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durch sie Alles unklar und verworren erklingen läßt. Die Liszt’sche Paraphrase gefiel uns noch weniger. In dieser brachte sie nicht einmal die gewöhnlichen Eigenschaften eines jeden selbst unbedeutenden französischen Clavierspielers, Grazie und Geschmack, zur Geltung.“ 128 Ende März 1860 tritt Marie Pleyel erneut in Paris auf. Zu ihren Stücken zählen dieses Mal, neben der Klaviersonate Nr. 14 in cis-Moll op. 27 Nr. 2 (Mondscheinsonate) von Beethoven, Musik von Mendelssohn, drei großen Etüden aus Jules Cohens Études de style auch das Spinnlied von Litolff und das Caprice brillant von Stephen Heller über Schuberts Forelle. In der Revue et Gazette musicale ist zu lesen, dass Marie Pleyel zu den Wenigen gehöre, deren Klavierspiel mit jedem neuen Vortrag ein anderes sei. Abhängig von Inspiration und Sympathie, so Adolphe Botte, spiele sie mal mit mehr, mal mit weniger Glücksempfinden und Elan. Aber gerade dieses Unerwartete mache den Reiz ihres Klavierspiels aus. 129 Auch Gustave Chouquet findet in seinem Artikel in La France musicale ausschließlich lobende Töne. Er spricht von neuen Qualitäten ihrer Spielweise, die sich durch besonderen Mut, durch Elastizität und Sicherheit ausgezeichnet habe. Die Wahl, Etüden nach Musik von Mendelssohn zu spielen, hätte eigentlich einen sicheren Misserfolg bedeutet, nicht jedoch für Marie Pleyel: „Pour M me Pleyel c’est un innocent artifice, un acte de coquetterie, et le plus sûr moyen d’enlever tous les suffrages“. 130 Mit ihrer Auswahl aus Jules Cohens Etüdensammlung habe sie Wissen und Geschmack bewiesen. Die schicksalhaften Noten der Mondscheinsonate von Beethoven hätten wie die Totenglocken geklungen. Ihr Spiel habe sich durch einen einzigartig differenzierten Klang und einen die unerbittliche Strenge des Schicksals unterstreichenden Rhythmus ausgezeichnet. „Elle fait comprendre que Beethoven souffre profondément, qu’il ne veut pas être consolé, et qu’il se résigne à aimer toute sa vie d’un amour sans espoir.“ 131 Auch einen Monat später ist sie in einem Konzert im Rahmen einer von Adolphe Fétis veranstalteten musikalischen Matinee zu hören. Adolphe Botte berichtet, dass sie das Adagio von Hummel mit einer Eloquenz gespielt habe, die nur ihr eigen sei. Sie verliere niemals die Melodie aus den Augen, im Gegenteil sogar, diese würde durch alle Passagen durchscheinen, so als würde eine einzige Stimme, mächtiger als die anderen, den ganzen Chor, der sie unterstützt und schöner aussehen lässt, dominieren. „Il a suffit à Mme Pleyel de jouer la Truite, si bien et si délicatement ornée par Stephen Heller, et la Fileuse, de Litolff, pour obtenir un véritable triomphe.“ 132 128 Neue Zeitschrift für Musik (1860), S. 126. 129 Revue et Gazette musicale (1860), S. 105. 130 La France musicale (1860), S. 148; „Für M me Pleyel ist es ein harmloser Kunstgriff, ein Akt der Koketterie und das sicherste Mittel, alle Stimmen für sich zu gewinnen“ (Übersetzung J. K.). 131 La France musicale (1860), S. 149; „Sie gibt zu verstehen, dass Beethoven zutiefst leidet, dass er nicht getröstet werden möchte und dass er sich damit abfindet, dass er sein ganzes Leben mit einer hoffnungslosen Liebe lebt“ (Übersetzung J. K.). 132 Revue et Gazette musicale (1860), S. 142; „Es genügte Mme Pleyel, die von Stephen Heller so schön und delikat bearbeitete Truite und die Fileuse von Litolff zu spielen, um einen wahrhaftigen Triumph zu erlangen“ (Übersetzung J. K.). 35

