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Bundesratswahl<br />

«Voilà – ich bin da, ich bin bereit.»<br />

SP-Ständerat Alain Berset, 39, beim Zeitunglesen<br />

im Café des Arcades in Freiburg.<br />

Wer wird Nachfolger oder<br />

Nachfolgerin von Bundesrätin<br />

Micheline Calmy-Rey?<br />

Vier SP-kandidaten –<br />

aus Freiburg, der Waadt,<br />

dem Wallis und dem Tessin –<br />

stehen bereit.<br />

Bald Bundesrat?<br />

Alain Berset, Freiburg<br />

«Politik ist wie Jazz»<br />

uSein Auftritt – dezent, charmant, elegant,<br />

aber betont bestimmt – gleicht der perlenden<br />

Anfangssequenz eines Jazz-Pianostückes.<br />

Obwohl es rundherum rumort: Im Freiburger<br />

Café des Arcades keucht die Kaffeemaschine,<br />

das Radio plärrt, Geschirr scheppert,<br />

doch Monsieur Alain Berset steht seelenruhig<br />

an der Theke, trinkt seinen Kaffee und<br />

spricht über Musik, seine Musik – den Piano-<br />

Jazz. Dieser habe viele Gemeinsamkeiten<br />

mit der Politik: «Bei beiden Tätigkeiten muss<br />

man die Regeln kennen und einhalten,<br />

man muss improvisieren, neue Situationen<br />

blitzschnell erfassen und den Ensemblemitgliedern<br />

zuhören, auf sie eingehen –<br />

also ein guter Teamplayer sein.»<br />

Alain Berset, 39, Freiburger SP-Ständerat,<br />

möchte Bundesrat werden. Er habe in<br />

seinem Leben immer selber gewählt, was<br />

er machen will: «Und ich mache alles mit<br />

Leidenschaft – alles.» Jazz und Politik.<br />

Er will es noch besser erklären, will die Verwandtschaft<br />

zwischen Jazzgroove und Politrhythmus<br />

demonstrieren und schaut sich im<br />

Café um. «Steht hier nirgends ein Klavier?»<br />

Alain Berset, Doktor der Wirtschaftswissenschaften,<br />

wurde 2003, gerade mal 31-jährig,<br />

jüngster Ständerat aller Zeiten, 2009 jüngster<br />

Ständeratspräsident. «Monsieur Parfait»,<br />

titelte mal eine Zeitung. Alles perfekt, «aber<br />

auch durchschnittlich», sagt Berset und meint<br />

das im besten Sinne: Als bald 40-Jähriger<br />

(Altersdurchschnitt der Schweizer), Vater<br />

dreier Kinder (Apolline 4, Achille, 6, Antoine,<br />

8) und Ehemann einer erwerbstätigen Frau<br />

(Muriel Zeender lehrt an der Uni Lausanne<br />

Literatur), kennt Berset die Sorgen und<br />

Freuden junger Familien. Es brauche im<br />

Bundesrat nicht nur verschiedene Meinungen<br />

und Erfahrungen, sagt er, sondern auch<br />

verschiedene Generationen. «Voilà, ich bin<br />

da, ich bin bereit, ich möchte gestalten und<br />

die Verantwortung übernehmen», fasst er<br />

seine Bundesratsabsicht zusammen. Und<br />

wenns nicht klappt? Wer Jazz spielt, kennt<br />

auch Blues-Akkorde. Berset lächelt, nimmt<br />

den letzten Schluck Kaffee. Man werde sehen.<br />

Die Büros der Bundesräte in Bern sind<br />

geräumig, ein Klavier würde also ganz<br />

bestimmt Platz finden. HWY<br />

Entweder – oder<br />

u Bier oder Wein? «Was für eine unmögliche<br />

Frage! Beides ... also gut: Bier.»<br />

u Berge oder Meer? «Berge»<br />

u Kino oder Theater? «Kino»<br />

u Bratwurst oder Cervelat? «Bratwurst. Und<br />

zwar St. Galler Bratwurst. Schliesslich bin<br />

