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KulturSchulen - Kultur + Bildung Hessen

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Hessisches Kultusministerium<br />

Amt für Lehrerbildung<br />

<strong><strong>Kultur</strong>Schulen</strong><br />

Qualifizierungsmaßnahme zum fächerverbindenden Unterrichten<br />

Reader zum Thema „Feuer und Eis“


Inhaltsverzeichnis<br />

Texte<br />

Die Straßenbeleuchtung 3<br />

Elementare Gewalten 7<br />

Feuer und Gericht 7<br />

Naturwissenschaften in der schönen Literatur 8<br />

You’re as cold as ice 12<br />

Fräulein Smillas Gespür für Schnee 13<br />

Fahrenheit 451 15<br />

Der Feuerreiter 16<br />

Die gar traurige Geschichte 17<br />

Die Füße im Feuer 19<br />

Fire 21<br />

This wheel‘s on fire 21<br />

Versuche<br />

Heiße Beutel! Hot Spots! 23<br />

Wir machen Feuer ... 24<br />

Steinzeitliches Feuermachen ... 25<br />

Eine Kerze ohne Docht? 26<br />

... und eines Bleistiftspitzers!? 27<br />

Stoffe, die sich selbst anzünden 28<br />

Feuer aus dem Handgelenk 29<br />

Feuer und Rauch aus der Hand 30<br />

Magic Candles 31<br />

Fein verteilt brennt‘s schneller! 32<br />

Hyperfrost 33<br />

Warum kühlt ein Eiswürfel? 34<br />

Bildmaterial<br />

[Feuerlöscher] 2<br />

[eisiges Wohnzimmer] 6<br />

[Feuer im Wald] 11<br />

[Schlittschuhe auf dem Eis] 12<br />

[Eiskristall 1] 13<br />

[Eiskristall 3] 14<br />

[Eiskristall 2] 14<br />

Bücherverbrennung 15<br />

Adolf Menzel, Das Eisenwalzwerk 37<br />

Caspar David Friedrich, Das Eismeer 38<br />

Ludwig Kirchner, Davos im Schnee 39<br />

[brennender Wald] 39<br />

Claude Monet, Die Elster 40<br />

William Turner, Brennendes Parlament 41<br />

[Polarmeer] 42<br />

Musik<br />

Eiskalt 22<br />

Quellen<br />

Belegstellennachweise 39<br />

[Feuerlöscher]<br />

Seite --


Texte<br />

Die Straßenbeleuchtung<br />

Am besten stand unserem Städtchen die Zeit<br />

der Abenddämmerung. Die Zeit also, wenn die<br />

Schaufenster aller Läden und Geschäfte beleuchtet<br />

wurden, in den Wohnungen die Rollos<br />

heruntergezogen wurden, die Menschen in den<br />

Ladengeschäften durch die Aussicht auf einen<br />

freien Abend sowie den erquickenden Nachtschlaf<br />

irgendwie verschönt wurden. Obwohl<br />

Verkäufer und Verkäuferinnen unvermindert weiterarbeiteten,<br />

konnte man sehen, daß sich ihre<br />

Blicke zu den Uhren stahlen, daß sie die Zifferblätter<br />

anlächelten, die ihnen sagten, es dauere<br />

nicht mehr lange bis zum Arbeitsende. Nur noch<br />

ein kleines Weilchen, und sie würden mit Hakenstangen<br />

die schweren Rolläden herunterziehen,<br />

mit den Absätzen am Boden festhalten und mit<br />

den Knien andrücken, damit das Verschließen<br />

leichterfiel. Und verkündete dann die Kirchturmuhr<br />

aus dem dunkelnden Herbstabend den<br />

Arbeitsschluß, strömten die Menschen heraus,<br />

und die Dämmerung machte sie noch schöner.<br />

Ich liebte unser Städtchen besonders, wenn die<br />

Gaslaternen angezündet wurden, denn ich ging<br />

gern mit Herrn Rambousek durch die Gassen, er<br />

streckte an jedem Kandelaber lässig den zusammensteckbaren<br />

Bambusstab in die Höhe, machte<br />

eine eigenartige Bewegung und ging weiter, der<br />

Gasbrenner zögerte zuerst, doch dann begann<br />

er zu brennen, als hätte man ihm gut zugeredet,<br />

zunächst gab er gelbgrünes Licht, bald immer<br />

helleres, aber da näherte sich Herr Rambousek<br />

schon der nächsten Laterne, es war wie ein Spaziergang<br />

durch die hereinbrechende Nacht, bei<br />

dem es hinter ihm hell und vor ihm dunkel war.<br />

Bevor unser Laternenanzünder seinen Rundgang<br />

durchs Städtchen antrat, machte er einen Rundgang<br />

um die Pestsäule und zündete auf den vier<br />

Ständern jeweils vier höhere Gaslaternen an,<br />

der kleine stille Mann verlängerte hier die Reichweite,<br />

indem er mit beiden Armen die Bambusstange<br />

hielt und sich reckte, als würde er mit<br />

einem Obstpflücker Früchte von den höchsten<br />

Ästen holen. Zufrieden trippelte er sodann in die<br />

zunehmende Dunkelheit hinein. Ich folgte ihm,<br />

Herr Rambousek wiederholte immer das gleiche,<br />

trotzdem konnte ich mich nicht daran sattsehen,<br />

wie er den Abend erleuchtete, für mich war es<br />

jedesmal, als sähe ich es zum erstenmal.<br />

An den Wintermorgen erwarteten mich im<br />

Klassenzimmer stets sechs brennende Gaslampen,<br />

ich war zu dieser Jahreszeit immer als<br />

erster in der Schule, setzte mich unter eine der<br />

Doppellampen, in deren Licht alles grünliche<br />

Schatten warf, lauschend saß ich da, denn die<br />

Gaslampen zischelten, als würde Luft aus den<br />

gelockerten Ventilen eines Fahrradschlauchs<br />

entweichen. Diesen angenehmen Ton erzeugten<br />

die Gaszünglein unter den Glühstrümpfen, und<br />

ich wünschte mir nichts sehnlicher, als zu Hause<br />

auch solche redenden Lampen zu haben, um in<br />

der Brauerei gleichfalls nur einfach so dasitzen<br />

zu können, horchend, die Hände hinhaltend und<br />

über das Licht mit dem blaugrünen Stich staunend,<br />

das dem Mondlicht glich, jenem Licht des<br />

Vollmonds, von dem ich oftmals aus dem Bett<br />

gelockt wurde, dem ich Hände und Füße hinhielt,<br />

ich spürte dann, daß es Eigengewicht hatte, als<br />

riesele Mehl daraus oder Sternenstaub. Im Zimmer<br />

war in solchen Augenblicken alles wie aus<br />

Traum, ich ging auf Zehenspitzen, weil Mondnächte<br />

Angst weckten. Saß ich in der Schule<br />

unter den Gaslampen und kamen die Klassenkameraden,<br />

beobachtete ich sie genau, wollte<br />

wissen, ob sie bemerkten, welche Schönheit hier<br />

kostenlos zu haben war, doch keiner beachtete<br />

das Gaslicht, die Kameraden stritten und balgten,<br />

sie tauschten Semmeln gegen Briefmarken,<br />

auch dann noch, wenn der Klassenlehrer schon<br />

eingetreten war, aber sogar dieser lobte die<br />

Gaslampen mit keinem Wort, er vernahm nicht,<br />

daß die Flämmchen unter den Glühstrümpfen<br />

zischelten wie die Flammenzungen des Heiligen<br />

Geistes. Schob ich dann bei Unterrichtsbeginn<br />

die Beine unter die Bank, war es, als schiebe<br />

ich sie in kalten Hauch. Mein abendliches Laternenanzünden<br />

mit Herrn Rambousek fand nach<br />

einem umgeschriebenen Plan statt, wir gingen<br />

vom Marktplatz in die Elisenstraße, in die Reitergasse,<br />

in die Große und Kleine Wallstraße,<br />

immer im Gewohnten, trotzdem immer Neuen,<br />

ich schlenderte gern über den Kirchplatz und<br />

durch die Kozina, am hübschesten aber waren<br />

die Laternen der Kleinen Wallstraße, sie standen<br />

zwischen Bäumen und Sträuchern, leuchteten<br />

darüber hinweg und spiegelten sich in der Elbe,<br />

dafür freilich hatte mein Herr Rambousek kein<br />

Auge, ihm fehlte es an Zeit, er strebte weiter und<br />

weiter, unablässig seine Bambusstange hebend,<br />

Seite --


Texte<br />

Seite -ihn<br />

ergötzten die Laternen nicht mehr, er marschierte<br />

nur und marschierte, während ich hinter<br />

ihm jene Einzelheiten auflas, die beim Laternenanzünden<br />

für mich abfielen. Denn wurde so eine<br />

Gaslaterne mit dem Haken aufgeweckt, fand ich,<br />

daß sie zuerst schnarrte wie eine alte Uhr, dann<br />

sich räusperte und hustete und sich die Augen<br />

rieb, wie ich es jeden Morgen beim Aufstehen<br />

tat, weil mich das Licht noch störte. Manche<br />

Laternen schnarrten nicht gleich los, sie gaben<br />

zuallererst einen scharfen Zischton von sich, wie<br />

beim Schnitzelbraten das Fett, wenn Wasser in<br />

die Pfanne gerät. Schließlich aber rafften sie sich<br />

doch auf, es war, als verleihe eine der anderen<br />

Kraft, denn Herr Rambousek war unerbittlich,<br />

mochte eine nicht mehr brennen, gleich holte<br />

er die nächste Leiter, an jedem zehnten Kandelaber<br />

war eine mit Kette und Schloß befestigt,<br />

und er stieg hinauf und reparierte die Laterne im<br />

Finstern, wie der blinde Uhrmacher Hanug es<br />

bei seiner astronomischen Uhr im Alten Prager<br />

Rathaus gemacht hatte, schnell brachte unser<br />

Laternenanzünder einer Unwilligen wieder das<br />

Leuchten bei, er zwang jede, so zu brennen wie<br />

die anderen. Bog Herr Rambousek in eine andere<br />

Gasse ein, drehte ich mich gern noch einmal<br />

um und schaute zurück auf die Lichterreihe, jede<br />

Laterne trug einen feinen durchsichtigen Lichtrock,<br />

der den Durchblick zur nächsten erlaubte,<br />

es entstand ein Lichtgeflecht, das mich an die<br />

verwobenen Äste der Kirschbäume im Brauereigarten<br />

erinnerte. Wo eine Gasse abzweigte,<br />

in eine andere überging, dort ging auch die<br />

Lichterreihe in eine andere über, die Ecklaterne<br />

leuchtete in zwei Gassen hinein, so daß auch<br />

die Lichterreihe um die Ecke zu biegen schien.<br />

Abendliche Fußgänger schritten aus einem Lichtkegel<br />

in den anderen, wurden von der blaugrünen<br />

Dusche besprüht, doch keinem fiel ein, die<br />

Hand auszustrecken, wie man es an Regentagen<br />

tut, bevor man das Haus verläßt, keiner wunderte<br />

sich über das Licht der Gaslaternen, und keiner<br />

dachte daran, Herrn Rambousek zu begleiten.<br />

Diese Gleichgültigkeit der Leute war für mich<br />

das Verwunderlichste am Erhellen der Abende.<br />

Manchmal allerdings führten mein Schatten und<br />

der Schatten von Herrn Rambousek sowie die<br />

Schatten der Fußgänger im Gaslicht ein Theater<br />

auf, das mir unheimlich war. Verließ ich das Licht<br />

einer Laterne, legte sie meinen Schatten vor<br />

mich hin, er wuchs und wuchs, bis ich in den<br />

Kreis der nächsten Laterne trat, die meinen<br />

Schatten dann hinter mich legte, wo er sich<br />

immer mehr verkürzte, je näher ich ihr kam,<br />

bis ich zu meinem Entsetzen auf dem eigenen<br />

Schatten stand, auf mir selber. Im Weitergehen<br />

vergrößerte sich mein Schatten wieder und<br />

wuchs so lange, bis er unterm Lichtrock der<br />

nächsten Laterne verschwand. Manchmal war<br />

ich völlig verwirrt, Schatten vor mir, Schatten<br />

hinter mir, Schatten weg, ich stolperte, fiel hin,<br />

weil ich zurückgeblickt hatte, doch das passierte<br />

nur mir, nie den anderen, die in der gaserleuchteten<br />

Gasse auf meinen Schatten hätten treten<br />

können, hätten treten müssen, die jedoch nicht<br />

darauf achteten, wo das eine Geheimnis begann<br />

und das andere endete, zwei unterschiedliche<br />

Geheimnisse, welche der Laternenanzünder Herr<br />

Rambousek lässig und kostenlos im Städtchen<br />

verteilte. Aus der Ferne gesehen, leuchteten die<br />

Gaslaternen in der Spannweite ausgebreiteter<br />

gelber Flügel, mit einem gewissen Sicherheitsabstand,<br />

ähnlich den Tauben, die nachts auf<br />

dem Brauereidach so weit voneinander entfernt<br />

schliefen, daß sie, wenn sie sich im Schlaf strecken<br />

wollten oder wegen eines bösen Traums<br />

mit den Flügeln schlugen, ihre Nachbarn nicht<br />

weckten. Regnete es bei Dunkelheit und konnte<br />

keiner erkennen, wie stark es regnete, brauchte<br />

nur Herr Rambousek seines Amtes zu walten,<br />

und jedermann sah sofort, nämlich im Licht der<br />

Laternen, wie dicht der Regen fiel. Manchmal<br />

kam einem der Regen im Schein der Laternen<br />

heftiger vor, als er war, zumal wenn es stark<br />

regnete, weil dann die vier Fensterchen, die ihr<br />

Licht nach allen Himmelsrichtungen aussandten,<br />

von den Tropfen gestrichelt waren und ein Flimmern<br />

wie bei alten Filmen entstand. Wurde es im<br />

Spätherbst kalt, fiel der Allerseelen-Regen oder<br />

nasser Schnee, dampften die brennenden Gaslaternen,<br />

als rauchten sie. Das Kopfsteinpflaster<br />

war dann wie mit Butter bestrichen, die Schatten<br />

wurden fast unsichtbar, man konnte meinen, daß<br />

sich die Gassen und Gäßchen in Tropfsteinhöhlen<br />

oder Kalksteingrotten verwandelt hätten. Auf<br />

dem Marktplatz und in der Hauptstraße traten die<br />

zahlreichen Fußgänger den kalten Glanz bald ab,<br />

die höheren Katzenköpfe in den fast menschenleeren<br />

Gassen aber, wo die Pfützen stehenblieben,<br />

schimmerten weiter, sie schimmerten wie


Texte<br />

die kahlen Schädel frommer Greise, wenn sie in<br />

der Kirche niederknieten, damit der Herr Dechant<br />

ihnen die Hostie auf die Zunge legte. Herr Rambousek<br />

trug bei schlechtem Wetter eine Melone<br />

und einen Gummimantel, der im Regen glänzte,<br />

von Zeit zu Zeit beugte sich Herr Rambousek vor<br />

und kippte das Wasser aus der aufgebogenen<br />

Hutkrempe, es glitzerte im Schein der Gaslaternen<br />

wie Quecksilber. Starker Wind konnte den<br />

Laternen nichts anhaben, er pfiff an ihnen vorbei,<br />

in ruckartiges Wanken gerieten sie lediglich bei<br />

Sturm. Schüttete es, trübte sich das Laternenlicht<br />

durch die Wasserwellchen, die an den kleinen<br />

Fenstern herabrannen, und die Menschen eilten<br />

mit eingezogenen Köpfen nach Hause oder<br />

in die Gasthäuser. Ich allein schritt erhobenen<br />

Hauptes hinter Herrn Rambousek her, als wäre<br />

ich selbst eine Gaslaterne. Ich folgte ihm und<br />

freute mich darauf, daß er sich vorbeugen und<br />

daß das Quecksilber aus seinem Kopf auf den<br />

Boden schwappen würde. An einem solchen<br />

Regenabend bat ich unseren Laternenanzünder,<br />

mich eine der Gaslaternen anzünden zu lassen.<br />

Er reichte mir die Bambusstange, ich blickte in<br />

den Regen, das winzige Lichtlein auf dem Grund<br />

des Brenners war zu sehen, doch meine Hände<br />

zitterten, und ich brachte den Haken am Bambusstab<br />