2.4 Tätigkeit am Konservatorium in Brüssel Marie Pleyel wird im Jahre 1848 Professorin für Klavier am Konservatorium in Brüssel und führt dieses Amt bis zum Jahre 1872 aus. Im Folgenden möchte ich kurz auf die Gründung des Brüsseler Konservatoriums und die Situation der Klavierklassen vor Antritt ihres Amtes eingehen, um dann im Anschluss die Umstände, die zu ihrer Einstellung führten, näher zu beleuchten. 133 2.4.1 Gründung des Brüsseler Konservatoriums Das Konservatorium in Brüssel wird im Jahre 1832 gegründet. Erster Direktor der Einrichtung ist François-Joseph Fétis. Vorher legte die École royale de Musique fest, dass Jungen und Mädchen getrennt Musikunterricht bekommen sollen, mit Ausnahme des Gesangsunterrichts, der in gemischten Klassen stattfindet. Mit der Gründung des Konservatoriums, das fast die komplette Lehrerschaft der früheren Schule übernimmt, wird die Zahl der Schüler der Gesangsklasse von zwölf auf 16, jeweils acht Schülerinnen und Schüler, und die der Klavierklasse von sieben auf zwölf erhöht. Der Klavierunterricht der Mädchen und Jungen findet an verschiedenen Tagen statt. Aus dem Reglement geht hervor, dass beide Klassen nur bei Proben oder öffentlichen Übungen und unter ausdrücklicher Zustimmung der Kommission zusammenkommen dürfen: « Les classes d’Élèves des deux sexes sont séparées. Il ne peut y avoir de réunion qu’en cas de répétitions et dans les exercices publics, ou bien quand la Commission y aura expressément consenti. » 134 Des Weiteren sieht eine neue Regelung vor, dass im Falle einer zu großen Zahl an Schülerinnen und Schülern eine Assistentin (répétitrice) oder ein Assistent (répétiteur) zur Unterstützung der Lehrperson eingestellt werden kann. 2.4.2 Die Klavierklassen vor Marie Pleyels Amtsantritt Zunächst werden beide Klavierklassen von dem gebürtigen Franzosen Aimé Michelot unterrichtet. Für das erste Jahr seiner Tätigkeit liegen keine Angaben über die Anzahl der Schülerinnen und Schüler vor. Im zweiten Jahr sind sieben Jungen und sechs Mädchen eingeschrieben. Parallel werden elf Schüler von seinem Sohn Charles, der als Assistent angestellt ist, unterrichtet. Die erste Assistentin für die Klasse der demoiselles, Rosalie Themar, übernimmt den Unterricht von zehn weiteren Schülerinnen. Insgesamt bekommen somit im Jahr 1834/35 34 Mädchen und Jungen Klavierunterricht. Ein Jahr später steigt die Zahl der unterrichteten Schülerinnen und Schüler auf 45. Zu den beiden Assistenzstellen kommen zwei weitere hinzu. Eine der Stellen wird kurzzeitig durch Adolphe Fétis, den Sohn des Direk- 133 Grundlage dieses Kapitels: Raspé, Paul: „Marie Pleyel et la classe de piano ‘pour demoiselles’“, in: Mélanges d’histoire du Conservatoire royal de Bruxelles, Conservatoire royal de Bruxelles 2007, S. 73–132. 134 Zit. nach: Raspé (2007), S. 74; „Der Unterricht beider Geschlechter findet getrennt statt. Ein Zusammentreffen ist nur im Falle von Proben oder öffentlichen Übungen möglich, oder wenn die Kommission ausdrücklich ihre Zustimmung erteilt“ (Übersetzung J. K.). 36

durch sie Alles unklar und verworren erklingen läßt. Die Liszt’sche Paraphrase<br />

gefiel uns noch weniger. In dieser brachte sie nicht einmal die gewöhnlichen<br />

Eigenschaften eines jeden selbst unbedeutenden französischen<br />

Clavierspielers, Grazie und Geschmack, zur Geltung.“ 128<br />

Ende März 1860 tritt Marie Pleyel erneut in Paris auf. Zu ihren Stücken zählen dieses<br />

