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26.12.2013 Aufrufe

1 Einleitung Dieses Buch befasst sich mit der Biografie der französischen Pianistin und Klavierpädagogin Marie Pleyel. Zu einem großen Teil stützt sich die Arbeit auf die öffentliche Wahrnehmung zur damaligen Zeit. So wird anhand zahlreicher Zeitungsartikel versucht, Marie Pleyels Konzertreisen innerhalb Europas nachzuzeichnen. Ein weiterer Schwerpunkt dieser Arbeit stellt ihre Tätigkeit als Professorin für Klavier am Brüsseler Konservatorium dar, die sie über zwanzig Jahre ausführte. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts traten immer mehr weibliche Pianisten öffentlich auf, ein bis dahin unbekanntes Phänomen. Bei diesen Künstlerinnen handelte es sich überwiegend um Interpretinnen, da die Möglichkeiten, ein Kompositionsstudium zu absolvieren, für Frauen zur damaligen Zeit begrenzt waren. Sowohl die Pianistinnen als auch die Musikkritiker sahen sich vor neue Herausforderungen gestellt: Für die Bewertung ihrer Auftritte wurden neben Genderfragen bezüglich des Repertoires auch Aspekte der Interpretation sowie der Körperhaltung am Klavier entscheidend. Ein weiteres Kapitel wird sich dieser Thematik widmen und unter Berücksichtigung dieses Phänomens den Erfolg von Marie Pleyel näher beleuchten. Die Auswertung einiger von ihr handschriftlich verfasster Briefe schließt die Arbeit ab. Die Briefe geben Hinweise auf persönlichere Aspekte, wie ihre sozialen Kontakte und ihre Emotionen. Diese Arbeit entstand im Rahmen des Ersten Staatsexamens für das Lehramt an Gymnasien. Ein besonderer Dank gilt dem Sophie Drinker Institut in Bremen, das umfangreiches Quellenmaterial, vor allem aus der deutschsprachigen Musikpresse, zur Verfügung gestellt hat. 9

Marie Pleyel, ca. 1830, Holzschnitt (anonym) „Sie ist fast so groß wie ich[ 1 ]. Sie hat eine zierliche Figur, wunderschöne schwarze Haare, große blaue Augen, die erst wie Sterne funkeln, dann ihren Glanz wie die eines Sterbenden verlieren, wenn sie unter dem Einfluss des musikalischen Dämons steht. Sie besitzt einen heiteren Humor, wenn auch manchmal spöttisch und bissig, mit einem Hauch von Güte darunter; ein bisschen Kind steckt in ihr, schreckhaft […] und dennoch standhaft, wenn es darauf ankommt. Launenhaft bei Kleinigkeiten. Ihre Mutter machte mich auf diese Schwäche aufmerksam, sie [Marie] unterbrach sie, indem sie sagte: „Ja ich bin sprunghaft, aber wie ein Seidenkleid, dessen Nuancen allein variieren, dessen Farbe aber bleibt.“ An ihrem Klavier ist sie eine Corinne; dann ist nichts mehr von Kinderei oder Heiterkeit zu spüren; während der langen Passagen der Adagios hält sie ihren Atem bis zum Ende der Phrase an, erblasst, errötet, gerät in Erregung, […] während sie dem innersten Gedanken des Komponisten oder ihrem eigenen folgt; es ist fast eine Pein sie zu hören, sie dabei zu sehen ist gänzlich eine Qual. Ihr Talent gleicht einem Wunder“ 2 (Übersetzung J. K.). 1 Berlioz war 1,63 m groß. 2 Berlioz über Marie Pleyel in einem Brief an seine Schwester: Correspondance Générale I, Paris, 30 juin 1830.: „Elle est presque aussi grande que moi, d’une taille élancée et gracieuse, elle a de superbes cheveux noirs, de grands yeux bleus, qui tantôt scintillent comme des étoiles, tantôt deviennent ternes comme ceux d’un mourant quand elle est sous l’influence du démon musical. Elle est d’une humeur enjouée, d’un esprit parfois caustique et mordant qui tranche sur un fond de bonté; un peu enfant, peureuse […] et cependant ferme quand il le faut. Capricieuse pour les petites choses. Sa mère me faisant remarquer ce défaut, elle l’arrêta en disant: «Oui je suis changeante, mais comme une robe de soie dont les nuances seules varient et dont la couleur reste». A son piano, c’est une Corinne; il n’y a plus d’enfantillages ni de gaité [sic]; dans les longues périodes des adagios elle retient sa respiration jusqu’à la fin de la phrase, pâlit, rougit, s’exalte, […] suivant la pensée intime du compositeur ou la sienne propre; c’est presque un tourment de l’entendre, c’en est un tout à fait de la voir jouer. Son talent tient du prodige.“ 10