nicht in den Haken an der Laterne. Todunglücklich<br />

gab ich Herrn Rambousek die Stange<br />

zurück, er streckte sich, ruck, zuck, und schon<br />

konnte er weitergehen, Regen und Tränen liefen<br />

mir die Wangen herab, ich wurde an diesem<br />

Abend meines jungen Lebens nicht mehr froh.<br />

Trotzdem gewann ich die Gaslaternen immer<br />

lieber. Im Bett kam mir einmal der Gedanke, daß<br />

es für mich bestimmt nicht weniger schön wäre,<br />

mit Herrn Rambousek am frühen Morgen durchs<br />

Städtchen zu gehen, wenn er die Gaslaternen<br />

wieder auslöschte. Doch ich wachte immer erst<br />

auf, wenn es bereits hell war. Endlich gelang es<br />

mir einmal, vor Tagesanbruch aufzustehen. Ich<br />

zog mich leise an und trat in die Nacht hinaus.<br />

Auf der Brücke leuchteten die Gaslaternen zum<br />

Himmel auf, an dem noch die Sterne flimmerten.<br />

Hier und dort kam jemand von der Nachtschicht,<br />

manche gingen bereits zur Arbeit, einige Fischer<br />

stiegen mit Angelruten die Treppe zum Fluß hinunter.<br />

Ich begab mich auf die Brücke. Es begann<br />

zu tagen. Ein gutes Gefühl erfüllte mich, als ich<br />

endlich sah, wie der Nachthimmel allmählich<br />

heller und silbriger wurde. Ich ging weiter. Es<br />

wurde schneller hell. Ein Stück jenseits der<br />

Brücke drehte ich mich um, gewahrte ein neues<br />

schönes Bild, die Gaslaternen wuchsen aus den<br />

Brückenpfeilern, und die Lichterkette lief weiter in<br />

die Brückengasse. Als ich den Kirchplatz erreichte,<br />

war der Himmel hell und klar. Er schickte<br />

aus dem Osten einen rosigen Schein, der die<br />

Klinkerkirche des heiligen Agidius einhüllte. Die<br />

Gaslaternen hier und auf dem Marktplatz brannten<br />

nur noch für sich selbst. Von der Fortna<br />

her kam Herr Rambousek, der im Gehen seine<br />

Bambusstange zusammensteckte. Und wieder<br />

strebte er, klein trotz Melone, von Laterne zu<br />

Laterne, steckte den Stangenhaken in den Lampenhaken<br />

und machte das Licht aus, leicht und<br />

lässig, als drehte er den Docht einer Petroleumlampe<br />

zurück. Erst jetzt bemerkte ich, daß in den<br />

Gasbrennern ein winziges Flämmchen verblieb.<br />

Es würde den ganzen Tag über weiterbrennen.<br />

Trotzdem konnten die Gaslaternen sich jetzt<br />

ausruhen, sie gingen schlafen wie der Mensch.<br />

Während wir durch die Gassen und über die<br />

Wälle schritten, fuhren die Milchwagen los, die<br />

Bäcker begannen in Körben die Semmeln auszutragen,<br />

in den Fenstern erschienen die Frühaufsteher.<br />

Das Städtchen erwachte, stand auf<br />

Herr Rambousek hatte den Rest der Nacht fast<br />

ausgelöscht. Sämtliche Laternen schliefen steif<br />

und starr, und wer es nicht wußte, konnte nicht<br />

sehen, daß sie in ihren verglasten Bäuchen das<br />

ungeborene Licht des nächsten Abends bargen.<br />

Nur eine Laterne brannte noch, sie wartete<br />

auf die Tagesruhe, den Tagesschlaf. An dieser<br />

letzten Laterne drehte sich Herr Rambousek um,<br />

ich blieb sofort stehen, um die kurze, aber respektvolle<br />

Entfernung einzuhalten, er streckte die<br />

Hand mit der Bambusstange mir entgegen, ich<br />

trat feierlich vor, trat wie zum Altar vor und ergriff<br />

die Stange, empfing sie. Mein Blick richtete sich<br />

empor. Gegen den inzwischen blaßblauen Himmel<br />

war das gelbglühende Strümpfchen in der<br />

Gaslaterne nicht größer und heller als die Flügel<br />

eines Zitronenfalters. Und ich sah den Haken<br />

am Stangenende, sah den Haken unterhalb des<br />

Brenners, es gelang mir, die beiden zu vereinen,<br />

selbst Herr Rambousek war beeindruckt, eine<br />

ruckartige Bewegung mit der Bambusstange<br />

– und ich hatte das Gefühl, den ganzen Himmel<br />

ausgelöscht zu haben. Herrn Rambouseks Ge-<br />

Seite --


Texte<br />

Seite -sicht<br />

war sehr runzelig, es war gezeichnet von<br />

Falten und Furchen, die sich von der Nase aus<br />

wellenförmig verbreiteten, einige gar führten bis<br />

hinter die Ohren. Dieses Gesicht lächelte mich<br />

jetzt an. Ich küßte die Bambusstange und gab sie<br />

Herrn Rambousek zurück. Im selben Augenblick<br />

kam mir der Gedanke, daß Herr Rambousek,<br />

wenn er abends die Laternen anzündete und sie<br />

morgens löschte, die Arbeit des Abendsterns und<br />

des Morgensterns verrichtete. Und daß er darum<br />

nie krank werden dürfe. Würde eines Morgens,<br />

wenn ich in die Schule ging, und dann zur Mittagszeit,<br />

wenn ich aus der Schule kam, die Straßenbeleuchtung<br />

brennen, ja, dann würde dies<br />

einzig und allein bedeuten, daß Her Rambousek<br />

nachts plötzlich gestorben war.<br />

[Aus: Bohumil Hrabal. Schöntrauer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1984]<br />

Hinweis:<br />

Der Text ist in der alten deutschen Rechtschreibung verfasst<br />

Der tschechische Schriftsteller Bohumil Hrabal<br />

wurde am 28. März 1914 in Brünn (Brno) geboren<br />

und starb am 3. Februar 1997 in Prag. Bekannt<br />

ist sein Roman „Ich habe den englischen<br />

König bedient“. Die Straßenbeleuchtung ist<br />

ein Kapitel aus dem Roman „Schöntrauer“, der<br />

wiederum aus der Trilogie Das Städtchen am<br />

Wasser stammt, in der er Erlebnisse aus seiner<br />

Kindheit und Jugend verarbeitet.<br />

Weitere Hinweise zu Bohumil Hrabal:<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Bohumil_Hrabal<br />

[eisiges Wohnzimmer]


Texte<br />

Elementare Gewalten<br />

„Denn die Elemente hassen<br />

das Gebild von Menschenhand.“<br />

In diesen Zeilen aus Schillers Glocke kommt ein<br />

Verständnis der Elemente zum Ausdruck, das<br />

ganz im Gegensatz zu stehen scheint zur großen<br />

Lehre von der kosmischen Viererordnung, von<br />

den Elementen als den Lebensmedien und Reichen<br />

des Lebens, wie wir es bei Paracesus fanden<br />

und wie sie sich in der Ikonologie bis hin zur<br />

Ordnung der bürgerlichen Gewerke äußert. Auch<br />

bei Goethe in seiner Schrift zur Witterungslehre<br />

finden wir dieses Verständnis der Elemente: „Es<br />

ist offenbar, daß das, was wir Elemente nennen,<br />

seinen eigenen wilden wüsten Gang zu nehmen<br />

immerhin den Trieb hat. Insofern sich nun der<br />

Mensch den Besitz der Erde ergriffen und ihn<br />

zu erhalten Pflicht hat, muß er sich zum Widerstand<br />

bereiten und wachsam erhalten“ (Goethe<br />

1825/1978, 309).<br />

Die Elemente als feindliche Gewalten, als das<br />

Übermächtige der Natur, demgegenüber der<br />

Mensch klein und ohnmächtig ist und sich allenfalls<br />

durch Wachsamkeit und technische<br />

Maßnahmen schützen kann und im übrigen auf<br />

Beschwörung und Gebet angewiesen bleibt.<br />

Insofern aber der Mensch den Elementen als<br />

dem unendlich Größeren entgegentritt und ihrer<br />

Übermacht standhält, vermag er diese Macht als<br />

Erhabenheit zu erfahren und wird selbst an ihnen<br />

in der Regel zum tragischen, gelegentlich aber<br />

auch zum dämonischen oder komischen - Heros.<br />

So entsprechen in Mythos, Epos und Dichtung<br />

den Elementen heroische Gestalten, die ihnen zu<br />

trotzen wagten und schließlich doch ihnen erliegen<br />

mußten.<br />

Der Gewaltcharakter haftet den Elementen schon<br />

aus ihrer kosmogonischen Vorgeschichte an. Sie<br />

ist aber auch bei Empedokles in die Vier-Elementenlehre<br />

als Lehre kosmischer Ordnung aufgenommen<br />

worden. So hieß es schon in Empedokles‘<br />

Fragment B 26, daß die Elemente in ständigem<br />

Widerstreit liegen und nur im Ausgleich, bei<br />

ihm Liebe genannt, Ordnung bewirken. Der Haß<br />

der Elemente aber kann Überhand nehmen, einzelne<br />

können aus der schönen Ordnung ausbrechen<br />

und verheerende Zerstörungen anrichten,<br />

bis hin zur Zertrümmerung der Ordnung des<br />

des Kosmos im ganzen. Dieses Verständnis der<br />

Elemente kommt deshalb unter allen kulturellen<br />

Verarbeitungsdispositiven, mit denen die Menschen<br />

immer wieder Naturkatastrophen zu begegnen<br />

wußten, am deutlichsten in den großen<br />

Weltuntergangsmythen zum Ausdruck. Bis weit in<br />

die Neuzeit hinein wurden solche Naturkatastrophen<br />

in der Regel nach dem Schema von Schuld<br />

und Strafe verstanden, als Akte einer richtenden<br />

und gelegentlich auch einer neidischen göttlichen<br />

Macht.<br />

[Gernot Böhme/ Hartmut Böhme. „Feuer,Wasser, Erde, Luft- eine <strong>Kultur</strong>geschichte<br />

der Elemente“. C.H. Beck 2004, S.269-274]<br />

Feuer und Gericht<br />

Das Feuer wurde von Prometheus den Göttern<br />

geraubt und war als Gabe an den Menschen<br />

zugleich die Basis von Technik und Zivilisation.<br />

Aus der Mythologie und Symbolgeschichte trat<br />

es uns als das Feuer des Hephaistos entgegen,<br />

das Schmiedefeuer und das Herdfeuer. Das<br />

Herdfeuer muß zwar immer „gehütet“ werden,<br />

insofern war auch immer ein Bewußtsein seiner<br />

Gefährlichkeit präsent. Aber als Herdfeuer, als<br />

Schmiedefeuer, als Flamme der Kerze und der<br />

Fackel ist es doch immer gebändigt und nicht die<br />

überwältigende elementare Natur. Als solche wird<br />

sie erfahren im Vulkanismus. Auch diesem gab<br />

Hephaistos, Vulkanus, seinen Namen. Als Feuer<br />

der Vulkane ist das Feuer plötzlich überwältigend<br />

und vor allem: es kommt von oben. Als solches<br />

wurde es mehr noch als alle anderen Naturkatastrophen<br />

als Strafe Gottes erfahren. Aus der griechisch-römischen<br />

Mythologie erwähnten wir den<br />

Phaeton-Mythos, in dem „menschliche“ Hybris<br />

den Weltenbrand zur Folge hat. In der Bibel ist<br />

Feuer mehrfach die Erscheinungsweise Gottes,<br />

aber insbesondere schickt Gott Feuer, um zu<br />

strafen. Am berühmtesten ist die Geschichte von<br />

den lasterhaften Städten Sodom und Go-morrha.<br />

Sie ist sichtlich eine als göttliches Gericht interpretierte<br />

‚Erfahrung eines Vulkanausbruchs. „Da<br />

ließ der Herr Schwefel und Feuer regnen von<br />

dem Herrn vom Himmel herab auf Sodom und<br />

Gomorrha und kehrte die Städte um und die ganze<br />

Gegend und alle Einwohner, und was auf dem<br />

Seite --


Texte<br />

Lande gewachsen war“ (i. Mose, 19,24 f). Das<br />

Weltgericht wird in der Apokalypse des Johannes<br />

schon durch den ersten Engel mit Feuer, das von<br />

oben kommt, angekündigt: „Und der erste Engel<br />

posaunete: Und es ward ein Hagel und Feuer,<br />

mit Blut gemenget, und fiel auf die Erde; und das<br />

dritte Teil der Bäume verbrannte, und alles grüne<br />

Gras verbrannte“ (Apok. 8,7).<br />

Die Erfahrung vulkanischer Gewalt ist aus der<br />

Naturerfahrung nicht wegzudenken. Bei etwa 900<br />

tätigen Vulkanen auf der Erde gibt es in jedem<br />

Jahr Ausbrüche zu verzeichnen. Diese fordern<br />

auch nicht selten Menschenleben und haben zerstörerische<br />

Wirkung auf menschliche Siedlungen,<br />

weil die unmittelbare Nähe von Vulkanen durch<br />

die Vulkanasche sehr häufig besonders fruchtbar<br />

ist.<br />

[Gernot Böhme/ Hartmut Böhme. „Feuer,Wasser, Erde, Luft- eine <strong>Kultur</strong>geschichte<br />

der Elemente“. C.H. Beck 2004, S.287]<br />

Naturwissenschaften in der schönen Literatur<br />

Anregungen für eine erzählende Chemie<br />

Wer nichts als Chemie versteht<br />

versteht auch die nicht recht.<br />

georg christoph lichtenberg • Sudelbücher I/Heft J 860<br />

Kann man den Rauch einer Zigarette wiegen? <br />

In der Brooklyn Cigar Company findet eine lebhafte Diskussion zwischen den Herren Paul, Auggie, Tommy<br />

und Dennis statt.<br />

AUGGIE (greift nach Zigarillos und Feuerzeug): „Wir hatten gerade ein philosophisches Gespräch über<br />

Frauen und Zigaretten. Da gibt’s ein paar interessante Parallelen.“<br />

PAUL (lacht): „Allerdings (Pause) Dürfte auf Queen Elizabeth zurückgehen.“<br />

AUGGIE: „Die englische Königin?“<br />

PAUL: „Nicht Elizabeth die Zweite. Elizabeth die Erste. (Pause). Schon mal was von Sir Walter Raleigh<br />

gehört?“<br />

TOMMY: „Sicher. Das war doch der, der seinen Mantel in die Pfütze geworfen hat.“<br />

JERRY: „Ich habe früher mal Raleigh-Zigaretten geraucht. Die hatten immer so Geschenkcoupons in der<br />

Packung.“<br />

PAUL: „Genau den meine ich. Also, dieser Raleigh hat den Tabak nach England gebracht. Und da er ein<br />

Liebling der Königin war – er nannte sie Queen Bess –, ist das Rauchen bei Hof Mode geworden. Die<br />

alte Bess hat bestimmt so manchen Glimmstengel mit Sir Walter gepafft. Einmal hat er mit ihr gewettet,<br />

daß er das Gewicht von Rauch bestimmen könne.“<br />

DENNIS: „Wie, er wollte den Rauch wiegen?“<br />

PAUL: „Genau. Rauch wiegen.“<br />

TOMMY: „Das geht doch nicht. Luft kann man ja auch nicht wiegen.“<br />

PAUL: „Ich gebe zu, es ist ein bißchen seltsam. Fast, als ob man eine Seele wiegen wollte. Aber Sir Walter<br />

war ein schlauer Bursche. Erst nahm er eine ungerauchte Zigarre und legte sie auf die Waage. Dann<br />

steckte er sie an und rauchte sie, wobei er sorgfältig die Asche auf die Waage stippte. Als er fertig war,<br />

legte er den Stummel zu der Asche auf die Waage und las das Gewicht ab. Dann subtrahierte er diese<br />

Zahl vom Gewicht der ungerauchten Zigarre. Die Differenz war das Gewicht des Rauchs.“<br />

TOMMY: „Nicht übel. So einen könnten wir als Manager für die Mets gebrauchen.“<br />

PAUL: „Ja, er war klug, aber nicht so klug, daß er 20 Jahre später hätte verhindern können, geköpft zu<br />

werden. (Pause.) Aber das ist eine andere Geschichte.“ [1]<br />

<br />

Ich habe mich für diesen Einstieg entschieden, obwohl es vielleicht nicht „politisch korrekt“ ist, ausgerechnet mit dem Thema Rauchen zu beginnen.<br />