Mal, neben der Klaviersonate Nr. 14 in cis-Moll op. 27 Nr. 2 (Mondscheinsonate)<br />

von Beethoven, Musik von Mendelssohn, drei großen Etüden aus Jules<br />

Cohens Études de style auch das Spinnlied von Litolff und das Caprice brillant von<br />

Stephen Heller über Schuberts Forelle. In der Revue et Gazette musicale ist zu lesen,<br />

dass Marie Pleyel zu den Wenigen gehöre, deren Klavierspiel mit jedem neuen<br />

Vortrag ein anderes sei. Abhängig von Inspiration und Sympathie, so Adolphe<br />

Botte, spiele sie mal mit mehr, mal mit weniger Glücksempfinden und Elan. Aber<br />

gerade dieses Unerwartete mache den Reiz ihres Klavierspiels aus. 129 Auch<br />

Gustave Chouquet findet in seinem Artikel in La France musicale ausschließlich<br />

lobende Töne. Er spricht von neuen Qualitäten ihrer Spielweise, die sich durch<br />

besonderen Mut, durch Elastizität und Sicherheit ausgezeichnet habe. Die Wahl,<br />

Etüden nach Musik von Mendelssohn zu spielen, hätte eigentlich einen sicheren<br />

Misserfolg bedeutet, nicht jedoch für Marie Pleyel: „Pour M me Pleyel c’est un<br />

innocent artifice, un acte de coquetterie, et le plus sûr moyen d’enlever tous les<br />

suffrages“. 130 Mit ihrer Auswahl aus Jules Cohens Etüdensammlung habe sie Wissen<br />

und Geschmack bewiesen. Die schicksalhaften Noten der Mondscheinsonate<br />

von Beethoven hätten wie die Totenglocken geklungen. Ihr Spiel habe sich durch<br />

einen einzigartig differenzierten Klang und einen die unerbittliche Strenge des<br />

Schicksals unterstreichenden Rhythmus ausgezeichnet. „Elle fait comprendre que<br />

Beethoven souffre profondément, qu’il ne veut pas être consolé, et qu’il se résigne à<br />

aimer toute sa vie d’un amour sans espoir.“ 131<br />

Auch einen Monat später ist sie in einem Konzert im Rahmen einer von Adolphe<br />

Fétis veranstalteten musikalischen Matinee zu hören. Adolphe Botte berichtet, dass<br />

sie das Adagio von Hummel mit einer Eloquenz gespielt habe, die nur ihr eigen sei.<br />

Sie verliere niemals die Melodie aus den Augen, im Gegenteil sogar, diese würde<br />

durch alle Passagen durchscheinen, so als würde eine einzige Stimme, mächtiger als<br />

die anderen, den ganzen Chor, der sie unterstützt und schöner aussehen lässt, dominieren.<br />

„Il a suffit à Mme Pleyel de jouer la Truite, si bien et si délicatement ornée<br />

par Stephen Heller, et la Fileuse, de Litolff, pour obtenir un véritable triomphe.“ 132<br />

128 Neue Zeitschrift für Musik (1860), S. 126.<br />

129 Revue et Gazette musicale (1860), S. 105.<br />

130 La France musicale (1860), S. 148; „Für M me Pleyel ist es ein harmloser Kunstgriff, ein Akt der<br />

Koketterie und das sicherste Mittel, alle Stimmen für sich zu gewinnen“ (Übersetzung J. K.).<br />

131 La France musicale (1860), S. 149; „Sie gibt zu verstehen, dass Beethoven zutiefst leidet, dass er<br />

nicht getröstet werden möchte und dass er sich damit abfindet, dass er sein ganzes Leben mit einer<br />

hoffnungslosen Liebe lebt“ (Übersetzung J. K.).<br />

132 Revue et Gazette musicale (1860), S. 142; „Es genügte Mme Pleyel, die von Stephen Heller so<br />

schön und delikat bearbeitete Truite und die Fileuse von Litolff zu spielen, um einen wahrhaftigen<br />

Triumph zu erlangen“ (Übersetzung J. K.).<br />

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