Verhandlung einer mit anderen Mitteln technisch schwer<br />

zu koordinierenden Vielzahl an Deutungen mit dem Ziel der für alle Beteiligten<br />

tragbaren Konsensfindung. Entgegen der Kritik der erwähnten Critical<br />

GIScience erlauben GI-Anwendungen im gewissen Maße Komplexität und<br />

Widerspruch. 4 Mehrdeutigkeit und Interessenvielfalt ersetzen potentiell einfache,<br />

singuläre Erzählungen. An die Stelle von face-to-face-Verhandlungen<br />

treten zeitlich und räumlich entankerte web2.0-Aushandlungsprozesse in<br />

sozialen Netzwerken, Foren und Wikis. Zeitliche Ungleichzeitigkeit mit<br />

4 Vgl. mapping controversies (Latour et al., 2010-12-06)<br />

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