Seite --


Texte<br />

Die Cineasten unter Ihnen wissen bestimmt<br />

sofort, dass diese Szene aus dem auch für<br />

Nichtraucher liebenswerten Film Smoke von paul<br />

auster stammt, zu dem auch ein begleitendes<br />

Buch existiert [1], das neben den Orts- und Situationsbeschreibungen<br />

sämtliche Dialoge wortwörtlich<br />

wiedergibt.<br />

Wie können Sie diese kleine Episode sinnvoll<br />

für Ihren Unterricht aufgreifen? Es bietet sich<br />

an, das geschilderte Experiment – indirektes<br />

Wiegen bzw. indirekte Bestimmung der Masse<br />

des Rauchs – mit einer Analysenwaage nachzuvollziehen.<br />

Dabei dürfen einige kritische Fragen<br />

nicht zu kurz kommen:<br />

1. Was ist Rauch überhaupt?<br />

An dieser Stelle ist es sinnvoll, den Begriff Rauch<br />

zu definieren, nämlich als ein Stoffgemisch<br />

aus einer festen und einer gasförmigen Phase.<br />

Außerdem sollten Sie eine Abgrenzung zu den<br />

oft unzulässig gleichgesetzten Termini Dampf<br />

(gasförmiger Aggregatzustand), Nebel (Aerosol:<br />

Gemisch aus einer kolloidal flüssigen und aus<br />

einer gasförmigen Phase) und Qualm (kein fachwissenschaftlicher<br />

Begriff) vornehmen.<br />

2. Stimmt die Gleichung mTabakrauch = mfrische<br />

Zigarette - mZigarettenrest?<br />

Dem ist allenfalls näherungsweise zuzustimmen,<br />

denn die verdampften, flüssigen Bestandteile<br />

(Wasser, Teer usw.) gehören ja per definitionem<br />

nicht zum Rauch.<br />

Bei großzügiger Betrachtungswiese können wir<br />

uns aber darauf einigen, dass im allgemeinen<br />

Sprachgebrauch „Tabakrauch“ all diejenigen<br />

Bestandteile umfasst, die in die Atmosphäre bzw.<br />

in die Lungen der aktiven und passiven Raucher<br />

gegangen sind, also nicht zu den im Aschenbecher<br />

verbleibenden Rückständen gehören.<br />

Naturwissenschaften ≠ <strong>Kultur</strong>!<br />

Eine zeitgemäße Ungleichung?<br />

Können Sie sich den eben geschilderten Dialog<br />

auch in der heutigen Zeit vorstellen, beispielsweise<br />

zwischen der heutigen Queen Elizabeth II.<br />

und Stephen Hawkins?<br />

Ergötzten sich noch im 19. Jahrhundert auch<br />

„schöngeistige“ Menschen an FARADAYS Naturgeschichte<br />

einer Kerze [2] oder LIEBIGS Experimentalvorlesungen,<br />

konnte LEONARD EULER<br />

1769 seine naturwissenschaftlichen Briefe „über<br />

verschiedene Gegenstände aus der Physik<br />

und Philosophie“ an „eine deutsche Prinzessin“<br />

schreiben [3], wäre heute solchen Ambitionen<br />

kein großer Erfolg beschieden. Es sei denn, der<br />

Vortrag beschränkte vorwiegend auf Showeffekte.<br />

„ … so wäre es für einen schöngeistig ambitionierten<br />

Leser von heute schon ziemlich<br />

ungewöhnlich, wenn er sich neben seinen literarischen<br />

Journalen auch noch regelmäßig der<br />

naturwissenschaftlich-technischen Fachjournale<br />

annähme.“ schreibt HARRO SEGEBERG in dem<br />

von ihm herausgeberisch betreuten Buch Technik<br />

in der Literatur [4]. JOACHIM FRITZ-VANNAHME<br />

zitiert in seinem in Artikel Die dritte <strong>Kultur</strong> [5] – er<br />

verweist damit auf das gleichnamige Buch von<br />

JOHN BROCKMAN [6] – den Briten C. P. SNOW,<br />

der 1959 von Begegnungen mit „literarisch hochgebildeten<br />

Leuten“ berichtete, die sich einerseits<br />

über die Unbildung der Naturwissenschaftler<br />

amüsierten, anderseits aber auf Snows Aufforderung,<br />

das zweite Gesetz der Thermodynamik<br />

angeben zu können, abweisend reagierten. „Und<br />

doch bedeutete meine Frage auf naturwissenschaftlichem<br />

Gebiet etwa dasselbe wie: Haben<br />

Sie etwas von Shakespeare gelesen?“ FRITZ-<br />

VANNAHME fährt fort: „Fast vier Jahrzehnte danach<br />

scheint sich die Kluft zwischen naturwissenschaftlicher<br />

und literarisch-philosophischer <strong>Kultur</strong><br />

eher noch vergrößert zu haben.“ Nun kommt der<br />

Literaturwissenschaftler GEORGE STEINER zu<br />

Wort: „Eine der lähmenden Schwächen der zeitgenössischen<br />

westlichen Literatur ist ihre mangelnde<br />

Bereitschaft oder ihre Unfähigkeit, sich<br />

mit dem fröhlichen und frei fluktuierenden Geist<br />

der Naturwissenschaften einzulassen.“<br />

Diese Kluft wird auch durch emotionale Komponenten<br />

verursacht. Viele Menschen nehmen die<br />

Entfremdung durch die scheinbar allmächtige<br />

Technik oder die fortschreitende Zerstörung der<br />

Lebensressourcen zu recht sensibel wahr, begehen<br />

aber gleichzeitig den Denkfehler, das Wissen<br />

um die Technik und die Naturwissenschaften<br />

mit deren kritik- und rücksichtslosen Verwertung<br />

gleichzusetzen. Hinzu kommt unter Umständen<br />

Seite --


Texte<br />

ein Widerwille gegen die durch Aufklärung stattfindende<br />

Entzauberung: Es genügt, wenn der<br />

Himmel blau ist – man will gar nicht wissen,<br />

warum.<br />

So mögen wir zwar zunächst das Desinteresse<br />

derjenigen bedauern, die zum Teil sogar „stolz<br />

darauf sind, keine Ahnung von Naturwissenschaften<br />

und Technik“ zu haben. Wir müssen<br />

diese Distanz aber nicht als unumstößliche Regel<br />

hinnehmen. Es gilt, Berührungspunkte der beiden<br />

„Welten“ zu finden und auszubauen.<br />

Schlechte Nachrichten für die Naturwissenschaften<br />

in der Schule<br />

Am 26 Oktober 1996, einem Samstag, erreichen<br />

mich gleich zwei Nachrichten, die zu unserem<br />

Thema passen. Zuerst die schlechte Nachricht:<br />

Ein Brief der Gesellschaft für Didaktik der Chemie<br />

und Physik (GDCP) informiert über die<br />

gerade stattgefundene Jahrestagung in Bremen.<br />

Die beigefügten Kopien von Zeitungsberichten<br />

zu der Tagung machen kaum Mut: „Zurückgehendes<br />

Interesse an den Fächern Chemie und<br />

Physik/DidaktikerInnen haben wenig Hoffnung“<br />

titelt die taz Bremen vom 17.9.1996 und führt<br />

weiter aus: „Viele erinnern sich mit Grausen: unübersichtliche<br />

Formeln und misslingende Experimente<br />

– das war der Physikunterricht; stinkende<br />

Vorführungen und nicht minder unübersichtliche<br />

Formeln – das war die Chemie. Kein Wunder,<br />

daß die SchülerInnenzahlen in beiden Fächern<br />

zurückgehen.“<br />

Der Weser-Kurier vom 26.9.1996 fragt: „Sinkt<br />

Schüler-Interesse an den Naturwissenschaften?“<br />

und gibt sogleich die Antwort: „Die Hürden, die<br />

vor Studium und Berufseinstieg stehen, werden<br />

immer höher. Mit nur mäßigen Abiturnoten sind<br />

große Sprünge aber nicht zu machen. Deshalb<br />

wählen viele Schüler in Bremer Oberstufen<br />

bevorzugt die Fächer, von denen sie sich gute<br />

Noten versprechen. Die ,schweren‘ Naturwissenschaften<br />

gehören oft nicht dazu.“<br />

„Königsweg“ Integration<br />

In einigen Bundesländern gibt es Bestrebungen,<br />

die Fächer Chemie, Physik und Biologie zu Naturwissenschaften<br />

zusammenzufassen. Professorin<br />

ELKE SUMFLETH (Universität Essen)<br />

führt dazu aus, dass der „integrierte Unterricht“<br />

– keine didaktische Entscheidung, sondern eine<br />

politische – regelmäßig mit einem Abbau der<br />

Stundenzahlen einhergeht.<br />

Von einer Integration ohne Abschaffung der<br />

Fächer berichtet das Hamburger Abendblatt vom<br />

26.10.1996 anlässlich der Kultusministerkonferenz<br />

über den „neuen Weg zum Abitur“: „Ein Physik-Grundkurs,<br />

der sich mit dem Phänomen der<br />

schwarzen Löcher auseinandersetzt, kann dann<br />

[auf die Abiturnote; d. A.] angerechnet werden,<br />

wenn er auf Englisch gegeben wird und wenn<br />

englische Fachliteratur gelesen wird.“<br />

„Andere Lernformen erlaubt“ schreibt das Blatt.<br />

Eine Möglichkeit, diese Chance zu nutzen,<br />

möchte ich in meinem Artikel vorstellen.<br />

Zusammenfassung<br />

1. Es wird stets Personen geben, die sich eher<br />

an naturwissenschaftlichem Denken orientieren,<br />

und solche, die mehr geisteswissenschaftlich<br />

oder musisch ambitioniert sind. Das ist im Sinne<br />

der Vielfalt zu begrüßen und hat mit unserem<br />

Problem (noch) nichts zu tun.<br />

2. Problematisch ist jedoch die gestörte Kommunikation<br />

(will sagen: der kaum stattfindende Gedanken-<br />

und Informationsaustausch) zwischen<br />

den beiden Gruppen, die meines Erachtens keinesfalls<br />

„naturgegeben“ ist und auch nicht „schon<br />

immer da“ war.<br />

3. Von integriertem Unterricht als schlecht getarnte<br />

finanzpolitische Sparmaßnahme soll hier<br />

nicht die Rede sein. Wichtig ist es, an geeigneter<br />

Stelle die Durchgängigkeit zwischen möglichst<br />

vielen Schulfächern zu fördern, sei es in Projekten,<br />

sei es im herkömmlichen Fachunterricht.<br />

Dies soll sowohl hinsichtlich der Inhalte als auch<br />

der Arbeitsmethoden geschehen.<br />

Naturwissenschaften in der<br />

„schönen Literatur“<br />

In einigen wenigen Werken der klassischen und<br />

modernen Literatur kommen auch naturwissenschaftliche<br />

Aspekte vor. Dabei gibt es Werke, die<br />

durchgängig naturwissenschaftlich beeinflusst<br />

sind und solche, in denen wir nur vereinzelt naturwissenschaftliche<br />

„Stellen“ finden.<br />

So weist schon der Titel von PRIMO LEVIS Werk<br />

Seite -10-


Texte<br />

Das periodische System auf den für den Autoren<br />

hohen Stellenwert der Chemie hin. BOHUMIL<br />

HRABALS Schöntrauer ist hingegen ein Roman,<br />

in dem nur bei wenigen Gelegenheiten – dort<br />

aber ausgesprochen reizvoll wie in der Episode<br />

Die Straßenbeleuchtung – technisch-historische<br />

Schilderungen zu finden sind.<br />

In der Physik ist der Wert der erzählerischen<br />

„narrativen“ Methode bereits längere Zeit anerkannt.<br />

LABUDDE [7] versteht darunter allerdings<br />

nicht nur naturwissenschaftliche Texte in Romanen<br />

und Geschichten, sondern einen generellen<br />

erzählerischen Stil der Wissensvermittlung,<br />

wobei nicht nur den Lehrenden, sondern auch<br />

deren Schülerinnen und Schüler die aktive Rolle<br />

zukommt. LUTZ VON WERDER [8] weitet dies<br />

mit dem Begriff kreatives Schreiben auf alle<br />

Schulfächer aus.<br />

Ein gelungenes Beispiel für narrative Physik stellt<br />

für mich PLATONS Höhlengleichnis dar, das Stephan<br />

Matussek in NiU–Physik 5(1994) Nr. 24 für<br />

einen Einstieg in die Optik aufgreift. Da ich davon<br />

ausgehe, dass viele Leserinnen und Leser der<br />

vorliegenden Zeitschrift auch Physik unterrichten,<br />

liste ich unkommentiert weitere mir bekannte<br />

erzählerische Quellen mit physikalischen Inhalten<br />

auf.<br />

Literatur<br />

[1] Auster, Paul: Szenen aus „Smoke“. Rowohlt Taschenbuch 22051,<br />

Reinbek 1996 (Auszug aus dem Originaltitel „Smoke/Blue in the Face“.<br />

Rowohlt Taschenbuch 13666 , Reinbek 1995 )<br />

[4] Faraday, Michael: Naturgeschichte einer Kerze. Franzbecker (reprinta<br />

historica didactica 3) 1979<br />

[3] Euler, Leonard: Briefe an eine deutsche Prinzessin über verschiedene<br />

Gegenstände aus der Physik und der Philosophie. Original 1769,<br />

kommentierter Nachdruck: Vieweg-Verlag 1986<br />

[4] Segeberg, Harro (Hrsg.): Technik in der Literatur. Suhrkamp (tb Wissenschaft<br />

655), Frankfurt am Main 1987<br />

[5] Fritz-Vannahme, Joachim: Die dritte <strong>Kultur</strong>. Die Zeit Nr. 42 vom<br />

11.10.1996<br />

[6] Brockman, John: Die dritte <strong>Kultur</strong>. Goldmann (btb 72035), München<br />

