BGH hält Globalzession für grundsätzlich insolvenzfest - Noerr
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<strong>BGH</strong> <strong>hält</strong> <strong>Globalzession</strong> <strong>für</strong> <strong>grundsätzlich</strong> <strong>insolvenzfest</strong><br />
von Rechtsanwalt Dr. Stefan Blum<br />
Der Bundesgerichtshof (<strong>BGH</strong>) hat am 29. November 2007 in einem mit Spannung erwarteten<br />
Urteil (Az.: IX ZR 30/07) entschieden, dass die <strong>Globalzession</strong> als kongruent und damit <strong>grundsätzlich</strong><br />
<strong>insolvenzfest</strong> anzuerkennen ist. Der <strong>BGH</strong> hat in dem Urteil die Sprungrevision gegen das<br />
von unserer Sozietät erstrittene Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. Januar 2007 (veröffentlicht<br />
in: ZInsO 2007, 555; besprochen in: ZInsO 2007, 528) zurückgewiesen.<br />
Zum Hintergrund des Rechtsstreits<br />
Die <strong>Globalzession</strong> ist eine weit verbreitete Kreditsicherheit insbesondere des deutschen Mittelstandes.<br />
Im Rahmen der <strong>Globalzession</strong> tritt der Darlehensnehmer seine sämtlichen gegenwärtigen<br />
und künftigen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen an die kreditgebende Bank ab.<br />
Diese Forderungen stehen so im Falle der Insolvenz des Darlehensnehmers vorrangig der kreditgebenden<br />
Bank als Haftungsmasse zur Verfügung.<br />
In einem Urteil vom 8. April 2005 (veröffentlicht in: ZInsO 2005, 552) hatte das Oberlandesgericht<br />
(OLG) Karlsruhe die Abtretung von Forderungen im Rahmen einer <strong>Globalzession</strong> als inkongruent<br />
(§ 131 InsO) angesehen – mit einer <strong>für</strong> die kreditgebende Bank fatalen Konsequenz:<br />
Die <strong>Globalzession</strong> kann nach dieser Entscheidung vom Insolvenzverwalter regelmäßig angefochten<br />
werden, soweit die abgetretenen Forderungen innerhalb der letzten drei Monate vor dem<br />
Insolvenzantrag entstanden sind; genau diese Forderungen bilden jedoch meist den werthaltigen<br />
Teil des Forderungsbestandes eines Unternehmens. Die Anfechtung wegen inkongruenter Deckung<br />
setzt dabei nicht voraus, dass die Bank eine etwaige Zahlungsunfähigkeit ihres Kunden<br />
kannte. Im Ergebnis wurde die <strong>Globalzession</strong> als seit langem bewährte Kreditsicherheit in dem<br />
Urteil des OLG Karlsruhe drastisch entwertet.<br />
Die Reaktionen auf dieses Urteil waren sowohl in der juristischen Fachliteratur als auch in der<br />
Praxis immens. Die Insolvenzverwalter gingen reihenweise dazu über, die jeweils mit der kreditgebenden<br />
Bank vereinbarte <strong>Globalzession</strong> anzufechten und von der Bank Auskehr der von ihr<br />
eingezogenen Forderungen zu verlangen. Dies führte zu erheblicher Unruhe bei den Banken.<br />
Diese wiesen zutreffend darauf hin, dass eine Kreditvergabe künftig in vielen Fällen nicht oder<br />
nur noch zu deutlich teureren Konditionen möglich wäre, sollte sich die Rechtsprechung des<br />
OLG Karlsruhe durchsetzen, der am 8. Juni 2006 auch das OLG München (veröffentlicht in: ZIP<br />
2006, 2277) gefolgt war.<br />
Das Urteil des Landgerichts Berlin<br />
Im ausdrücklichen Widerspruch zum OLG Karlsruhe und OLG München <strong>hält</strong> das Landgericht<br />
Berlin die <strong>Globalzession</strong> <strong>für</strong> <strong>insolvenzfest</strong>: In einer mutigen Entscheidung vom 26. Januar 2007 hat<br />
es die Anfechtungsklage eines Insolvenzverwalters abgewiesen. Denn, so das Landgericht Berlin,<br />
die Abtretung von Forderungen im Rahmen einer <strong>Globalzession</strong> sei zum einen kongruent (§ 130<br />
