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Neben der Auseinandersetzung darüber, welche Werke für den Vortrag einer<br />

Pianistin angemessen seien, sehen Pianistinnen sich ebenso mit Äußerungen über<br />

ihr Aussehen, ihre Körperhaltung und ihre Bewegungen am Klavier konfrontiert.<br />

Adolphe Adam schreibt 1845 in La France musicale über Marie Pleyel:<br />

« Et pourtant, que Mme Pleyel est belle quand elle est au piano! Il ne suffit<br />

pas de l’entendre, il faut la voir jouer. On comprend que cette musique<br />

qu’elle vous traduit sur le clavier prend sa source dans son âme, et que ses<br />

doigts ne sont que des interprètes: sa figure rayonne et trahit toutes ses<br />

sensations. N’allez pas croire, vous qui ne l’avez pas vue, que sa figure<br />

grimace et que son corps se contorsionne; c’est un ignoble défaut qui<br />

dépare de fort beaux talents. On voit au contraire les efforts de l’artiste<br />

pour comprimer l’exubérance des sensations qui l’animent; pas un muscle<br />

ne bouge, mais un feu divin anime son regard; le génie illumine son front;<br />

on sent qu’elle pense tout ce qu’elle joue. » 9<br />

Dieses Ausmaß an Ausführungen zum Körperausdruck findet sich hingegen in den<br />

Rezensionen über männliche Pianisten nicht. Diese beschränken sich auf deren<br />

Interpretation, allenfalls beinhalten sie Aussagen zu ihrer kraftvollen Spielweise. 10<br />

Dass Pianistinnen andere Werke spielen sollten als ihre männlichen Kollegen, zeigt<br />

sich in der Auswahl der Stücke, die das Pariser Konservatorium für die Wettbewerbe<br />

der Klavierklassen festlegt und die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />

am stärksten differiert. Während für einige Jahrgänge beispielsweise Beethoven<br />

zum Repertoire der Klavierklasse der Männer zählt (zum ersten Mal wird er<br />

1863 auf die Repertoireliste gesetzt), sind für denselben Zeitraum für die Klavierklasse<br />

der Frauen keine Stücke Beethovens, dafür jedoch Werke von Chopin,<br />

Haydn und Bach vorgesehen. Mit einer Ausnahme, einer Mozart-Fuge, wird von<br />

den männlichen Schülern nicht verlangt, Werke von Komponisten zu spielen, die<br />

älter als Cramer, Beethoven und Hummel sind. Die Idee eines geschlechtstypischen<br />

Repertoires kommt jedoch nicht erst mit der Festlegung des Pariser Konservatoriums<br />

auf, sondern zeichnet sich bereits Jahrzehnte vorher ab. So würden beispielsweise<br />

Hector Berlioz und Joseph D’Ortigue Beethovens dritte, fünfte und neunte<br />

Sinfonien regelmäßig als „terror of the sublime“ 11 bezeichnen. Dagegen würden der<br />

Barockmusik, Werken von Haydn, Mozart und Hummel „feminine“ Assoziationen<br />

9 La France musicale (1845), S. 115; „Wie schön ist Frau Pleyel, wenn sie am Piano sitzt. Es genügt<br />

nicht sie zu hören, man muß sie auch sehen. Man begreift, daß diese Musik, welche sie auf das<br />

Klavier überträgt…ihr aus der Seele quillt und daß ihre Finger nur Dollmetscher sind; ihr Anlitz<br />

strahlt und verräth alle Empfindungen. Ihr, die Ihr sie nicht gesehen habt, glaubet nicht, daß ihr<br />

Gesicht sich verzerrt und ihr Leib sich verrenkt; dies ist ein unedler Fehler, welcher die schönsten<br />

Talente verunstaltet. Man sieht im Gegentheil die Anstrengungen der Künstlerin, um die Überschwänglichkeit<br />

der Gefühle, welche sie beseelen, zurückzudrängen. Kein Muskel verzieht sich,<br />

aber ein göttlich Feuer beseelt ihren Blick; der Genius erhellt ihre Stirn, man fühlt, daß ihr Alles<br />

aus der Seele quillt“ (Übers. in Berliner Musikalische Zeitung (1845), zit. nach: Hoffmann (1991),<br />

S. 40f.).<br />

10 Ellis (1997), S. 367.<br />

11 Ellis (1997), S. 363.<br />

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