1996<br />

[7] Labudde, Peter: Erlebniswelt Physik. Dümmler Verlag, Bonn 1993<br />

[8] Werder, Lutz von: Lehrbuch des kreativen Schreibens. Schibri-Verlag,<br />

Milow 1996<br />

[9] Minssen, Mins: Der sinnliche Stoff. Klett-Cotta, Stuttgart 1986<br />

[10] Strube, Wilhelm: Der historische Weg der Chemie. Aulis Verlag, Köln<br />

1989<br />

[11] Adler, Jeremy: Eine fast magische Anziehungskraft. Verlag C.H.<br />

Beck, München 1987<br />

[12] Lang, Dr. Andreas und Scharfe-Diebel, Heike: Clara Immerwahr und<br />

Fritz Haber – ein fächerübergreifendes Projekt. Raabits Chemie, Raabe<br />

Verlag, Heidelberg 1995<br />

[Feuer im Wald]<br />

Seite -11-


Texte<br />

You’re as cold as ice<br />

You’re as cold as ice, you’re willing to sacrifice our love<br />

You never take advice, someday youll pay the price, I know<br />

I’ve seen it before, it happens all the time<br />

You’re closing the door, you leave the world behind<br />

You’re digging for gold, you’re throwing away<br />

A fortune in feelings, but someday you’ll pay<br />

You’re as cold as ice, you’re willing to sacrifice our love<br />

You want paradise, but someday you’ll pay the price, I know<br />

I’ve seen it before, it happens all the time<br />

You’re closing the door, you leave the world behind<br />

You’re digging for gold, you’re throwing away<br />

A fortune in feelings, but someday you’ll pay<br />

(solo)<br />

Cold as ice - you know that you are<br />

Cold as ice - as cold as ice to me<br />

Cold as ice<br />

You’re as cold as ice, cold as ice, I know, yes I know<br />

You’re as cold as ice, cold as ice, I know, oh yes I know<br />

You’re as cold as ice, cold as ice, I know, oh yes I know<br />

You’re as cold as ice... (to fade)<br />

[Lyrics: Foreigner]<br />

[Schlittschuhe auf dem Eis]<br />

Seite -12-


Texte<br />

Peter Høeg<br />

Fräulein Smillas Gespür für Schnee<br />

[Dänemark 1992 (Deutschland: Hanser Verlag)]<br />

Zu diesem Roman: Der angebliche Unfalltod eines Jungen im Kopenhagener<br />

Hafenviertel lässt der Romanheldin Smilla Jaspersen keine Ruhe.<br />

Ihre beharrlichen Nachforschungen führen sie auf dem Schiff Kornos in<br />

das Eismeer des Nordatlantik.<br />

Hinweis: Originalzitat, deshalb in alter deutscher Rechtschreibung<br />

„Die Kronos ist auf dem Weg ins Eis. Ich sehe<br />

es von weitem, verschleiert durch 10 Millimeter<br />

bruchsicheres Glas, das von außen durch<br />

Salzkristallisation vernebelt ist. Doch das ändert<br />

nichts daran, ich spüre das Eis, als ob ich darauf<br />

stünde.<br />

Es ist eine dichte Treibeisdecke, und anfangs<br />

ist alles grau. Der schmale Kanal, durch den<br />

sich die Kronos hindurchzwängt, wirkt wie eine<br />

Aschenrinne; die Eisschollen, die meisten haben<br />

die Ausdehnung des Schiffes, sind leicht erhabene,<br />

frostverwitterte Klippenstücke. Es ist eine<br />

Welt aus konsequenter Leblosigkeit.<br />

Dann fällt die Sonne hinter die Wolkendecke, wie<br />

angezündetes Benzin.<br />

Die Eisdecke hat sich letztes Jahr im Polarmeer<br />

gebildet. Von dort aus ist sie zwischen Svalbard<br />

und der grönländischen Ostküste hindurchgepreßt<br />

und unten um Kap Farvel herumgeführt<br />

worden, um dann die Westküste hinaufzutreiben.<br />

Sie ist in Schönheit entstanden. An einem Oktobertag<br />

ist die Temperatur in vier Stunden um<br />

dreißig Grad gesunken, das Meer ist still geworden<br />

wie ein Spiegel. Es wartet darauf, ein Schöpfungswunder<br />

aufführen zu können. Die Wolken<br />

und das Meer gleiten in einen Vorhang aus grauer,<br />

fetter Seide zusammen. Das Wasser wirkt<br />

dickflüssig und ganz leicht rötlich, wie ein Likör<br />

aus wilden Beeren. Ein blauer Nebel aus Frostrauch<br />

befreit sich aus der Wasseroberfläche und<br />

treibt über den Wasserspiegel. Danach erstarrt<br />

das Wasser. Aus dem dunklen Meer zieht die<br />

Kälte jetzt einen Rosengarten, einen aus Salzen<br />

und gefrorenen Wassertropfen gebildeten, weißen<br />

Teppich aus Eisblumen. Sie leben vielleicht<br />

vier Stunden, vielleicht zwei Tage.<br />

Zu dem Zeitpunkt sind die Eiskristalle um die<br />

Sechs aufgebaut. Um ein Hexagon, eine Bienenstockzelle<br />

aus erstarrtem Wasser, strecken sich<br />

[Eiskristall 1]<br />

sechs Arme nach sechs neuen Zellen aus, die<br />

sich – durch einen Farbfilter und stark vergrößert<br />

fotografiert – wiederum in neue Sechsecke teilen.<br />

Danach bildet sich das frazil Eis, der Eisbrei, das<br />

Pfannkucheneis, dessen Platten zu Schollen<br />

gefrieren. Es scheidet das Salz aus, das Meerwasser<br />

gefriert von unten her. Das Eis bricht auf,<br />

Oberflächenstau, Niederschlag und Meeresfrost<br />

verleihen ihm eine hügelige Oberfläche. Irgendwann<br />

wird es in eine Drift gepreßt.<br />

Am weitesten weg ist hiku, das Festeis, der Kontinent<br />

aus gefrorenem Meer, an dem wir entlangfahren.<br />

Um die Kronos sind in dem Fjord, den die – bisher<br />

nur teilweise verstandenen und beschriebenen<br />

– örtlichen Strömungsverhältnisse geschaffen<br />

haben, überall hikuaq und puktaaq, Eisschollen.<br />

Die gefährlichsten sind die blauen und<br />

schwarzen Schollen aus reinem Schmelzwassereis,<br />

die schwer und tief liegen und aufgrund ihrer<br />

Klarheit die Farbe des sie umgebenden Wassers<br />

angenommen haben.<br />

Deutlicher sichtbar sind das weiße Gletschereis<br />

und das gräuliche, von Luftpartikeln gefärbte<br />

Meereis.<br />

Die Oberfläche der Schollen ist eine verwüstete<br />

Landschaft aus ivuniq, aus von der Strömung<br />

und dem Zusammenstoß der Platten nach oben<br />

gepreßten Eisstaus, aus maniilaq, Eisbuckeln,<br />

und aus apuhiniq, dem Schnee, den der Wind zu<br />

harten Barrikaden komprimiert hat. Derselbe<br />

Seite -13-


Texte<br />

Wind, der die agiuppiniq über das Eis gezogen<br />

hat, die Schneefahnen, denen man mit dem<br />

Schlitten folgt, wenn sich der Nebel auf das Eis<br />

gelegt hat.<br />

So wie es aussieht, lassen Wetter, Meer und Eis<br />

die Kronos durch. Jetzt sitzt Lukas im Eisausguck,<br />

nun bugsiert er sein Schiff vorsichtig durch<br />

die Kanäle, sucht die killaq, die Waken, läßt den<br />

Steven dort, wo das Neueis weniger als dreißig<br />

Zentimeter dick ist, auslaufen, um es durch<br />

das Gewicht des Schiffes zu zerschmettern. Er<br />

kommt voran, weil die Strömung hier so ist, wie<br />

sie ist. Weil die Kronos dafür gebaut ist, weil er<br />

Erfahrung hat. Aber es geht nur knapp.<br />

Shackletons eisverstärktes Schiff Endurance<br />

wurde im Weddelmeer vom Packeis zermalmt.<br />

[Eiskristall 2]<br />

Die Titanic erlitt Schiffbruch. Und die Hans Hedtoft.<br />

Und die Proteus, als sie im zweiten internationalen<br />

Polarjahr der Expedition von Leutnant<br />

Greely zu Hilfe kommen sollte. Die Verluste der<br />

Polarfahrt sind unzählig.<br />

[Eiskristall 3]<br />

Eisberge sind Gletscherstücke, die vom Inlandeis<br />

ins Meer treiben und abbrechen. Wenn sie<br />

massiv sind, beträgt das Verhältnis zwischen<br />

dem Teil über und unter dem Wasser eins zu<br />

fünf. Wenn sie hohl sind, ist es eins zu zwei. Die<br />

hohlen sind natürlich die gefährlichsten. Ich habe<br />

Eisberge gesehen, die vierzig Meter hoch waren<br />

und 50000 Tonnen wogen und durch die Vibrationen<br />

der Schiffsschraube kentern konnten.“<br />

Seite -14-


Texte<br />

Fahrenheit 451<br />

Bücherverbrennung<br />

IT WAS A PLEASURE TO BURN.<br />

lt was a special pleasure to see things eaten to<br />

see things blackened and changed. With the<br />

brass nozzle in his fists, with this great python<br />

spitting its venomous kerosene upon the world,<br />

the blood pounded in his head, and his hands<br />

were the hands of some amazing conductor playing<br />

all the symphonies of blazing and burning to<br />

bring down the tatters and charcoal ruins of<br />

history. With his symbolic helmet numbered 451<br />

on his stolid head, and his eyes all orange flame<br />

with the thought of what came next, he flicked<br />

the igniter and the house jumped up in a gorging<br />

fire that burned the evening sky red and yellow<br />

and black. He strode in a swarm of fireflies. He<br />

wanted above all, like the old joke, to shove a<br />

marshmallow on a stick in the furnace, while the<br />

flapping pigeon-winged books died on the porch<br />

and lawn of the house. While the books went up<br />

in sparkling whirls and blew away on a wind<br />

turned dark with burning.<br />

Montag grinned the fierce grin of all men singed<br />

and driven back by flame.<br />

He knew that when he returned to the firehouse,<br />

he might wink at himself, a minstrel man, burntcorked,<br />

in the mirror. Later, going to sleep, he<br />

would feel the fiery smile still gripped by his face<br />

muscles, in the dark. It never went away, that<br />

smile, it never ever went away, as long as he<br />

remembered. [. . .]<br />

[From: Ray Bradbury. Fahrenheit 451. Cornelsen Verlag: Berlin 1985, S.<br />

5f.]<br />

Seite -15-


Texte<br />

Eduard Mörike<br />

Der Feuerreiter<br />

Sehet ihr am Fensterlein<br />

Dort die rote Mütze wieder?<br />

Nicht geheuer muss es sein,<br />

Denn er geht schon auf und nieder.<br />

Und auf einmal welch Gewühle<br />

Bei der Brücke, nach dem Feld!<br />

Horch! das Feuerglöcklein gellt:<br />

Hinterm Berg,<br />

Hinterm Berg<br />

Brennt es in der Mühle!<br />

Schaut! da sprengt er wütend schier<br />

Durch das Tor, der Feuerreiter,<br />

Auf dem rippendürren Tier,<br />

Als auf einer Feuerleiter!<br />

Querfeldein! Durch Qualm und Schwüle<br />

Rennt er schon und ist am Ort!<br />

Drüben schallt es fort und fort:<br />

Hinterm Berg,<br />

Hinterm Berg<br />

Brennt es in der Mühle!<br />

Keine Stunde hielt es an,<br />

Bis die Mühle barst in Trümmer;<br />

Doch den kecken Reitersmann<br />

Sah man von der Stunde nimmer.<br />

Volk und Wagen im Gewühle!<br />

Kehren heim von all dem Graus;<br />

Auch das Glöcklein klinget aus:<br />

Hinterm Berg,<br />

Hinterm Berg<br />

Brennt’s! -<br />

Nach der Zeit ein Müller fand<br />

Ein Gerippe samt der Mützen<br />

Aufrecht an der Kellerwand<br />

Auf der beinern Mähre sitzen:<br />

Feuerreiter, wie so kühle<br />

Reitest du in deinem Grab!<br />

Husch! da fällt’s in Asche ab.<br />

Ruhe wohl,<br />

Ruhe wohl<br />

Drunten in der Mühle!<br />

Der so oft den roten Hahn<br />

Meilenweit von fern gerochen,<br />

Mit des heil’gen Kreuzes Span<br />

Freventlich die Glut besprochen -<br />

Weh! dir grinst vom Dachgestühle<br />

Dort der Feind im Höllenschein.<br />

Gnade Gott der Seele dein!<br />

Hinterm Berg,<br />

Hinterm Berg<br />

Rast er in der Mühle!<br />

Seite -16-


Texte<br />

Heinrich Hoffmann<br />

Die gar traurige Geschichte<br />

mit dem Feuerzeug<br />

Paulinchen war allein zu Haus,<br />

Die Eltern waren beide aus.<br />

Als sie nun durch das Zimmer sprang<br />

Mit leichtem Mut und Sing und Sang,<br />

Da sah sie plötzlich vor sich stehn<br />

Ein Feuerzeug, nett anzusehn.<br />

„Ei,“ sprach sie, „ei, wie schön und fein!<br />

Das muss ein trefflich Spielzeug sein.<br />

Ich zünde mir ein Hölzlein an,<br />

wie‘s oft die Mutter hat getan.“<br />

Doch Minz und Maunz, die Katzen,<br />

Erheben ihre Tatzen.<br />

Sie drohen mit den Pfoten:<br />

„Die Mutter hat‘s verboten!<br />

Miau! Mio! Miau! Mio!<br />

Wirf‘s weg! Sonst brennst Du lichterloh.<br />

Seite -17-


Texte<br />

Doch weh ! Die Flamme fasst das Kleid,<br />

Die Schürze brennt; es leuchtet weit.<br />

Es brennt die Hand, es brennt das Haar,<br />

Es brennt das ganze Kind sogar.<br />

Und Minz und Maunz, die schreien<br />

Gar jämmerlich zu zweien :<br />

„Herbei ! Herbei ! Wer hilft geschwind?<br />

Im Feuer steht das ganze Kind!<br />

Miau! Mio! Miau! Mio!<br />

Zu Hilf‘! Das Kind brennt lichterloh !“<br />

Verbrannt ist alles ganz und gar,<br />

Das arme Kind mit Haut und Haar;<br />

Ein Häuflein Asche bleibt allein<br />

Und beide Schuh‘, so hübsch und fein.<br />

Und Minz und Maunz, die kleinen,<br />

die sitzen da und weinen :<br />

„Miau! Mio! Miau! Mio!<br />

Wo sind die armen Eltern? Wo?“<br />

Und ihre Tränen fließen<br />

Wie‘s Bächlein auf den Wiesen.<br />

Seite -18-


Texte<br />

Conrad Ferdinand Meyer (1825 – 1898)<br />

Die Füße im Feuer<br />

Wild zuckt der Blitz. In fahlem Lichte steht ein Turm.<br />

Der Donner rollt. Ein Reiter kämpft mit seinem Roß,<br />

Springt ab und pocht ans Tor und lärmt. Sein Mantel saust<br />

Im Wind. Er hält den scheuen Fuchs am Zügel fest.<br />

Ein schmales Gitterfenster schimmert goldenhell<br />

Und knarrend öffnet jetzt das Tor ein Edelmann ...<br />

- „Ich bin ein Knecht des Königs, als Kurier geschickt<br />

Nach Nîmes. Herbergt mich! Ihr kennt des Königs Rock!“<br />

- Es stürmt. Mein Gast bist du. Dein Kleid, was kümmert‘s mich?<br />

Tritt ein und wärme dich! Ich sorge für dein Tier!“<br />

Der Reiter tritt in einen dunklen Ahnensaal,<br />

Von eines weiten Herdes Feuer schwach erhellt,<br />

Und je nach seines Flackerns launenhaftem Licht<br />

Droht hier ein Hugenott im Harnisch, dort ein Weib,<br />

Ein stolzes Edelweib aus braunem Ahnenbild ...<br />

Der Reiter wirft sich in den Sessel vor dem Herd<br />

Und starrt in den lebend‘gen Brand. Er brütet, gafft ...<br />

Leis sträubt sich ihm das Haar. Er kennt den Herd, den Saal ...<br />

Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.<br />

Den Abendtisch bestellt die greise Schaffnerin<br />

Mit Linnen blendend weiß. Das Edelmägdlein hilft.<br />

Ein Knabe trug den Krug mit Wein. Der Kinder Blick<br />

Hangt schreckensstarr am Gast und hangt am Herd entsetzt ...<br />

Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.<br />

- „Verdammt! Dasselbe Wappen! Dieser selbe Saal!<br />

Drei Jahre sind‘s ... Auf einer Hugenottenjagd ...<br />

Ein fein, halsstarrig Weib ... ‚Wo steckt der Junker? Sprich!‘<br />

Sie schweigt. ‚Bekenn!‘ Sie schweigt. ‚Gib ihn heraus!‘ Sie schweigt.<br />

Ich werde wild. D e r Stolz! Ich zerre das Geschöpf ...<br />

Die nackten Füße pack ich ihr und strecke sie<br />

Tief mitten in die Glut ... ‚Gib ihn heraus!‘ ... Sie schweigt ...<br />

Sie windet sich ... Sahst du das Wappen nicht am Tor?<br />

Wer hieß dich hier zu Gaste gehen, dummer Narr?<br />

Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich.“ -<br />

Eintritt der Edelmann. „Du träumst! Zu Tische, Gast ...“<br />

Seite -19-


Texte<br />

Da sitzen sie. Die drei in ihrer schwarzen Tracht<br />

Und er. Doch keins der Kinder spricht das Tischgebet.<br />

Ihn starren sie mit aufgerißnen Augen an -<br />

Den Becher füllt und übergießt er, stürzt den Trunk,<br />

Springt auf: „Herr, gebet jetzt mir meine Lagerstatt!<br />

Müd bin ich wie ein Hund!“ Ein Diener leuchtet ihm,<br />

Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück<br />

Und sieht den Knaben flüstern in des Vaters Ohr ...<br />

Dem Diener folgt er taumelnd in das Turmgemach.<br />

Fest riegelt er die Tür. Er prüft Pistol und Schwert.<br />

Gell pfeift der Sturm. Die Diele bebt. Die Decke stöhnt.<br />

Die Treppe kracht ... Dröhnt hier ein Tritt? Schleicht dort ein Schritt? ...<br />

Ihn täuscht das Ohr. Vorüberwandelt Mitternacht.<br />

Auf seinen Lidern lastet Blei, und schlummernd sinkt<br />

Er auf das Lager. Draußen plätschert Regenflut.<br />

Er träumt. „Gesteh!“ Sie schweigt. „Gib ihn heraus!“ Sie schweigt.<br />

Er zerrt das Weib. Zwei Füße zucken in der Glut.<br />

Aufsprüht und zischt ein Feuermeer, das ihn verschlingt ...<br />

- „Erwach! Du solltest längst von hinnen sein! Es tagt!“<br />

Durch die Tapetentür in das Gemach gelangt,<br />

Vor seinem Lager steht des Schlosses Herr - ergraut,<br />

Dem gestern dunkelbraun sich noch gekraust das Haar.<br />

Sie reiten durch den Wald. Kein Lüftchen regt sich heut.<br />

Zersplittert liegen Ästetrümmer quer im Pfad.<br />

Die frühsten Vöglein zwitschern, halb im Traume noch.<br />

Friedsel‘ge Wolken schimmern durch die klare Luft,<br />

Als kehrten Engel heim von einer nächt‘gen Wacht.<br />

Die dunklen Schollen atmen kräft‘gen Erdgeruch.<br />

Die Ebne öffnet sich. Im Felde geht ein Pflug.<br />

Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: „Herr,<br />

Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit<br />

Und wißt, daß ich dem größten König eigen bin.<br />

Lebt wohl! Auf Nimmerwiedersehn!“ Der andre spricht:<br />

„Du sagst‘s! Dem größten König eigen! Heute ward<br />

Sein Dienst mir schwer ... Gemordet hast Du teuflisch mir<br />

Mein Weib! Und lebst ... Mein ist die Rache, redet Gott.“<br />

Seite -20-


Texte<br />

Crazy World of Arthur Brown<br />

Fire<br />

Julie Driscoll<br />

This wheel‘s on fire<br />

I am the god of hell fire, and I bring you<br />

Fire, I‘ll take you to burn<br />

Fire, I‘ll take you to learn<br />

I‘ll see you burn<br />

You fought hard and you saved and earned<br />

But all of it‘s going to burn<br />

And your mind, your tiny mind<br />

You know you‘ve really been so blind<br />

Now ‚s your time, burn your mind<br />

You‘re falling far too far behind<br />

Oh no, oh no, oh no, you‘re gonna burn<br />

Fire, to destroy all you‘ve done<br />

Fire, to end all you‘ve become<br />

I‘ll feel you burn<br />

You‘ve been living like a little girl<br />

In the middle of your little world<br />

And your mind, your tiny mind<br />

You know you‘ve really been so blind<br />

Now ‚s your time, burn your mind<br />

You‘re falling far too far behind<br />

OOhhh<br />

Fire, I‘ll take you to burn<br />

Fire, I‘ll take you to learn<br />

You‘re gonna burn, you‘re gonna burn<br />

You‘re gonna burn, burn, burn, burn, burn, burn,<br />

burn, burn, burn, burn, burn<br />

Fire, I‘ll take you to burn<br />

Fire, I‘ll take you to learn<br />

Fire, I‘ll take you to bed<br />

If your mem‘ry serves you well,<br />

We were goin‘ to meet again and wait,<br />

So I‘m goin‘ to unpack all my things<br />

And sit before it gets too late.<br />

No man alive will come to you<br />

With another tale to tell,<br />

But you know that we shall meet again<br />

If your mem‘ry serves you well.<br />

This wheel‘s on fire,<br />

Rolling down the road,<br />

Best notify my next of kin,<br />

This wheel shall explode!<br />

If your mem‘ry serves you well,<br />

I was goin‘ to confiscate your lace,<br />

And wrap it up in a sailor‘s knot<br />

And hide it in your case.<br />

If I knew for sure that it was yours . . .<br />

But it was oh so hard to tell.<br />

But you knew that we would meet again,<br />

If your mem‘ry serves you well.<br />

This wheel‘s on fire,<br />

Rolling down the road,<br />

Best notify my next of kin,<br />

This wheel shall explode!<br />

If your mem‘ry serves you well,<br />

You‘ll remember you‘re the one<br />

That called on me to call on them<br />

To get you your favors done.<br />

And after ev‘ry plan had failed<br />

And there was nothing more to tell,<br />

You knew that we would meet again,<br />

If your mem‘ry served you well.<br />

This wheel‘s on fire,<br />

Rolling down the road,<br />

Best notify my next of kin,<br />

This wheel shall explode!<br />

Seite -21-


Musik<br />

Eiskalt<br />

Seite -22-


Versuche<br />

Michael Kratz<br />

Heiße Beutel! Hot Spots!<br />

Was sind denn DAS für Beutel?<br />

Gleich mehrere Male begegnete ich Anfang 1994 „Beutel“ mit interessanten Eigenschaften. Auf dem<br />