ich Präsident der Vereinigung der AOC-IGP!»<br />

schweizer illustrierte<br />

29


Bundesratswahl<br />

Wenig Zeit zum<br />

Entspannen Marina<br />

Carobbio-Guscetti<br />

daheim in ihrem Haus<br />

in Lumino TI.<br />

STéPHANE ROSSINI, Wallis<br />

«Einige Kollegen sind<br />

darüber nicht glücklich»<br />

uEr sagt es selber. «Von den vier SP-<br />

Kandidaten bin ich derjenige mit den<br />

kleinsten Chancen. Doch es stört mich<br />

nicht, Aussenseiter zu sein.» Auch in der<br />

Romandie ist Stéphane Rossini, 48,<br />

Vizepräsident der SP Schweiz, politisch<br />

eher unbekannt. Anders in Bern, wo der<br />

Walliser seit 1999 im Nationalrat sitzt<br />

und sich dabei als Sozial- und Gesundheitspolitiker<br />

einen Namen machte.<br />

140 Vorstösse hat er schon eingereicht.<br />

Dabei gings beispielsweise um die Vergütung<br />

von Brillen, die Bekämpfung<br />

der Armut. Rossini politisiert im linken<br />

SP-Flügel, gilt als konsensfähiger, stiller<br />

Schaffer. An der Uni Lausanne hatte<br />

er als Sozialwissenschafter doktoriert,<br />

heute unterrichtet er ebendort an der<br />

Fachhochschule für Sozialarbeit.<br />

Er sei ein Bergler, sagt Rossini, lacht<br />

spitzbübisch. 35 Viertausender hat er<br />

schon bestiegen, «die im Wallis sowieso».<br />

Sein höchster Gipfel: ein 6400er in Peru.<br />

Ein Mann mit Drive, sportlich, immer<br />

braun gebrannt. Und dann die zweite<br />

grosse Leidenschaft – die Jagd. «Das hat<br />

bei uns Tradition, wie bei vielen Familien<br />

im Wallis, unabhängig von der Parteizugehörigkeit.»<br />

Auf der diesjährigen Hochjagd<br />

schoss er im Gebiet Grand Saint-Bernard<br />

zwei Gämsen, in Begleitung von Vater und<br />

Sohn. Er sei einer der wenigen Jäger in<br />

der SP, so Rossini. Für ihn hat der Wolf<br />

keinen Platz im Wallis. «Einige Parteikollegen<br />

sind über diese Meinung sicher<br />

nicht sehr glücklich.» Zu Hause ist Rossini<br />

in Haute-Nendaz ob Sion. Dort ist er in<br />

einfachen Verhältnissen aufgewachsen,<br />

dort lebt er – geschieden, zwei Kinder –<br />

heute mit seiner Lebenspartnerin. Seit<br />

seiner Kindheit spielt er in der örtlichen,<br />

SP-nahen Musikgesellschaft «Fanfare»<br />

Trompete – auch schon Ouvertüren von<br />

Opernkomponist Gioacchino Rossini. Die<br />

Deutschschweiz lernte er als Jugendlicher<br />

beim Landdienst in Herrliberg ZH und bei<br />

einem Migros-Job in Ebikon LU kennen.<br />

Und, was täte er als Bundesrat? «Ich<br />

würde mich für meine Vision einsetzen:<br />

eine Schweiz mit Grips und eine Schweiz,<br />

die solidarisch zusammenlebt.» TkU<br />

Entweder – oder<br />

u Cervelat oder Raclette? «Raclette!»<br />

u Bier oder Wein? «Fendant und Dôle»<br />

u Auto oder ÖV? «Wenn möglich ÖV»<br />

u FC Sion oder FC Lausanne? «FC Sion»<br />

u Berge oder Meer? «Berge. Ich gehe gern<br />

langlaufen und gleitschirmfliegen»<br />

u Kino oder Theater? «Kino»<br />

Marina Carobbio, Tessin<br />

«Ich bin kämpferisch und leidenscha ftlich»<br />

uSchnellen Schrittes kommt Marina<br />

Carobbio-Guscetti, 45, auf ihr Haus in<br />

Lumino TI zu. Töchterchen Laura, 8,<br />