InsO) und daher nur unter erschwerten Voraussetzungen anfechtbar – insbesondere muss der<br />
Insolvenzverwalter nachweisen, dass die Bank die Zahlungsunfähigkeit ihres Kunden kannte. Zum<br />
News Insolvenzrecht – November 2007<br />
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NÖRR STIEFENHOFER LUTZ<br />
anderen sei die <strong>Globalzession</strong> aufgrund ihres revolvierenden Charakters mit einem Bargeschäft<br />
(§ 142 InsO) vergleichbar, das einer Anfechtung meist vollständig entzogen ist. Im Ergebnis ebenso<br />
entschieden dann auch das OLG Nürnberg (veröffentlicht in: ZIP 2007, 2129) sowie die<br />
Landgerichte Chemnitz (veröffentlicht in: WM 2007, 397), Arnsberg (veröffentlicht in: WM<br />
2007, 982) und Bielefeld (veröffentlicht in: ZIP 2007, 1764).<br />
Um die rechtlichen Fragen und die durch die widersprechenden Urteile hervorgerufene Unsicherheit<br />
möglichst schnell höchstrichterlich klären zu lassen, legte der vor dem Landgericht Berlin<br />
unterlegene Insolvenzverwalter – im Einverständnis mit der verklagten Bank – direkt Sprungrevision<br />
zum <strong>BGH</strong> ein (Az.: IX ZR 30/07). In diesem Verfahren sowie zwei weiteren, ähnlich gelagerten<br />
Revisionsverfahren (Az.: IX ZR 165/05 und IX ZR 177/05) fand am 29. November 2007 die<br />
mündliche Verhandlung vor dem <strong>BGH</strong> statt. Noch am selben Tag hat der <strong>BGH</strong> über die Revisionsverfahren<br />
entschieden und die Sprungrevision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin zurückgewiesen.<br />
Die Ansicht des <strong>BGH</strong><br />
In der mündlichen Verhandlung stellte der <strong>BGH</strong> zunächst – in Übereinstimmung mit seiner bisherigen<br />
Rechtsprechung – fest, dass es <strong>für</strong> die Anfechtbarkeit der <strong>Globalzession</strong> nicht auf den<br />
Zeitpunkt ankommt, zu dem die <strong>Globalzession</strong> zwischen Bank und Schuldner vereinbart wurde.<br />
Entscheidend ist vielmehr der Zeitpunkt, zu dem die rechtlichen Wirkungen der <strong>Globalzession</strong><br />
eintreten (§ 140 Abs. 1 InsO). Dies ist frühestens dann der Fall, wenn die einzelnen von der<br />
<strong>Globalzession</strong> erfassten Forderungen rechtlich entstehen, d.h. mit Abschluss der jeweiligen Verträge,<br />
die auf eine Lieferung oder Leistung des Schuldners an seinen Vertragspartner gerichtet<br />
sind. Die so entstandenen und an die Bank abgetretenen Forderungen werden allerdings erst<br />
dadurch werthaltig, dass der Schuldner die ihm nach dem jeweiligen Vertrag obliegende Lieferung<br />
oder Leistung an seinen Vertragspartner erbringt. In diesem „Werthaltigmachen“ der abgetretenen<br />
Forderungen sieht der <strong>BGH</strong> eine eigenständige anfechtbare Rechtshandlung im Sinne<br />
von § 129 InsO. Wann die Forderungen in diesem Sinne werthaltig werden, richtet sich nach der<br />
Art des jeweiligen Vertrags: Bei einem Kaufvertrag kommt es auf die Übergabe der Kaufsache,<br />
bei einem Werkvertrag auf die Erbringung der Werkleistung an.<br />
Soweit die von der <strong>Globalzession</strong> erfassten Forderungen innerhalb des 3-Monatszeitraums vor<br />
dem Insolvenzantrag werthaltig wurden, kommt nach den vorgenannten Grundsätzen somit eine<br />
Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 131 InsO in Betracht. Zur Abgrenzung dieser beiden Vorschriften<br />
ist die zentrale vom <strong>BGH</strong> erörterte Frage maßgeblich: Führt die <strong>Globalzession</strong> zu einer<br />
kongruenten oder zu einer inkongruenten Deckung? Hierzu verwies der <strong>BGH</strong> zunächst auf sein<br />
Urteil zur Anfechtbarkeit des AGB-Pfandrechts der Banken vom 7. März 2002 (veröffentlicht in:<br />