Weg in die Innenstadt Hamburgs saß mir in der U-Bahn eine junge Frau gegenüber, die mit einem dieser<br />

kleinen Objekte hantierte. Ich bekundete meine Neugierde. Die Frau antwortete, sie wisse auch nichts<br />

Genaueres, würde mir den Beutel aber „für wissenschaftliche Zwecke“ gerne überlassen.<br />

Nur eine halbe Stunde später fand ich die gleichen Gegenstände bei Pappnase, einem Ladengeschäft,<br />

das sich auf Bedarf für Kleinkunst spezialisiert hat. Auf meine Anfrage beschied man mir, die Beutel<br />

gäbe es außerdem bei Saroshi, einem Spezialisten für japanische Möbel.<br />

Zwei Tage später hatte ich in einer 10. Klasse Chemieunterricht. Eine Schülerin hielt mir mehrere der mir<br />

inzwischen wohlbekannten Handwärmer unter die Nase: „Was sind denn das für Beutel? Mein Freund<br />

verkauft sie als Zwischenhändler. Sie kosten pro Stück vier Mark.“<br />

Die Schülerinnen und Schüler wollten des Rätsels Lösung. Und zwar bitte sofort! Ich „konfiszierte“<br />

jedoch die Beutel – natürlich nicht, ohne vorher freundlich darum gebeten zu haben – und versprach<br />

eine Doppelstunde „mit vielen Experimenten“. Die Woche darauf war es soweit: Die Schülerinnen und<br />

Schüler experimentierten. Und im Gegensatz zu meinem üblichen Unterrichtsstil hielt ich mich diesmal<br />

merkwürdig zurück…<br />

Heiße Beutel – heiße Experimente • Ein Lernzirkel • Bestell-Nummer A850<br />

Unter diesem Titel hat GERMAN WEBER acht Lernstationen gestaltet. Herr Weber hat den Lernzirkel in seinem Unterricht gründlich erprobt. Sieben<br />

Stationen sind für selbstständige Schülerversuche geeignet, nur an einer Stelle ist Ihr persönlicher Einsatz erforderlich.<br />

Für jede Station gibt es zwei Kopiervorlagen: Eine ausführliche Experimentieranleitung mit Materialliste, Sicherheitshinweisen und Arbeitsaufträgen. Das<br />

zweite Blatt, die Lösung, enthält Textvorschläge für die Ergebnissicherung (Hefteintrag), jeweils gegliedert in die Abschnitte Durchführung, Beobachtung<br />

und Folgerung. Einige zusätzliche Merkblätter enthalten allgemeine Arbeitsanweisungen, die Materialliste und Tabellen für die Auswertung einiger<br />

Nachweisreaktionen (Phosphorsalzperle, Silbernitrat und gelbes Blutlaugensalz).<br />

Seite -23-


Im Chemieraum und zu Hause: Freies Forschen<br />

und Experimentieren<br />

Für fächerübergreifende Unterricht und für freies<br />

Experimentieren gibt es bereits etliche erprobte<br />

Unterrichtseinheiten. Initiativen wie FUN in<br />

Nordrhein-Westfalen und PING in Schleswig-Holstein<br />

stellen reichlich Material zur Verfügung.<br />

Betrachtet man sich die Unterlagen genauer,<br />

stellt man fest: Die meisten Unterrichtsangebote<br />

enden nach dem siebten Jahrgang. Freies Experimentieren?<br />

Ja – aber bitte nur in den „unteren“<br />

Jahrgängen! Mit Lämpchen, Thermometern,<br />

Wäscheklammern und Batterien kann nicht allzu<br />

viel Schaden angerichtet werden.<br />

Ist „selbstständiges, experimentierendes Forschen“<br />

auch in höheren Jahrgängen möglich,<br />

zum Beispiel im Chemieunterricht Jahrgang 10?<br />

Da kommen doch sofort Sicherheitsbedenken in<br />

den Sinn, die man nicht einfach vom Tisch wischen<br />

kann!<br />

Die Lehrerinnen und Lehrer…<br />

Motivation<br />

Wir machen Feuer ...<br />

• teilen einige Innenbeutel aus, behalten<br />

aber die Außenhülle.<br />

Umso wichtiger ist es, in den höheren Jahrgängen<br />

die selteneren Chancen für eigenständiges<br />

Ausprobieren zu erkennen und zu nutzen. Die<br />

Taschenwärmer ermöglichen im Chemieunterricht<br />

ab der zweiten Hälfte des neunten Jahrgangs<br />

weitgehend selbstständiges Vorgehen.<br />

Dabei ist es auf alle Fälle sinnvoll, bereits zum<br />

Unterrichtsbeginn eine Kollektion derjenigen<br />

Geräte und Chemikalien bereitzustellen, die<br />

mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit benötigt<br />

werden.<br />

Je nach Gruppengröße und Materialausstattung<br />

bietet sich arbeitsteiliges Vorgehen an. Im optimalen<br />

Fall führen die Schülerinnen und Schüler<br />

allein, zu zweit oder in kleinen Gruppen die Experimente<br />

durch und referieren anschließend im<br />

Plenum ihre Beobachtungen und Vermutungen.<br />

Die Schülerinnen und Schüler…<br />

• begutachten die Beutel.<br />

Versuche<br />

Experimente I<br />

Überraschung<br />

Erste Diskussionen<br />

Experimente II<br />

•fordern gegebenenfalls auf, kräftig zu<br />

kneten.<br />

• hören zu!<br />

• notieren Fragen und Aussagen an<br />

der Tafel oder auf dem Projektor.<br />

• stellen das gewünschte Experimentiermaterial<br />

bereit.<br />

• kneten die Beutel und stellen die<br />

Wärmeentwicklung fest<br />

• äußern erste Vermutungen<br />

• führen ein Brainstorming über Fragen<br />

und Vermutungen durch.<br />

• gestalten die Experimente weitgehend<br />

selbständig.<br />

Auswertung I<br />

Auswertung II<br />

Ergänzungen/<br />

Exkurse<br />

• Die Gruppen stellen ihre Beobachtungen im Plenum zur Diskussion.<br />

• Nun findet ein Vergleich zwischen der „offiziellen“ Erklärung und den eben geäußerten<br />

Vermutungen statt.<br />

• Versuche zum Thema Rost, Untersuchung anderer Taschenwärmer und die Erprobung<br />

selbst hergestellter Gemische bieten sich ergänzend an.<br />

Die heißen Beutel im Unterricht • Einige Beispiele für Fächer und Themen<br />

Im Fachunterricht Chemie: Rosten von Eisen als „stille Verbrennung“ (Anfangsunterricht), Redox-Reaktionen<br />

(Mittelstufe), Reaktionsenthalpie (Oberstufe)<br />

In Wahlpflichtfächern und Arbeitsgemeinschaften: Natur & Technik, Naturwissenschaften<br />

Im Projektunterricht: Müll, Energie<br />

Seite -24-


Versuche<br />

Blatt<br />

005<br />

Steinzeitliches Feuermachen ...<br />

<br />

L<br />

L<br />

L<br />

20<br />

V1 Die herkömmliche<br />

Methode<br />

• Fichtenholzplatte<br />

(Seitenlänge ca. 20 cm,<br />

Dicke mindestens 2 cm)<br />

• Rundholz (z. B. Stück eines<br />

Besenstils)<br />

• Elektronisches Thermometer<br />

~<br />

V2 Herstellung von<br />

Zunder<br />

• Feuer- bzw. Zunderschwamm<br />

(siehe Text)<br />

• Kaliumnitrat KNO 3<br />

• ggf. Trockenschrank<br />

Sicherheit<br />

Kaliumnitrat ist ein starkes<br />

Oxidationsmittel.<br />

Die Baumschwämme sollte man<br />

möglichst nur mit Gummihandschuhen<br />

anfassen. Auf alle Fälle<br />

empfiehlt es sich, die Hände<br />

nach der Arbeit gründlich zu<br />

waschen.<br />

Größere Mengen Zunder sollte<br />

man wegen der relativ starken<br />

Rußentwicklung nur im Freien<br />

oder unter einem Abzug<br />

abbrennen lassen.<br />

20<br />

V3 Nun alles etwas flotter!<br />

• Brett und Rundholz (wie V1)<br />

• „Flitzebogen“ (siehe Text)<br />

• Zunder (aus V2 oder Watte,<br />

diese ggf. mit Benzin<br />

getränkt)<br />

Sicherheit<br />

Benzin ist leicht entflammbar.<br />

Aus Abenteuerromanen und Filmen über das Leben in der freien Natur<br />

oder in früheren Epochen wissen wir: Feuermachen ist sehr mühsam,<br />

wenn nur Feuersteine zur Verfügung stehen. Falls nicht einmal dieses<br />

der Fall ist, muss man auf die Reibungswärme ausweichen.<br />

Die herkömmliche Methode<br />

In ein Brett aus Fichtenholz wird eine Mulde gebohrt, die einen Durchmesser<br />

von 1,5 bis 2,0 cm und eine Tiefe von 1,0 cm haben soll.<br />

Ein Rundholz wird zwischen die Handflächen genommen, auf die<br />

Mulde gesetzt und schnell und ausdauernd zum Drehen gebracht.<br />

Tipp: Als Wettbewerb lässt sich dieser Versuch gestalten, wenn man<br />

an geeigneter Stelle den Messfühler eines elektronischen Thermometers<br />

anbringt. Ist dessen Display groß genug, kann die Klasse den<br />

Erfolg der Bemühungen beobachten!<br />

Ein Feuer können ungeübte Menschen auf diese Weise wohl kaum<br />

erzeugen, zumal noch eine wesentlicher Bestandteil fehlt: der Zunder.<br />

Herstellung von Zunder<br />

<br />

<br />

Zur Herstellung von Zunder verwendete man schon lange vor dem Mittelalter<br />

den „Echten Feuer- oder Zunderschwamm“ (fomes<br />

fomentarius). Dieser wächst parasitär als Baumschädling (erzeugt<br />

Weißfäule) besonders häufig am Stamm von alten Rotbuchen, seltener<br />

auch an anderen Laubbäumen.<br />

Zum Feuermachen geeignet sind die inneren Teile, sobald sie gründlich<br />

getrocknet sind. In den letzten Jahrhunderten wurde die Methode<br />

verfeinert: Die Baumschwämme werden mehrfach gekocht, gewalkt,<br />

mit Salpeterlösung (Kaliumnitrat = KNO 3) getränkt und zum Schluss<br />

getrocknet. Diese Aufgabe übernahmen die Kürschner, denen die<br />

Schwammbäume verpachtet wurden [1].<br />

Anleitung<br />

1. Baumschwämme sammeln.<br />

2. Die Baumschwämme von der Rinde und der unteren Röhrenschwarte<br />

befreien.<br />

3. Die verbleibende Mittelschicht in kleine Stücke schneiden und im<br />

Trockenschrank mehrere Stunden bei 80 °C aufbewahre n.<br />

4. Nun die Teile mit einer konzentrierten Kaliumnitrat-Lösung tränken.<br />

5. Abermals bei 80 °C trocknen lassen.<br />

Auf keinen Fall darf beim letzten Schritt eine höhere Temperatur<br />

gewählt werden! Falls kein Trockenschrank zur Verfügung steht, erfordert<br />

das Trocknen mehrere Tage Zeit. Jetzt wird V1 zusammen mit<br />

dem Zunder wiederholt.<br />

Bis jetzt war das Bestreben, Feuer zu machen, wahrscheinlich nicht<br />

gerade von Erfolg gekrönt. Die Hände erlahmen schnell, so dass man<br />

sich nun nach einem Hilfsmittel umsehen wird.<br />

Seite -25-<br />

092 • Das Blutwunder von Neapel<br />

© AOL Verlag • 77839 Lichtenau • Fon (07227) 95-88-0 • Fax (07227) 95-88-95 • Nr. A270


Versuche<br />

Blatt<br />

006<br />

<br />

Eine Kerze ohne Docht?<br />

L<br />

L<br />

30<br />

V1 Ein Hochleistungs-<br />

Zunder<br />

• Fichtenholzplatte<br />

(Seitenlänge ca. 20 cm,<br />

Dicke mindestens 2 cm)<br />

• Rundholz (z. B. ein Stück<br />

eines Besenstiels)<br />

• Zucker (Saccharose)<br />

• Kaliumpermanganat KMnO 4<br />

20<br />

V2 Ein Turbo-Rundstab<br />

• Fichtenholzplatte<br />

(Seitenlänge ca. 20 cm,<br />

Dicke mindestens 2 cm)<br />

• Elektrische Bohrmaschine<br />

• Rundholz aus Buche<br />

(Durchmesser 6 bis 10 mm)<br />

• Zucker (Saccharose)<br />

• Kaliumpermanganat KMnO 4<br />

Sicherheit<br />

Kaliumpermanganat wirkt<br />

stark brandfördernd und ist<br />

gesundheitsschädlich, wenn<br />

man es verschluckt.<br />

Entsorgung<br />

Kaliumpermanganat darf stark<br />

verdünnt in die Kanalisation<br />

gelangen, gehört aber nicht in<br />

den Hausmüll.<br />

Ich empfehle, über diese offiziellen<br />

Ratschläge hinauszugehen<br />

und die Reste zu den Schwermetall-Abfällen<br />

zu geben.<br />

S 0<br />

V3 Eine Feile als<br />

Feuerzeug<br />

• relativ feine Feile<br />

• steifer Draht (Kupfer, Eisen)<br />

• Batterie oder Netzteil (maximale<br />

Spannung: 10 Volt)<br />

Im Versuch Wir machen Feuer nach alter Väter Sitte haben wir klassische<br />

Methoden des Feuermachens kennen gelernt, die eines gemeinsam<br />

haben: Sie sind recht anstrengend.<br />

Will man die Verfahren verbessern, kann prinzipiell an zwei Stellen<br />

angesetzt werden:<br />

• Verwendung eines verbesserten Zündmittels mit niedrigerer Entzündungstemperatur<br />

oder einem höheren Verteilungsgrad<br />

Diese Methode kommt bei Versuch 1 zum Einsatz.<br />

• Effizientere Erzeugung der Reibungswärme (zum Beispiel durch<br />

eine höhere Drehzahl des Rundholzes)<br />

Im Versuch 2 stelle ich Ihnen ein komfortables Verfahren vor.<br />

Ein Hochleistungs-Zunder<br />

In das Fichtenholz-Brett wird eine<br />

Mulde mit einem Durchmesser von<br />

1,5 bis 2,0 cm und einer Tiefe von 1,0<br />

cm gebohrt. In die Vertiefung kommt<br />

je eine Spatelspitze Zucker und<br />

Kaliumpermanganat.<br />

Nun wird in bekannter Weise (siehe<br />

Blatt 005) das Rundholz bewegt.<br />

Nach kurzer Zeit bilden sich unter<br />

Knistern Funken. Hat man zusätzlich<br />

trockenes Zeitungspapier, Sägemehl<br />

oder Watte in die Mulde gegeben,<br />

entsteht auch eine Flamme.<br />

Kaliumpermanganat ist ein starkes<br />

<br />

Oxidationsmittel. Unter der Einwirkung von Hitze spaltet die Substanz<br />

Sauerstoff ab, der mit dem Zucker zu Kohlenstoffdioxid und<br />

Wasser reagiert.<br />

C 6H 12O 6 + 6 O 2 → 6 CO 2 + 6 H 2O<br />

Ein Turbo-Rundstab<br />

Rundstab<br />

Brett aus Fichtenholz<br />

Spannfutter<br />

Rundstab<br />

Brett aus Fichtenholz<br />

Gemisch aus<br />

Zucker und<br />

Kaliumperm.<br />

<br />

Moderne Technik kann uns das Drehen<br />

des Rundstabes erheblich erleichtern.<br />

Ideal für unseren Versuch ist eine Handoder<br />

Standbohrmaschine, in die anstelle<br />

des Bohrers ein geeigneter Rundstab<br />

eingesetzt wird. Wie dick der Rundstab<br />

sein kann, hängt vom Spannfutter der<br />

Bohrmaschine ab. Ein Durchmesser von<br />

einem Zentimeter ist auf alle Fälle möglich.<br />

Der Versuch wird zuerst ohne Zugabe<br />

von Zunder durchgeführt. Die Bohrmaschine<br />

läuft auf höchster Drehzahl.<br />

Die Holzplatte wird nun am Tisch festgeklemmt.<br />

Beim „Bohren“ sollte Druck ausgeübt<br />

werden.<br />

Seite -26-<br />

094 • Das Blutwunder von Neapel<br />

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Versuche<br />

Blatt<br />

007<br />

... und eines Bleistiftspitzers!?<br />

<br />

S 20<br />

V1 Eine Kerze ohne<br />

Docht<br />

• Dreifuß<br />

• Drahtnetz<br />

• Gasbrenner<br />

• Teelicht im Aluminiumbecher<br />

• Tiegelzange<br />

Sicherheit<br />

In das siedende Wachs darf auf<br />

keinen Fall Wasser geraten,<br />

weil es sonst zu heftigen<br />

Feuererscheinungen kommen<br />

kann.<br />

S 0<br />

V2 Die Salatöl-Lampe<br />

• Abdampfschale<br />

• Salatöl<br />

• „Docht“ aus saugfähigem<br />

Papier<br />

L<br />

40<br />

V3 Ein gefährlicher<br />

Wachsbrand<br />

• Große Glasschüssel mit Wasser<br />

• Gasbrenner<br />

• Reagenzglas<br />

• Tiegelzange<br />

• lange Stativstange,<br />

Verlängerungskupplung<br />

• Stearin oder festes Paraffin<br />

(Kerzenreste)<br />

Sicherheit<br />

Mindestens fünf Meter<br />

Sicherheitsabstand einhalten!<br />

Schutzbrille tragen!<br />

Es dürfen sich keine<br />

brennbaren Stoffe in der Nähe<br />

befinden.<br />

Bei einer brennenden Kerze treten alle drei Aggregatzustände gleichzeitig<br />

auf. Brennbar ist allerdings nur das gasförmige Wachs.<br />

Eine Kerze ohne Docht lässt sich normalerweise nicht anzünden, da<br />

bei kompaktem Wachs (bzw. Stearin oder festes Paraffin) die Siedetemperatur<br />