Marie Pleyel, ca. 1830, Holzschnitt (anonym)<br />

„Sie ist fast so groß wie ich[ 1 ]. Sie hat eine zierliche Figur, wunderschöne<br />

schwarze Haare, große blaue Augen, die erst wie Sterne funkeln, dann<br />

ihren Glanz wie die eines Sterbenden verlieren, wenn sie unter dem Einfluss<br />

des musikalischen Dämons steht. Sie besitzt einen heiteren Humor,<br />

wenn auch manchmal spöttisch und bissig, mit einem Hauch von Güte<br />

darunter; ein bisschen Kind steckt in ihr, schreckhaft […] und dennoch<br />

standhaft, wenn es darauf ankommt. Launenhaft bei Kleinigkeiten. Ihre<br />

Mutter machte mich auf diese Schwäche aufmerksam, sie [Marie] unterbrach<br />

sie, indem sie sagte: „Ja ich bin sprunghaft, aber wie ein Seidenkleid,<br />

dessen Nuancen allein variieren, dessen Farbe aber bleibt.“ An<br />

ihrem Klavier ist sie eine Corinne; dann ist nichts mehr von Kinderei oder<br />

Heiterkeit zu spüren; während der langen Passagen der Adagios hält sie<br />

ihren Atem bis zum Ende der Phrase an, erblasst, errötet, gerät in Erregung,<br />

[…] während sie dem innersten Gedanken des Komponisten oder ihrem<br />

eigenen folgt; es ist fast eine Pein sie zu hören, sie dabei zu sehen ist<br />

gänzlich eine Qual. Ihr Talent gleicht einem Wunder“ 2 (Übersetzung J. K.).<br />

1 Berlioz war 1,63 m groß.<br />

2 Berlioz über Marie Pleyel in einem Brief an seine Schwester: Correspondance Générale I, Paris,<br />

30 juin 1830.: „Elle est presque aussi grande que moi, d’une taille élancée et gracieuse, elle a de<br />

superbes cheveux noirs, de grands yeux bleus, qui tantôt scintillent comme des étoiles, tantôt deviennent<br />

ternes comme ceux d’un mourant quand elle est sous l’influence du démon musical. Elle<br />

est d’une humeur enjouée, d’un esprit parfois caustique et mordant qui tranche sur un fond de<br />

bonté; un peu enfant, peureuse […] et cependant ferme quand il le faut. Capricieuse pour les petites<br />

choses. Sa mère me faisant remarquer ce défaut, elle l’arrêta en disant: «Oui je suis changeante,<br />

mais comme une robe de soie dont les nuances seules varient et dont la couleur reste». A son<br />

piano, c’est une Corinne; il n’y a plus d’enfantillages ni de gaité [sic]; dans les longues périodes<br />

des adagios elle retient sa respiration jusqu’à la fin de la phrase, pâlit, rougit, s’exalte, […] suivant<br />

la pensée intime du compositeur ou la sienne propre; c’est presque un tourment de l’entendre, c’en<br />

est un tout à fait de la voir jouer. Son talent tient du prodige.“<br />

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