<strong>BGH</strong>Z 150, 122). In diesem Urteil hatte der <strong>BGH</strong> ausgeführt, dass eine kongruente Deckung eine<br />
Vereinbarung verlangt, die auf „bestimmte, sogleich wenigstens identifizierbare Gegenstände<br />
gerichtet“ ist und die konkret erfassten Sicherheiten nicht „dem Ermessen der Beteiligten oder<br />
dem Zufall“ überlässt. Würde man diese Anforderungen auf die <strong>Globalzession</strong> übertragen, müsste<br />
sie, so der <strong>BGH</strong>, als inkongruent bewertet werden. Denn bei Abschluss der <strong>Globalzession</strong><br />
stehen die später von ihr erfassten Forderungen noch nicht hinreichend fest. Der <strong>BGH</strong> deutete<br />
in der mündlichen Verhandlung jedoch an, dass er von seinen zum AGB-Pfandrecht der Banken<br />
entwickelten Grundsätzen abweichen werde. Aus den Materialien zur Konkursordnung ergebe<br />
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NÖRR STIEFENHOFER LUTZ<br />
sich nämlich, dass vor allem solche Sicherheiten zu einer inkongruenten Deckung führen sollen,<br />
die – anders als eine von Anfang an vereinbarte <strong>Globalzession</strong> – erst nachträglich bestellt werden.<br />
Dieses Verständnis habe sich weder während der Zeit der Konkursordnung noch durch Erlass<br />
der Insolvenzordnung wesentlich geändert. Zudem räumte der <strong>BGH</strong> ein, dass die <strong>Globalzession</strong><br />
(genau wie andere Globalsicherheiten, beispielsweise eine Raumsicherungsübereignung)<br />
wirtschaftlich wertlos wäre, könnte sie wegen inkongruenter Deckung angefochten werden. Klarstellend<br />
wies der <strong>BGH</strong> zudem darauf hin, dass die Frage nach der Kongruenz oder Inkongruenz<br />
einheitlich sowohl <strong>für</strong> das Entstehen als auch <strong>für</strong> das Werthaltigmachen der abgetretenen Forderungen<br />
zu beantworten ist.<br />
Abgelehnt hat der <strong>BGH</strong> die vielfach vertretene Ansicht, wonach die <strong>Globalzession</strong> als revolvierende<br />
Kreditsicherheit ein der Anfechtung entzogenes Bargeschäft bildet (§ 142 InsO). Denn, so<br />
der <strong>BGH</strong>, die Leistung der kreditgebenden Bank liege allein darin, dass sie den dem Schuldner<br />
gewährten Kredit stehen lasse. Dieses Stehenlassen sei wirtschaftlich jedoch weniger Wert als<br />
die Leistung des Schuldners, d.h. die Abtretung von Forderungen im Rahmen der <strong>Globalzession</strong>.<br />
Es fehle daher an der von § 142 InsO geforderten Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung.<br />
Fazit<br />
Beim Verfassen dieses Newsletters lagen noch keine Entscheidungsgründe, sondern nur die Pressemitteilung<br />
des <strong>BGH</strong> vor. Aus dieser ergibt sich, dass es der <strong>BGH</strong> <strong>für</strong> eine kongruente Deckung<br />
ausreichen lässt, dass die abgetretenen Forderungen „bestimmbar“ sind. Hieran besteht bei der<br />
<strong>Globalzession</strong> kein Zweifel. Es muss noch abgewartet werden, wie der <strong>BGH</strong> seine Rechtsansicht<br />
genau begründet. Die <strong>für</strong> die Kreditpraxis fatale Entscheidung des OLG Karlsruhe dürfte jedenfalls<br />
Geschichte sein.<br />
Haben Sie Fragen oder Anregungen zu dem Thema? Dann sprechen Sie uns an:<br />
NÖRR STIEFENHOFER LUTZ<br />
Dr. Stefan Blum<br />
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40477 Düsseldorf<br />
Tel.: +49-(0)211-49986-260<br />
Fax: +49-(0)211-49986-100<br />
E-Mail: stefan.blum@noerr.com<br />
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Die Informationen in diesem Newsletter ersetzen keine Beratung im Einzelfall.<br />
Stand: November 2007<br />
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