mit einem Streichholz oder Feuerzeug nicht erreicht wird.<br />

Der Docht übernimmt die Aufgabe, die Oberfläche des Wachses so zu<br />

vergrößern, dass der Prozess der Verbrennung eingeleitet werden<br />

kann. Die Kerzenflamme selbst sorgt dann für „Nachschub“.<br />

Will man auf den Docht verzichten, so muss man auf andere Weise<br />

den Brennstoff verdampfen.<br />

Vorsicht! Bei den beiden folgenden Versuchen darf kein<br />

Wasser in das siedende Wachs bzw. Öl gelangen – auch<br />

nicht durch „feuchte Aussprache“!<br />

Eine Kerze ohne Docht<br />

<br />

Ein Teelicht mit Aluminiumbecher wird auf einen Dreifuß mit Drahtnetz<br />

gestellt. Darunter befindet sich ein Gasbrenner. Sobald das Wachs<br />

geschmolzen ist, wird der Docht entfernt. Nun wird versucht, das flüssige<br />

Wachs (bzw. Paraffin/Stearin) anzuzünden. Das gelingt nicht.<br />

Das Wachs wird bis zum Sieden erhitzt, anschließend der Gasbrenner<br />

entfernt. Nähert man sich mit einem brennenden Holzspan, so lassen<br />

sich die Dämpfe bereits in etwa 5 cm Entfernung anzünden.<br />

Das Wachs brennt so lange, bis es aufgebraucht ist.<br />

Nur die Dämpfe des Waches können brennen.<br />

Siedendes Kerzenwachs brennt auch ohne Docht.<br />

Die Salatöl-Lampe<br />

Teilversuch : Geben Sie in eine kleine Porzellan- oder Glasschale<br />

(Abdampfschale) einige ml Speiseöl.<br />

Das flüssige Öl lässt sich nicht anzünden.<br />

Teilversuch 2: Drehen Sie aus saugfähigem Papier einen Docht und<br />

stellen ihn in das Öl. Nachdem er sich mit Öl vollgesogen hat, wird er<br />

angezündet. Das Öl brennt mit leuchtend gelber, rußender Flamme.<br />

Auch das Öl brennt nur im gasförmigen Zustand. Die Hitze der<br />

Flamme genügt zum Verdampfen der geringen am Docht befindlichen<br />

Ölmenge.<br />

<br />

Teilversuch 3: Erhitzen Sie ein wenig Öl auf einer Heizplatte oder<br />

über dem Gasbrenner bis zum Sieden. Zünden Sie die Dämpfe mit<br />

einem brennenden Holzspan an.<br />

Hier wurden die Öldämpfe durch die Wärmequelle erzeugt.<br />

Teilversuch 4: Füllen Sie in eine ausgediente Nasenspray-Flasche<br />

(Etikett entfernen bzw. neu beschriften!) etwas Pflanzenöl. Sprühen<br />

Sie das Öl in die Flamme eines Gasbrenners.<br />

Der hohe Zerteilungsgrad sorgt für eine gute Verbrennung.<br />

Seite -27-<br />

096 • Das Blutwunder von Neapel<br />

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Versuche<br />

Stoffe, die sich selbst anzünden<br />

<br />

Sturm im Wasserglas<br />

Dieser Versuch ist zwar wesentlich<br />

harmloser als das vorangegangene<br />

Experiment, aber auch nicht ganz<br />

ungefährlich.<br />

Etwa 100 ml Öl werden in einem<br />

Becherglas erhitzt. Das Glas ist mit<br />

einem Bierdeckel dicht verschlossen.<br />

Durch den Deckel wird eine Pipette<br />

gesteckt, in der sich ein bis zwei Milliliter<br />

Wasser befinden.<br />

SCHUTZBRILLE AUFSETZEN!<br />

<br />

Sobald das Öl eine Temperatur von etwa 200 °C errei cht hat, wird<br />

das Wasser hinein getropft. Unter Fauchen verdampft das Wasser.<br />

Dabei entsteht ein Nebel aus feinen Wasser- und Öltröpfchen.<br />

Der brennende Bleistiftspitzer<br />

<br />

Die Gehäuse von Anspitzern bestehen aus unterschiedlichen Materialien:<br />

Aus Kunststoff, Holz, Messing oder einem silberfarbenen<br />

Metall. Im letzten Fall handelt es sich um eine Legierung, die überwiegend<br />

Magnesium enthält.<br />

Metallbrände sind besonders gefürchtet. Brennendes Magnesium<br />

kann man weder mit Wasser noch mit Kohlenstoffdioxid löschen,<br />

weil das vergleichsweise unedle Metall mit dem in den beiden Verbindungen<br />

enthaltenen Sauerstoff reagiert.<br />

Mg + H 2O → MgO + H 2<br />

2 Mg + CO 2 → 2 MgO + C<br />

Sägen Sie mit einer Metallsäge von dem Metallgehäuse eines silberfarbenen<br />

Bleistiftspitzers eine etwa ein Millimeter dicke Scheibe<br />

ab. Zünden Sie diese unter Verwendung einer Tiegelzange mit<br />

einem Gasbrenner an [1]. Schauen Sie auf keinen Fall direkt in die<br />

entstehende Flamme. Verwenden Sie eine Brille mit UV-Schutz.<br />

Das Metall verbrennt mit gleißendem Licht.<br />

Pipette mit Wasser<br />

Bierdeckel<br />

400 ml<br />

Öl<br />

Heizplatte<br />

Hauptthemen<br />

• Feuerlöschen<br />

• Redox-Reaktion<br />

Weitere Stichworte<br />

• Fettbrand<br />

• Zerteilungsgrad<br />

• Siedetemperaturen<br />

• Metallbrände<br />

• Magnesium<br />

Weitere Versuche<br />

Feuer unter Wasser<br />

Eine Handfackel für Seenot-Signale<br />

kann man in einer eindrucksvollen<br />

Vorführung unter Wasser abbrennen<br />

lassen. Genaue Angaben finden Sie<br />

in einem Zeitschriftenartikel [2].<br />

• Kerze ohne Docht (Blatt 007)<br />

• Dieselspray (Blatt 013)<br />

• Mehlstaub-Explosion (Blatt 013)<br />

Literatur<br />

[1] Peter Pfeifer<br />

Praxisorientierter Chemieunterricht<br />

konkret<br />

In: Naturwissenschaften im<br />

Unterricht – Chemie Heft 31<br />

Friedrich Verlag<br />

Seelze im Januar 1996<br />

[2] Jörn Krönert/Michael Kratz<br />

Feuer unter Wasser<br />

In: Naturwissenschaften im<br />

Unterricht – Chemie Heft 44<br />

Friedrich Verlag<br />

Seelze im März 1998<br />

Blatt<br />

008<br />

Der folgende Versuch darf nur mit größten<br />

Vorsichtsmaßnahmen unter dem Abzug stattfinden!<br />

Legen Sie einen Anspitzer auf eine Mineralfaserplatte und beheizen<br />

Sie ihn so lange von oben mit einer Gasflamme, bis er zu brennen<br />

beginnt. Öffnen Sie das Schiebefenster des Abzugs einen Spalt<br />

breit. Zielen Sie mit einer Spritzflasche durch den Spalt auf das<br />

brennende Objekt und spritzen Sie einige Tropfen Wasser darauf.<br />

Sie selbst müssen durch die Scheibe geschützt sein!<br />

In einer heftigen Reaktion entsteht eine gleißend helle Flamme.<br />

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Das Blutwunder von Neapel • 099


Versuche<br />

Blatt<br />

009<br />

<br />

Feuer aus dem Handgelenk<br />

L<br />

L<br />

L<br />

20<br />

V1 Das Feuer mit dem<br />

Bade ausschütten<br />

• Reagenzglas<br />

• Große, hitzefeste Schüssel<br />

• Kalium<br />

• Benzin<br />

Sicherheit<br />

Das Kalium muss sorgfältig<br />

entrindet werden. Der<br />

Sicherheitsabstand soll etwa drei<br />

Meter betragen. Schutzscheibe<br />

und Schutzbrille verwenden!<br />

30<br />

V2 Selbstentzündung von<br />

Ethin<br />

• Calciumcarbid CaC 2<br />

• konzentrierte Salzsäure HCl<br />

• Mangandioxid MnO 2 oder<br />

Kaliumpermanganat KMnO 4<br />

• kleine Porzellanschale<br />

• Reagenzglas im Stativ<br />

Sicherheit<br />

Wegen des entstehenden Rußes<br />

und wegen des Chlorgases muss<br />

der Versuch im Freien oder<br />

unter dem Abzug durchgeführt<br />

werden. Konzentrierte Salzsäure<br />

ist stark ätzend.<br />

Entsorgung<br />

Das Gemisch neutralisieren,<br />

dann in den Ausguss schütten.<br />

0<br />

V3 Kaliumpermanganat<br />

und Glycerin<br />

• Kaliumpermanganat<br />

• 1,2,3-Propantriol (Glycerin)<br />

• Kleine Porzellanschale<br />

Sicherheit<br />

Abzug und Schutzbrille<br />

einsetzen!<br />

Entsorgung<br />

Nach Abklingen der Reaktion<br />

kommt das Gemisch stark<br />

verdünnt in den Ausguss.<br />

„Feuermachen“ ist heute eine simple Angelegenheit. Das war nicht<br />

immer so (siehe Steinzeitliches Feuermachen und Wir machen Feuer<br />

nach alter Väter Sitte auf Blatt 005 und 006). Deshalb wurde stets<br />

nach Möglichkeiten gesucht, das Anzünden zu vereinfachen bzw. das<br />

mühsam entfachte Feuer über längere Zeit aufzubewahren.<br />

In [1] findet der Leser ein Rezept, Feuer zu konservieren. Ich habe es,<br />

ehrlich gesagt, noch nicht ausprobiert, übernehme also keine Gewähr!<br />

Eine Kugel, darinnen man einen Monat lang oder laenger immerzu kann<br />

Feuer bei sich tragen • Im Maien Kuehe-Kot an der Sonne wohl gedoerret und<br />

mit Branntenwein, der dreimal auf das hoechste und beste destilliert ist worden,<br />

angefeuchtet und Kugeln, so gross als eine Baumnuss, daraus formieret, getruecknet<br />

und also zum 3ten Male angefeuchtet und wieder eingetruecknet. Folgends<br />

einen Teig gemacht mit ungeloeschtem Kalche, Eiklar und zerhacktem Werg, die<br />

Kugeln darinnen so lange umher gewaelgert, bis hiervon eine dicke Huelse sich<br />

darueber zeucht; dann duerre werden lassen, ein Loechel darein gebohrt, das<br />

Inwendige mit einem gluehenden Eisen angezuendt und ein eisern Zaepfgen darfuer<br />

gesteckt, so kann man allzeit Feuer haben und bei sich haben.<br />

Ende des Zitats. Von ebenso zweifelhaftem Erfolg ist dieser Versuch:<br />

Eine sich in Wasser selbstentzuendente Kerze • Folgende Substanzen werden<br />

fein miteinander zerrieben: 250g Wachs, 60g Schwefel, 60g ungeloeschter Kalk<br />

und 30g Walnussoel. Natuerlich darf ein geeigneter Docht nicht fehlen. Diese<br />

Kerze entzuendet sich angeblich in Wasser von alleine.<br />

Probieren Sie es aus. Ich hatte bisher kein Glück!<br />

Wie zuverlässig funktionieren hingegen moderne Anleitungen. In einer<br />

Folge der Knoff-Hoff-Show habe ich das Feuerwasser kennen gelernt;<br />

in [2] ist die Anleitung zu finden. Hier eine modifizierte Fassung:<br />

<br />

Das Feuer mit dem Bade ausschütten<br />

<br />

Eine hitzefeste Schüssel etwa wird bis<br />

knapp unter den Rand mit Wasser<br />

gefüllt. In einem Reagenzglas befinden<br />

sich 15 ml Benzin und ein oder zwei<br />

winzige Stückchen sorgfältig entrindetes<br />

Kalium.<br />

Kalium und Benzin reagieren nicht miteinander.<br />

Schütten Sie den Inhalt auf<br />

Benzin und<br />

Kalium<br />

die Wasseroberfläche in der Schüssel,<br />

Wasser<br />

finden folgende Vorgänge statt:<br />

Das Kalium reagiert heftig mit dem Wasser.<br />

Dabei entsteht eine kleine Flamme, die als Zündflamme für das über<br />

die Oberfläche verteilte Benzin dient.<br />

Fast augenblicklich entsteht eine große Flamme.<br />

Am besten, Sie lassen die Flamme ausbrennen. Dadurch entfällt das<br />

Problem, Benzinreste entsorgen zu müssen.<br />

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Versuche<br />

Blatt<br />

00<br />

<br />

Feuer und Rauch aus der Hand<br />

L<br />

20<br />

V1 Feuer aus dem<br />

Handgelenk<br />

• Schutzbrille<br />

• Abzug<br />

• Ammoniumnitrat NH 4NO 3<br />

• Ammoniumchlorid NH 4Cl<br />

• ggf. diverse flammenfärbende<br />

Salze<br />

• ggf. Eisblock<br />

• Mörser mit Pistill<br />

• Porzellanschale<br />

• Holzspan<br />

• Blechrinne<br />

• feuerfeste Unterlage<br />

• Stativmaterial<br />

Sicherheit<br />

Zinkstaub kann sich schon bei<br />

Zimmertemperatur an der Luft<br />

entzünden.<br />

Ammoniumnitrat ist ein starkes<br />

Oxidationsmittel.<br />

Schon kleinste Wassermengen<br />

können zu einer unerwünschten,<br />

vorzeitigen Reaktion führen.<br />

Deshalb soll während des<br />

Mischens geschwiegen werden<br />

(„feuchte Aussprache“).<br />

Fünf Meter Sicherheitsabstand<br />

sind unbedingt einzuhalten!<br />

Es dürfen keine brennbaren<br />

Gegenstände in der Nähe sein!<br />

NIEMALS auf Vorrat herstellen!<br />

Entsorgung<br />

Die Reste werden mit viel<br />

Wasser zerrieben und in den<br />

Ausguss gegeben.<br />

Feuergefahr durch Spucken? Eine Stichflamme durch Handwedeln?<br />

Ein Eisblock als Brandstifter? Aber sicher, durch geschickte Anwendung<br />

chemischer Kenntnisse ist das alles möglich. Die passenden<br />

Stichworte: Oxidationsmittel, Lösungswärme und Katalysator.<br />

<br />

Feuer aus dem Handgelenk<br />

<br />

Bei diesem Versuch ist besondere Vorsicht geboten. Beachten Sie<br />

bitte unbedingt die Hinweise zur Sicherheit.<br />

Schweigegelübde! Auch wenn es Ihnen als Lehrerperson schwer fällt<br />

(Berufskrankheit!): Reden Sie nicht, sobald Sie die Komponenten vermischen!<br />