wartet vor der Tür. «Entschuldige bitte<br />

die Verspätung, meine Liebe, das<br />

Schweizer Fernsehen war noch bei mir<br />

in der Praxis.» Mutter, Ärztin, Nationalrätin<br />

und jetzt auch Bundesrats-Kandidatin.<br />

Kein Wunder, ist Zeit bei Marina<br />

Carobbio derzeit ein knappes Gut. «Zu<br />

meinen Hobbys, Lesen und Wandern,<br />

komme ich derzeit wenig.» Obwohl<br />

Carobbio im Rennen um einen Bundesratssitz<br />

wenige Chancen eingeräumt<br />

werden, gibt sie sich kämpferisch: «Mit<br />

meiner beruflichen, persönlichen und<br />

politischen Erfahrung habe ich mir die<br />

Kompetenz für den Bundesrat erarbeitet.<br />

Und die wichtigen Hearings und<br />

Gespräche kommen ja erst noch.»<br />

Support erhält sie von SP-Nationalrätin<br />

Jacqueline Fehr: «Marina Carobbio<br />

ist eine Politikerin, die als Hausärztin<br />

weiss, welche Sorgen die Menschen<br />

haben. Mit ihr würden sich sehr viele<br />

Menschen im Bundesrat gut vertreten<br />

fühlen.»<br />

Seit zwölf Jahren wartet die italienische<br />

Schweiz auf eine Bundesratsvertretung.<br />

Dabei sei das Tessin wie ein Seismograf<br />

für die Schweiz. Probleme, etwa mit<br />

der Personenfreizügigkeit, würden im<br />

Grenzkanton früher registriert als<br />

anderswo, sagt Carobbio. Im Tessin ist<br />

die 45-Jährige bekannt für ihr soziales<br />

Engagement. Carobbio setzt sich für<br />

die medizinische Betreuung von Sans-<br />

Papiers ein und engagiert sich in verschiedenen<br />

NGOs. Kämpferisch und<br />

leidenschaftlich sei sie, sagt sie über<br />

sich, aber auch lösungsorientiert. Wofür<br />

würde sie sich im Bundesrat einsetzen?<br />

«Für mehr Solidarität, Integration von<br />

Minderheiten und soziale Kohäsion.»<br />

Das politische Interesse wurde Marina<br />

Carobbio quasi in die Wiege gelegt.<br />

Ihr Vater, der Sozialist Werner Carobbio,<br />

war 24 Jahre im Nationalrat. «Bei uns<br />

war Politik ein Dauerthema.» Sie selber<br />

war 16 Jahre lang im Tessiner Grossrat,<br />

seit 4 Jahren sitzt sie im Nationalrat. Ihr<br />

Pensum in der Gemeinschaftspraxis<br />

in Roveredo GR hat sie auf 30 Prozent<br />

reduziert. Ihre Kandidatur fürs höchste<br />

Amt besprach Carobbio zuerst mit<br />

der Familie. Ehemann Marco, SBB-<br />

Ingenieur, Sohn Matteo, 15, und Laura<br />

waren sich einig: «Mach es!» VEL<br />

Entweder – oder<br />

u Bier oder Wein? «Wein»<br />

u Risotto oder Pasta? «Risotto»<br />

u Auto oder ÖV? «Als Ärztin gehts teilweise<br />

nicht ohne Auto»<br />

u Kino oder Theater? «Theater. Dafür bleibt<br />

kaum Zeit. Aber Bern ist ja Theater genug»<br />

u Berge oder Meer? «Berge. Ich habe beim<br />

Wandern meinen Mann kennengelernt»<br />

Foto Philippe Dutoit<br />

Stolzer Walliser<br />

Stéphane Rossini<br />

auf dem Sittener<br />

Hausberg vor dem<br />

Château de Valère.<br />

30 schweizer illustrierte schweizer illustrierte 31


Bundesratswahl<br />

Pierre-Yves Maillard, Waadt<br />

«Beim Fussball lerne ich einzustecken»<br />

uDer Espresso tröpfelt dampfend<br />

aus der Kaffeemaschine des Elvetino-<br />

Wägeli. «Et voilà, ein guter Espresso<br />

im Zug, das ist wirklich eine grosse<br />

