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Stefan Sudmann - Dülmener Heimatblätter

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10 Günter Scholz<br />

„Im Ganzen ist noch viel Unschuld hier im Lande. Verführung und Ausschweifung<br />

und auch Luxus sind selten unter dem Gesinde; Zucht, Demut und Fleiß der<br />

Dienstboten überraschten mich oft. Zur Erhaltung der Eigentümlichkeit und Sittenreinheit<br />

des Landvolks trägt es viel bei, dass es nur wenige zusammenhängende<br />

Dörfer hier gibt, wo die Leute nebeneinander wohnend in Laster und Klatscherei<br />

durcheinander fallen. Hier wohnt jeder Bauer mit seiner Familie, zu welcher auch<br />

das Vieh gehört, in einem einzeln liegenden Haus, dicht von einigen alten Eichen<br />

umgeben, die ihn vor Wind und Wetter schützen, und rings um ihn her liegen seine<br />

häufig mit Zäunen oder Erdwällen eingefriedeten Äcker. In einer Entfernung von<br />

etwa einer Viertelstunde liegt ein ähnlicher Besitz, größer oder kleiner, und eine<br />

Anzahl solcher Wirtschaften bilden eine Bauerschaft, deren wieder mehrere eine<br />

Pfarrgemeinde bilden. Das Land ist hierdurch von den reizendsten Baumgruppen<br />

und tausend heimischen grünen Zäunen und schattigen Winkeln bedeckt. Oft musste<br />

ich denken, wenn ich von Haus zu Haus durch grüne Pfade und Buschwege zog:<br />

„Welches Land zu schönem, unschuldigem Kinderleben! Welche Einsamkeiten und<br />

welche Unzahl von reizenden Brombeersträuchern!“<br />

„Die Einrichtung der Bauernhäuser, und teilweise in gewissem Grade auch der<br />

Bürgerhäuser, hat einen durchaus patriarchalischen Charakter. Das ganze Haus<br />

ist gewissermaßen um den Herd versammelt. Das Feuer auf eiserner Platte an der<br />

Erde an einer Mauer, und was zum Herde gehört, ist immer am besten in Ordnung<br />

im ganzen Haus. Der erste Eintritt ins Haus führt in diese Küche, in der auch<br />

das ganze Leben vor sich geht. Die Schlafstellen sind in den Wänden in einer Art<br />

eingemauerten Schränken, deren Türen bei Tag geschlossen sind, angebracht. Oft<br />

in der Küche selbst, öfter in einer dicht anliegenden Tenne stehen links und rechts<br />

Kühe oder Pferde auf etwas tieferem Boden, so dass ihre Futtertröge zu ebener Erde<br />

stehen und sie durch Pfähle fressend die Köpfe hereinstecken. Ein beweglicher Arm<br />

von Eisen oder Holz führt den Kochkessel von der Wasserpumpe über das Feuer.<br />

In einem Haus sah ich das Kind, damit es nicht ins Feuer fallen möchte, in dem<br />

runden Ausschnitt eines Brettes, das sich an einer Stange um einen Pfeiler bewegte,<br />

im Kreise herumlaufen. Am anderen Ende dieses großen Raumes oder in der durch<br />

ein Tor abgesonderten Tenne wird gedroschen oder Flachs gebrochen; oben drüber<br />

liegt das Heu, Stroh und Getreide. Die Hausfrau am Feuer übersieht alles. Die<br />

Fenster von kleinen Scheiben enthalten oft noch aus alter Zeit kleine Glasmalereien,<br />

Sprüche, Wappen, auch wohl kleine Heiligenbilder. Gewöhnlich findet man Goffinés<br />

‚Handpostille‘, Overbergs ‚Katechismus‘ und ‚Biblische Geschichte‘ auf einem<br />

Brett stehen oder in einer Lade, worin die Sonntagskleider liegen, und ein paar

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