Schon kleinste Speichelmengen können zur spontanen Zündung<br />

des Gemisches führen.<br />

Folgende Substanzen werden einzeln(!) fein pulverisiert:<br />

• 16 g Zinkstaub<br />

• 16 g Ammoniumnitrat<br />

• 4 g Ammoniumchlorid<br />

Natürlich können Sie bei Beachtung der Mengenverhältnisse auch<br />

mehr oder weniger Gemisch herstellen.<br />

Die Stoffe werden mit einem Holzspan unter vorsichtigem Rühren miteinander<br />

vermischt.<br />

Falls Sie farbige Flammen wünschen, können Sie noch jeweils winzige<br />

Mengen der hier aufgeführten Stoffe dazugeben:<br />

• Borsäure (grün)<br />

• Strontiumnitrat (rot)<br />

• Lithiumnitrat (orange)<br />

• Natriumnitrat (gelb)<br />

• Cäsiumnitrat (blau)<br />

Die Fachliteratur empfiehlt häufig Bariumchlorid als farbgebende Substanz.<br />

Aus gesundheitlichen Gründen rate ich davon ab; das gilt auch<br />

für Kupfer- oder gar Nickelsalze.<br />

Sobald kleinste Wassermengen in die Mischung geraten, findet nach<br />

einigen Sekunden eine Selbstentzündung mit Stichflamme und beeindruckendem,<br />

weißen Rauch (u.a. Zinkchlorid und verdampftes Ammoniumchlorid)<br />

statt.<br />

Der Rauch ist nicht giftig. Dennoch sollten Sie für eine gute Lüftung<br />

sorgen oder den Versuch im Freien durchführen – letzteres jedoch<br />

nicht bei Regenwetter!<br />

Erklärung<br />

Die beteiligten Substanzen haben folgende Funktion:<br />

Das Zinkpulver dient als reaktionsfähiger Brennstoff.<br />

Das Wasser feuchtet das Zinkpulver an. Dabei entsteht beträchtliche<br />

Lösungswärme.<br />

Das Ammoniumnitrat wirkt als Oxidationsmittel.<br />

Ammoniumchlorid beschleunigt den Vorgang katalytisch.<br />

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02 • Das Blutwunder von Neapel<br />

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Versuche<br />

Blatt<br />

0<br />

L<br />

H<br />

V1 Der Phosphorblitz<br />

• Roter Phosphor<br />

• Kaliumchlorat KClO 3<br />

<br />

Magic Candles<br />

Wer bewundert nicht die Magier, die durch lässiges Fingerschnippen<br />

ein Feuer entfachen oder zwischen ihren Hände spontan Rauch aufsteigen<br />

lassen? In Pyromania 2 haben Sie erfahren, wie man durch<br />

beiläufiges Handwedeln eine Feuererscheinung verursachen kann.<br />

Jetzt werden Sie einige weitere Tricks kennen lernen.<br />

Sicherheit<br />

Dieser Versuch darf nur von<br />

erfahrenen Fachleuten<br />

durchgeführt werden!<br />

Phosphor ist leicht entzündlich.<br />

Kaliumchlorat ist sehr stark<br />

brandfördernd.<br />

L<br />

L<br />

V3 Der Zeigefinger als<br />

Anzünder<br />

• Eisentiegel<br />

• Influenzmaschine<br />

• Benzin (niedriger<br />

Siedebereich) oder<br />

Diethylether<br />

Sicherheit<br />

Benzin bzw. Diethylether sind<br />

leicht entzündliche Substanzen.<br />

L<br />

H<br />

V2 Blitzwatte &<br />

Pyroschnur<br />

• Schießbaumwolle (Blitzwatte<br />

oder Pyroschnur)<br />

Sicherheit<br />

Schießbaumwolle sollte leicht<br />

angefeuchtet aufbewahrt und erst<br />

direkt vor dem Gebrauch<br />

getrocknet werden.<br />

20<br />

H<br />

V4 Rauchende Hände<br />

• Salzsäure HCl (ca. 20 %)<br />

• Ammoniakwasser NH 4OH<br />

(ca. 20 %)<br />

• Ein Paar Gummihandschuhe<br />

• Ein Paar Woll- oder<br />

Baumwollhandschuhe<br />

Sicherheit<br />

Ammoniakwasser und Salzsäure<br />

sind ätzende Flüssigkeiten.<br />

Die Dämpfe sind aggressiv.<br />

Der Phosphorblitz<br />

<br />

In einem Wiener Zauberladen erstand ich vor einigen Jahren ein kleines<br />

Päckchen, das unter der Bezeichnung „Feuerblitz“ gehandelt wurde.<br />

Darin befand sich ein rotes Pulver (Phosphor) und ein weißes<br />

(Kaliumchlorat). Den Text des Beipackzettels [1] will ich Ihnen nicht<br />

vorenthalten:<br />

Der Feuerblitz<br />

„Lieber Freund der Zauberkunst: Lesen Sie bitte diese Anleitung sehr<br />

sorgfältig durch, und befolgen Sie genau die angegebenen Hinweise. So<br />

werden Sie viel Freude an diesem Trick haben.<br />

. Sie erhalten von uns zwei pulverförmige Chemikalien, eines von weißer,<br />

das andere von roter Farbe. Beide Pulver sind g e t r e n n t verpackt<br />

und müssen auch immer voneinander getrennt aufbewahrt werden. Denn<br />

rotes und weißes Pulver in v e r m i s c h t e r Form sind bereits durch<br />

geringen Energieaufwand (zum Beispiel Reibung) entzündlich!<br />

2. Schütten Sie auf ein Blatt Papier eine kleine Menge vom roten Pulver<br />

und etwas entfernt (!) davon eine kleine Menge vom weißen Pulver aus<br />

den jeweiligen Behältnis. Vom roten Pulver sollte die Menge höchstens<br />

die eines Stecknadelkopfes sein, vom weißen Pulver müssen Sie unbedingt<br />

die zweifache Menge verwenden.<br />

3. Drücken Sie nun Ihren Zeigefinger auf das rote Pulver und den Daumen<br />

auf das weiße Pulver. Es verbleibt eine gewisse Menge an den Fingern<br />

haften.<br />

WICHTIG: Am Zeigefinger sollte das Pulver (rot) in Punktform (Durchmesser<br />

etwa 3 mm), das weiße Pulver am Daumen sollte in einer Ausbreitung<br />

von etwa 10 mm Durchmesser haften bleiben. Die Menge am<br />

Daumen sollte unbedingt die circa doppelte Menge des roten Pulvers<br />

sein. Der Grund ist folgender: Das rote Pulver ist der „Zünder“ und darf<br />

nur in geringer Menge am Finger haften. Das weiße Pulver hingegen ist<br />

der „Sauerstoff-Lieferant“ für die Verbrennung. Ist von diesem zu wenig<br />

vorhanden. erfolgt die Verbrennung zu langsam und es würde dabei die<br />

Hitze spürbar werden!<br />

4. Drücken Sie nun Daumen und Zeigefinger fest zusammen. Es<br />

geschieht noch nichts. Verschieben Sie jedoch die beiden Finger – wie<br />

beim Schnippen – so entsteht ein Knall mit Blitz und Rauchentwicklung.<br />

5. Nach der Demonstration Hände waschen, die Chemikalien sind im<br />

geringen Maße giftig. Die Sache ist ganz einfach und wirklich ungefährlich,<br />

wenn Sie alles so ausführen, wie es in der Anleitung steht.<br />

Der Vertreiber lehnt jegliche Haftungsansprüche ab, da eventuelle Schäden<br />

ausschließlich durch falsche Handhabung geschehen können.“<br />

Falls Sie auch nach Lektüre der Anleitung noch Lust haben, den Trick<br />

vorzuführen, bitte ich, folgende Hinweise zu beherzigen:<br />

Seite -31-<br />

04 • Das Blutwunder von Neapel<br />

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Versuche<br />

Blatt<br />

02<br />

<br />

Fein verteilt brennt‘s schneller!<br />

S<br />

S<br />

~<br />

V1 Wunderkerzen<br />

Für beide Varianten<br />

• Wasserlösliche Stärke oder<br />

flüssiges Gummi Arabicum<br />

• Grobes Eisenpulver<br />

• Feines Aluminiumpulver<br />

Nur für Variante 1<br />

• Steifer Draht (Schweißdraht)<br />

• Strontiumnitrat SrNO 3<br />

Nur für Variante 2<br />

• Pfeifenreiniger<br />

• Holzkohlepulver<br />

• Kaliumnitrat KNO 3<br />

• Schwefel<br />

Sicherheit<br />

Die Wunderkerzen dürfen den<br />

Kindern leider nicht mitgegeben<br />

werden. Kaliumnitrat und<br />

Strontiumnitrat sind<br />

brandfördernd.<br />

~<br />

V2 Unausblasbare Kerzen<br />

• Kerzendocht (3 mm stark)<br />

• Wachs oder Stearin oder<br />

Paraffin (Kerzenreste)<br />

• Kaliumnitrat KNO 3<br />

• feines Magnesiumpulver<br />

Sicherheit<br />

Die Kerzen dürfen den Kindern<br />

leider nicht mitgegeben werden.<br />

Das dauerhafte Löschen erfolgt<br />

durch Eintauchen in Wasser.<br />

Kaliumnitrat ist brandfördernd.<br />

Zwei Arten „magischer“ Kerzen sind mir bekannt.<br />

Die eine Sorte hat zu Weihnachten und bei Popkonzerten Hochkonjunktur.<br />

Es handelt sich um die funkensprühenden, ökologisch wegen<br />

ihres Bariumgehaltes nicht ganz unbedenklichen Wunderkerzen.<br />

Bei Geburtstagsparties kommen oft Magic Candles zum Einsatz. Sie<br />

zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich nach dem Anzünden nicht<br />

mehr ausblasen lassen. Nur gründliches Eintauchen in Wasser kann<br />

einen Hausbrand der unerwünschten Art sicher vermeiden.<br />

Beide Artikel sind im Spielwarenhandel leicht zu bekommen. Viel reizvoller<br />

ist es, die Produkte selbst herzustellen.<br />

Für die Wunderkerzen habe ich gleich zwei Varianten zu bieten. Beide<br />

sind gleichermaßen aufwendig herzustellen.<br />

Wunderkerzen<br />

<br />

Bei beiden Mischungen stellt sich das gleiche Problem: Die Mischung<br />

ist leicht herzustellen. Sie haftet jedoch nur schlecht am Draht, solange<br />

sie noch flüssig ist. Einen gangbaren Weg bietet die Verwendung von<br />

Pfeifenreinigern. Diese bieten der anfangs dünnflüssigen Masse einen<br />

wesentlich besseren Halt als der blanke Draht.<br />

Gegenüber den käuflichen Wunderkerzen haben die selbstgemachten<br />

einen wichtigen Vorteil: Sie enthalten keine giftigen Stoffe.<br />

Rezept „Mischung “<br />

• 44 g pulverisiertes Strontiumnitrat<br />

• 12 g Stärke<br />

• 20 g grobes Eisenpulver<br />

• 4 g feines Aluminiumpulver (ideal ist „Aluminiumbronze“)<br />

Diese Stoffe werden gründlich gemischt. Dann kommt unter Rühren so<br />

viel siedendes Wasser hinzu, bis eine zähe Paste entsteht.<br />

Die eisernen Drähte (Schweißdrähte oder Pfeifenreiniger) werden zur<br />

Hälfte mit der Masse überzogen. Nun müssen die Wunderkerzen mehrere<br />

Tage trocken. Falls nicht genügend Masse haften blieb, muss<br />

nach dem Trocknen erneut Paste aufgetragen werden.<br />

Rezept „Mischung 2“<br />

• 15 g Holzkohlepulver<br />

• 50 g Kaliumnitrat<br />

• 10 g Schwefel<br />

• 20 g grobes Eisenpulver<br />

• 3 g feines Aluminiumpulver (am besten „Aluminiumbronze“)<br />

• flüssiges Gummi Arabicum<br />

Die Substanzen – außer dem Gummi Arabicum – werden gründlich<br />

gemischt. Die Mischung wird in ein Becherglas gegeben. Nun kommt<br />

so viel flüssiges Gummi Arabicum hinzu, bis eine dicke Paste entsteht.<br />

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06 • Das Blutwunder von Neapel<br />

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Versuche<br />

Blatt<br />

03<br />

<br />

Hyperfrost<br />

L<br />

L<br />

H<br />

V1 Dieselspray<br />

• Sprühflasche (genauere<br />

Angaben siehe Anleitung)<br />

• Dieselöl, Paraffinöl oder eine<br />

andere brennbare, aber schwer<br />

entflammbare Flüssigkeit<br />

• Gasbrenner<br />

• Holzspan<br />

• Abdampfschale<br />

• feuerfeste Unterlage<br />

Sicherheit<br />

Die verwendeten Sprühflaschen<br />

müssen auffallend und dauerhaft<br />

mit einem Etikett und den<br />

Symbolen „leichtentzündlich“<br />

und „mindergiftig“ beklebt sein.<br />

Wer ganz sicher gehen will, füllt<br />

die Behälter erst kurz vor der<br />

Vorführung. Danach werden sie<br />

entleert und gereinigt.<br />

Bei der Vorführung dürfen keine<br />

brennbaren Gegenstände in der<br />

Nähe sein. Die Zuschauer sollten<br />

einen Sicherheitsabstand von<br />

etwa drei Metern einhalten.<br />

30<br />

V2 Eine Mehlstaub-<br />

Explosion<br />

• große Weißblechdose mit fest<br />

verschließbarem Deckel<br />

• Trichter aus Kunststoff<br />

• durchbohrter Gummistopfen<br />

• Heißkleber<br />

• Gummischlauch<br />

• Dreifuß<br />

• Kerze<br />

• gut getrocknetes Mehl<br />

• Gasflasche mit Sauerstoff<br />

Sicherheit<br />

Schutzbrille tragen!<br />

Schutzscheibe verwenden!<br />

Der Sicherheitsabstand soll drei<br />

Meter betragen.<br />

Ein jeder weiß es: In Fetzen gerissenes Papier und feine Holzspäne<br />

lassen sich wesentlich leichter anzünden als eine kompakte Illustrierte<br />

oder ein massiver Baumstamm. Ein möglichst hoher Zerteilungsgrad<br />

des Brennstoffes ist eine wichtige Brandvoraussetzung.<br />

Bevor ich auf die beiden ausgewählten Versuche näher eingehe, will<br />

ich einige Beispiele aufzählen, bei denen ein hoher Zerteilungsgrad<br />

eine Rolle spielt.<br />

Extrem feines Eisenpulver („pyrophores Eisen“) oder Zinkstaub können<br />

sich an der Luft bei Zimmertemperatur spontan entzünden.<br />

Watte und Eisenwolle können sehr leicht angezündet werden.<br />

Beim Entfachen eines Lagerfeuers beginnt man mit sehr kleinen<br />

Holzspänen.<br />

Dochte bei Kerzen oder Öllampen haben unter anderem die Aufgabe,<br />

durch Vergrößern der Oberfläche ausreichende Mengen<br />

brennbarer Dämpfe zu erzeugen.<br />

Durch Mehlstaub-Explosionen in Mühlen und Kohlenstaub-Explosionen<br />

im Bergwerk waren schon viele Todesopfer zu beklagen.<br />

Eine optimal gesteuerte Verbrennung von Kohlenstaub findet beim<br />

Wirbelschichtverfahren statt.<br />

In Verbrennungsmotoren werden die Treibstoffe fein zerstäubt.<br />

Dieselspray<br />

<br />

Vorversuch<br />

Zeigen Sie Ihren Zuschauern: Diesel, Heizöl oder Paraffinöl können<br />

nur schwer entflammt werden.<br />

Versuchen Sie, eine kleine Menge der genannten Stoffe in einer<br />

Abdampfschale mit einem brennenden Holzspan anzuzünden. Das<br />

misslingt!<br />

Hauptversuch<br />

Es gibt viele geeignete, leere Sprayflaschen: Pumpzerstäuber für<br />

Parfüms, Nasensprays, Wasserzerstäuber für die Blumenpflege, ausgediente<br />

Behälter von Fensterreinigern. Probieren Sie verschiedene<br />

Bauformen aus, der Effekt ist sehr unterschiedlich.<br />

Die Sicherheitsvorschrift, Lebensmittelbehälter nicht für Chemikalien<br />

zu benutzen, ist sinnvoll. Stellen Sie sich vor, eine mit Dieselöl gefüllte<br />

Nasenspray-Flasche würde irrtümlich für die Nase verwendet! Einen<br />

gangbaren Weg zwischen Leichtsinn auf der einen und übertriebenen<br />

Sorgen auf der anderen Seite finden Sie in der Spalte „Sicherheit“.<br />

Füllen Sie einige Milliliter der Flüssigkeit in den Behälter. Sprühen Sie<br />

unter Beachtung der Sicherheitsregeln in eine Gasflamme.<br />

Führen Sie den Versuch in mehreren Varianten durch (unterschiedliche<br />

Winkel, Abstände und Sprayflaschen).<br />

Es entstehen fauchende Flammenstöße.<br />

Der Versuch verdeutlicht die Vorgänge in den Brennkammern von<br />

Dieselmotoren.<br />

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08 • Das Blutwunder von Neapel<br />

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Blatt<br />

036<br />

L!<br />

L<br />

Warum kühlt ein <br />

Experimente Eiswürfel? mit flüssigem Stickstoff <br />

Falls Sie eine Universität in der Nähe haben, eröffnen sich mit ein wenig<br />

Vorbereitungsaufwand reizvolle Möglichkeiten! Flüssige Luft bzw. flüssigen<br />

Stickstoff (Siedetemperatur: –195,8 °C) erhalten Si e bei Bedarf an vielen<br />

naturwissenschaftlichen Instituten. Sprechen Sie sich mit Ihren Kollegen<br />

zwecks gemeinsamer Nutzung ab, damit sich der Aufwand lohnt.<br />

Sie erhalten die flüssige Luft bzw. den flüssigen Stickstoff in einem speziellen,<br />

bequem zu transportierenden Behälter. Darin hält sich der flüssige<br />

Stickstoff unter Verlusten mindestens zwei Tage. Schütten Sie Ihre Versuchsration<br />

in ein nicht allzu hohes, weites Dewargefäß (Höhe ca. 15–20<br />

cm, Durchmesser ca. 10 cm). Die Füllhöhe sollte zwei Drittel nicht überschreiten.<br />