Errungenschaft!», sagt Pierre-Yves<br />

Maillard, 43. Dabei macht PYM, wie er<br />

seine Mails zu zeichnen pflegt, auch<br />

ohne Koffein schon einen hellwachen<br />

Eindruck. Der Waadtländer Gesundheits-<br />

und Fürsorgedirektor ist ein<br />

Schnelldenker, immer (angriffs)bereit,<br />

immer auf Sendung.<br />

Seine Kandidatur für den Bundesrat<br />

präsentierte Maillard erst, als die Machtverhältnisse<br />

im neuen Parlament klar<br />

waren: «Ich will nicht aus Prinzip in den<br />

Bundesrat. Nur, wenn ich etwas bewegen<br />

kann – und das scheint jetzt möglich.»<br />

Bereits von 1999 bis 2004 sass<br />

Maillard im Bundeshaus. Im Nationalrat<br />

war er, trotz seiner 31 Jahren, bald der<br />

Leader der SP-Romand-Fraktion. Sein<br />

erfolgreicher Kampf gegen die Strommarktliberalisierung<br />

trug ihm den Ruf<br />

eines Etatisten und Klassenkämpfers<br />

am linken SP-Flügel ein. «Heute sind<br />

die meisten Positionen, die ich damals<br />

vertrat, alltäglich. Wer käme heute noch<br />

auf die Idee, die SBB zu privatisieren?»<br />

Inzwischen zollen Maillard selbst Politiker<br />

aus dem rechten Lager viel Respekt.<br />

Yvan Perrin, Nationalrat und Präsident<br />

der Westschweizer SVP, sagt: «Pierre-<br />

Yves Maillard hat in den sieben Jahren<br />

in der Waadtländer Regierung hervorragende<br />

Arbeit geleistet.» Maillard hat<br />

keine Mühe, Komplimente von der SVP<br />

anzunehmen: «Wieso nicht? In der<br />

Schweiz ist man immer auf die anderen<br />

angewiesen, allein ist keine Partei stark<br />

genug.» PYM arbeitet lieber am politisch<br />

Praktischen als am Wünschbaren. Das<br />

lerne man in der Exekutive, sagt er.<br />

Er unterstützt Ideen, die auch im<br />

bürgerlichen Lager gefallen dürften: Er<br />

ist für die Volkswahl des Bundesrates,<br />

würde die Armee zugunsten einer<br />

Polizeiaufstockung in den Kantonen<br />

PYM Pierre-Yves Maillard im Zug auf<br />

dem Weg von Lausanne nach Liestal.<br />

abspecken, und er ist kein Euro-Turbo.<br />

Wenn er nicht gewählt würde, sei<br />

er nicht lange unglücklich, sagt Maillard.<br />

Schliesslich haben er und seine<br />

Frau Enrica zu Hause in Renens VD<br />

ein Mädchen und einen Buben im Alter<br />

von zweieinhalb und viereinhalb Jahren.<br />

«Ich schaufle jeden Tag ein bis zwei<br />

Stunden frei, um mit ihnen zusammen<br />

zu sein. Und wenn ich meine Kinder<br />

zu lange nicht sehen kann, werde<br />

ich kribbelig.» Als Bundesrat<br />

müsste Maillard auch auf sein einziges<br />

Hobby, den Fussball, verzichten. Jeden<br />

Freitagabend spielt er bei den Senioren<br />

des FC Porsel. Position: Natürlich<br />

im Sturm. «Dort lernt man einzustecken.»<br />

Und lächelnd fügt er an:<br />

«Aber auch aus zuteilen, wenn es<br />

denn sein muss.» VEL<br />

Entweder – oder<br />

u Bier oder Wein? «Wein»<br />

u Auto oder ÖV? «ÖV, wenn immer möglich.<br />

In der Praxis ists oft das Auto»<br />

u Berge oder Meer? «Je nach Jahreszeit»<br />

u Cervelat oder Bratwurst? «Bratwurst»<br />

u Kino oder Theater? «Kino, theoretisch.<br />

Ich gehe kaum noch»

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