Und nun zu den Experimenten!<br />

Die Versuche dürfen nur Sie selbst durchführen. Sicherheitsabstand,<br />

Schutzbrille und Schutzhandschuhe sind selbstverständlich. Der jeweilige<br />

Gegenstand wird solange in die Flüssigkeit gehalten, bis diese kaum noch<br />

brodelt. Dann ist er hinreichend gekühlt!<br />

Manche Versuche funktionieren nur mit flüssiger Luft, nicht mit flüssigem<br />

Stickstoff. Das hat folgenden Grund: Luft ist bekanntlich in erster Linie ein<br />

Gemisch aus Stickstoff und Sauerstoff. Stickstoff hat einen niedrigeren<br />

Siedepunkt; bei Erwärmung flüssiger Luft verdampft er vor dem Sauerstoff.<br />

Das hat zur Folge, dass der Sauerstoffanteil in flüssiger Luft bei warmer<br />

Umgebung allmählich zunimmt.<br />

Vergessen Sie nicht den „Vorher-Nachher-Effekt“: Zeigen Sie stets vor<br />

dem Versuch, dass es sich bei den Versuchsobjekten um ganz normale<br />

Gegenstände mit ihren typischen Eigenschaften (besonders hinsichtlich<br />

der Elastizität) handelt.<br />

Kühle Getränke: Ein Tropfen flüssige Luft macht ein Glas lauwarmen Sekt<br />

so kühl, wie er sein soll. Nicht zu viel nehmen! Das Getränk erstarrt sonst<br />

zu Eis [2].<br />

Eisblock als Heizplatte: Füllen Sie in einen Teekessel etwas flüssige Luft.<br />

Diese beginnt auf Eis unter mächtiger Dampfentwicklung zu sieden [2].<br />

Eisblock als Zigarettenanzünder (flüssige Luft): In einen Eisblock wird eine<br />

kleine Vertiefung gebohrt. Hinein kommt flüssige Luft. Nun müssen Sie<br />

etwa 5 Minuten warten, bis Sie die Spitze einer heimlich angezündeten,<br />

schwach glimmenden Zigarette an das Loch halten. Falls die Sauerstoffkonzentration<br />

inzwischen hoch genug ist, wird die Zigarette entflammen<br />

[2].<br />

Feuerwerk (flüssige Luft): Eisenwolle oder eine Stahlfeder wird zum Glühen<br />

gebracht und über die Oberfläche flüssiger Luft gehalten, die sich in<br />

einem kleinen Schälchen befindet. Durch die hohe Sauerstoffkonzentration<br />

verbrennt das Eisen unter lebhaftem Funkensprühen [2].<br />

Kunstschnee (flüssige Luft): Halten Sie ein glühendes Stück Holzkohle<br />

(am besten Zeichenkohle) über eine Schale mit etwas flüssiger Luft. Die<br />

Kohle flammt hell auf. Dabei entsteht recht viel Kohlendioxid, das aufgrund<br />

der Kälte sofort zu Trockeneis erstarrt und als „weißer Schnee“ herabrieselt.<br />

Magnetischer Sauerstoff (flüssige Luft): Lassen Sie in einem Reagenzglas<br />

flüssige Luft so lange stehen, bis fast nur noch Sauerstoff übrig ist.<br />

Hängen Sie das Glas an einem Faden auf, so dass es frei schwingen<br />

kann. Ein Magnet lenkt das Pendel deutlich ab [2]!<br />

~<br />

V1 Flüssige Luft<br />

• Schutzbrille<br />

• Schutzhandschuhe<br />

• Flüssige Luft bzw. flüssiger<br />

Stickstoff<br />

• Dewargefäß<br />

• Sektkelch (Kelchglas)<br />

• Eisblock<br />

• Teekessel<br />

• Stahlfeder oder Eisenwolle<br />

• Holzkohle (Zeichenkohle)<br />

• 2 gleiche Stimmgabeln<br />

• Reagenzglas, Faden, Magnet<br />

• Gummiball, Gummischlauch<br />

• Erdgas aus Gasleitung<br />

• Kohlenstoffdioxid<br />

• Banane<br />

• Nagel<br />

• Dickes Brett aus weichem Holz<br />

• Schokokuss<br />

• Große Blüten und Blätter<br />

• Schwamm<br />

• Hammer<br />

• Luftballons oder Kondome<br />

Sicherheit<br />

Flüssige Luft: Auf keinen Fall<br />

darf flüssige Luft Körperteile<br />

berühren. Schülerversuche sind<br />

tabu! Sicherheitsabstand<br />

einhalten und Schutzbrille<br />

(ggf. auch Schutzhandschuhe)<br />

verwenden.<br />

30<br />

V2 Trockeneis<br />

• Fertiges Trockeneis oder<br />

Kohlenstoffdioxidflasche mit<br />

Trockeneiserzeuger<br />

• Leinenbeutel<br />

• Luftballons<br />

• Becherglas mit Wasser<br />

• Flüssiger Universalindikator<br />

Sicherheit<br />

Bei größeren Mengen<br />

Trockeneis gut lüften<br />

(Erstickungsgefahr durch<br />

Kohlenstoffdioxid)!<br />

Kurzfristiger Körperkontakt ist<br />

harmlos. Bei länger<br />

andauerndem Kontakt ist jedoch<br />

mit schweren Verbrennungserscheinungen<br />

zu rechnen!<br />

<br />

Versuche<br />

Seite -34-<br />

54 • Das Blutwunder von Neapel<br />

© AOL Verlag • 77839 Lichtenau • Fon (07227) 95-88-0 • Fax (07227) 95-88-95 • Nr. A270


Versuche<br />

P - W 2<br />

Warum kühlt ein Eiswürfel?<br />

Ch, Ph<br />

ab 0<br />

Energie<br />

Lösungswärme<br />

Fach<br />

Klasse<br />

Grobthema<br />

Feinthema<br />

theoret. Niveau<br />

prakt. Niveau<br />

Position des Versuches im Unterricht<br />

Das Thema „Energie“ wird an vielen Stellen naturwissenschaftlichen Unterrichtes behandelt. Das hier betrachtete<br />

Phänomen der Lösungswärme bzw. Schmelzwärme ist einerseits eine alltägliche Erscheinung,<br />

andererseits ist die schwierige Theorie nur höheren Jahrgängen und bzw. begabteren Schülern zu vermitteln.<br />

Deshalb sollte der Versuch nur von einer zuverlässigen Person oder einer kleinen Gruppe durchgeführt und<br />

referiert werden.<br />

Fachlicher Hintergrund<br />

„Warum kühlt ein Eiswürfel?“ Ich wage die Behauptung, daß diese scheinbar triviale Frage bei einer repräsentativen<br />

Meinungsumfrage verwundertes Kopfschütteln hervorriefe, allerdings auch ebenso oft die falsche<br />

Antwort: „Weil er kalt ist, natürlich!“<br />

Die niedrige Temperatur eines Eiswürfels trägt aber nur in verschwindend geringem Maße zum Kühlen eines<br />

Getränkes bei.<br />

Die Errechnung der Durchschnittstemperatur (unter Berücksichtigung der Massen) ergibt ein wesentlich<br />

höheres Ergebnis als die durch den Versuch ermittelte.<br />

Dies liegt daran, daß die Wassermoleküle im Eiskristall von starken Van-der-Waals-Kräften zusammengehalten<br />

werden, die beim Schmelzen durch hohen Energieeinsatz überwunden werden müssen. Diese<br />

Energie wird der Umgebung entzogen, so daß eine starke Abkühlung des Systems eintritt.<br />

Der Versuch<br />

Es kommt auf zuverlässiges und dennoch zügiges Arbeiten an. Die Thermoskanne mit dem Eis-Wasser-Gemisch<br />

soll nicht unnötig oft geöffnet werden.<br />

Die Meßergebnisse dürfen nur halb-quantitativ gewertet werden: Die vielen Störfaktoren (z. B. die Wärmekapazität<br />

der Thermoskanne, Ungenauigkeiten bei den Temperaturmessungen und den Wassermengen)<br />

lassen rechnerisch verwertbare Ergebnisse nicht zu.<br />

Zusätzlicher Versuch („Kristallisationswärme“)<br />

Der Gegeneffekt - das Freiwerden von Wärmeenergie beim Kristallisieren - kann am Beispiel einer Schmelze<br />

von Natriumacetat gezeigt werden.<br />

Seit einiger Zeit sind sog. „Wärmekissen“ in Apotheken und Drogerien erhältlich. In je nach Verwendungszweck<br />

unterschiedlich großen Kuststoffbeuteln befindet sich Natriumacetat, außerdem ein Blech, das ein<br />

knackendes Geräusch hören läßt, sobald es geknickt wird.<br />

Dieses Kissen muß etwa 20 Minuten in siedendem Wasser erhitzt werden. Auch nach wochenlangem Abkühlen<br />

auf Zimmertemperatur bleibt der Inhalt flüssig, obwohl Natriumacetat einen Schmelzpunkt von 58 o C hat!<br />

Wir sprechen von einer „unterkühlten Schmelze“.<br />

Durch einen Kristallisationskeim kann spontane Kristallbildung herbeigeführt werden. Das wird im Falle des<br />

„Wärmekissens“ durch Knicken des Blechstreifens und der damit verbundenen Erschütterung erreicht. Die<br />

Kunststoffhülle ist durchsichtig, deshalb kann die fortschreitende Kristallisation gut beobachtet werden.<br />

Die Temperatur steigt auf etwa 50 o C an. Die erwünschte Wärmewirkung hält je nach Größe des Kissens<br />

recht lange an.<br />

Auch dieser Versuch ist gut als anspruchsvoller „Heimversuch“ (inkl. Referat) geeignet!<br />

Seite -35-


Versuche<br />

Name:<br />

Fach:<br />

Klasse:<br />

Datum:<br />

Warum kühlt ein Eiswürfel?<br />

P - W 2<br />

Eine dumme Frage: Weil der Würfel kalt ist, natürlich!<br />

So einfach ist die Antwort nicht! Hast Du Dich noch nie gewundert, wie stark ein relativ kleiner Eiswürfel ein<br />

großes Glas Limonade kühlen kann? Oder: Warum es so lange dauert, bis ein tiefgefrorenes Hähnchen<br />

auftaut? Das ist hier unser Thema.<br />

- ein leerer Plastikbecher (etwa 250 ml)<br />

- ein Meßbecher<br />

- ein für Flüssigkeiten geeignetes Thermometer<br />

Vorbereitung<br />

Material<br />

- eine Thermoskanne<br />

- ein Kühlschrank mit Eisfach oder Tiefkühltruhe<br />

- ein Hammer und eine stabile Plastiktüte<br />

Miß mit dem Meßbecher genau 400 ml Wasser ab und gieße es in den Plastikbecher. Decke die Öffnung mit<br />

Aluminium- oder Plastikfolie ab und lasse das Wasser im Eisfach oder der Tiefkühltruhe einfrieren.<br />

Es können mehrere Stunden vergehen, bis die gesamte Flüssigkeit zu Eis geworden ist. Am besten, Du gibst<br />

ihr dafür einen Tag Zeit!<br />

Der Versuch<br />

Fülle in eine Thermosflasche genau 200 ml Wasser.<br />

Nimm den Eisblock aus dem Plastikbecher. In eine stabile Plastiktüte oder ein Tuch gehüllt kannst Du den<br />

Block mit dem Hammer in kleine Stücke schlagen.<br />

Miß und notiere nun die Temperatur des Wassers in der Thermoskanne und des zerkleinerten Eises.<br />

Temperatur des Wassers: ............... Temperatur des Eises: ...............<br />

Gib nun alles Eis in die Thermoskanne und verschließe sie.<br />

Während sich das Eis auflöst, kannst Du folgende Frage beantworten:<br />

Wie hoch wird die Temperatur des Inhaltes der Thermosflasche sein, sobald sich das Eis aufgelöst hat?<br />

Rechnung:<br />

Vermutete Temperatur:<br />

Nach etwa 30 Minuten kannst Du nachschauen, ob sich das Eis vollständig aufgelöst hat.<br />

Sobald dies der Fall ist, wird die Temperatur gemessen.<br />

Temperatur des Wassers: ...................<br />

Vermutete Temperatur: ..................... Differenz: ...................<br />

Zusatzversuch:<br />

Lasse 400 ml Wasser in einem Becher gerade so eben zu Eis frieren. Einen zweiten Becher mit der gleichen<br />

Menge Wasser läßt Du bis kurz vor dem Erstarren abkühlen.<br />

Mische nun jeweils mit 400 ml zimmerwarmem Wasser und miß die Temperatur.<br />

Die diesem überraschenden Ergebnis zugrunde liegende Theorie ist nicht einfach!<br />

Versuche, unter Verwendung von Fachliteratur das Phänomen zu erklären.<br />

Stichworte: Lösungsenergie (-wärme, -kälte), Schmelzwärme<br />

Seite -36-


Bildmaterial<br />

Adolf Menzel, Das Eisenwalzwerk<br />

Seite -37-


Bildmaterial<br />

Caspar David Friedrich, Das Eismeer<br />

Seite -38-


Bildmaterial<br />

Ludwig Kirchner, Davos im Schnee<br />

brennender Wald<br />

Seite -39-


Bildmaterial<br />

Claude Monet, Die Elster<br />

Seite -40-


Bildmaterial<br />

William Turner, Brennendes Parlament<br />

Seite -41-


Bildmaterial<br />

[Polarmeer]<br />

Seite -42-


Quellen<br />

Seiten 3-6: Bohumir Hrabal. Die Straßenbeleuchtung. Aus: Bohumil Hrabal. Schöntrauer. Suhrkamp Verlag,<br />

Frankfurt 1984.<br />

Seite 7: Elementare Gewalten. Aus: Gernot Böhme/ Hartmut Böhme. Feuer,Wasser, Erde, Luft- eine<br />

<strong>Kultur</strong>geschichte der Elemente. C.H. Beck 2004, S.269-274.<br />

Seite 7f.: Feuer und Gericht. Aus: Gernot Böhme/ Hartmut Böhme. „Feuer,Wasser, Erde, Luft- eine <strong>Kultur</strong>geschichte<br />

der Elemente“. C.H. Beck 2004, S.287.<br />

Seiten 8-11: Michael Kratz. Naturwissenschaften in der schönen Literatur. Manuskript für eine Veröffentlichung<br />

in der Zeitschrift Naturwissenschaften im Unterricht – Chemie (Heft 40, 2007).<br />

Seite 12: You‘re as cold as ice. Foreigner. http://www.sing365.com/music/lyric.nsf/Cold-As-Ice-lyrics-Foreigner/CDACD84B72C883F3482569660014064F.<br />

Seite 13f.: Peter Høeg. Fräulein Smillas Gespür für Schnee. Übersetzung: Monika Wesemann. Carl<br />

Hanser Verlag, München 1994.<br />

Seite 15: Bücherverbrennung. http://www.welt.de/multimedia/archive/00556/buecherverbrennung__556834g.<br />

jpg<br />

Seite 15: Aus: Ray Bradbury. Fahrenheit 451. Cornelsen Verlag: Berlin 1985, S. 5f.<br />

Seite 17f.: „Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug. Aus: Heinrich Hoffmann. Struwwelpetwer.<br />

http://www.kikisweb.de/poetenweb/geschichten/struwwelpeter/feuerzeug.htm<br />

Seite 16. Eduard Möricke. Der Feuerreiter. Aus: Gedichtbuch. Deutsche Gedichte für das fünfte bis zehnte<br />

Schuljahr. Hrsg. von Karl Pörnbacher. Cornelsen-Velhagen & Klasing: Berlin, 1986, S. 175f.<br />

Seite 19: Conrad Ferdinand Meyer. Die Füße im Feuer. Aus: Gedichtbuch. Deutsche Gedichte für das<br />

fünfte bis zehnte Schuljahr. Hrsg. von Karl Pörnbacher. Cornelsen-Velhagen & Klasing: Berlin, 1986,<br />

S. 194ff.<br />

Seite 21: Fire. The Crazy world of Arthur Brown. [http://homepage.ntlworld.com/gary.hart/lyricsb/brown.<br />

html]<br />

Seite 21: This wheel‘s on Fire. Julie Driscol & Brian Auger. http://www.lyricspy.com/j/Julie_Driscoll/lyrics/<br />

Wheels_On_Fire.<br />

Seite 23f.: Michael Kratz. Heiße Beutel! Hot Spots! [stark gekürzt] Michael Kratz, Winterhuder Weg 6,<br />

22085 Hamburg • Telefon und Fax 040 - 22 73 88 32 • MK-HH-@t-online.de.<br />

Seite 25-34: Aus: Das Blutwunder von Neapel. © AOL Verlag • 77839 Lichtenau • Fon (07227) 95-88-0<br />

• Fax (07227) 95-88-95 • Nr. A270.<br />

Seite 35f.: Warum kühlt ein Eiswürfel? Michael Kratz, Winterhuder Weg 6, 22085 Hamburg • Telefon und<br />

Fax 040 - 22 73 88 32 • MK-HH-@t-online.de.<br />

Anm. der Redaktion<br />

Zu allen übrigen Materialien lagen bis Redaktionsschluss leider keine Angaben zu Bezugsquelle oder Ort<br />

der Veröffentlichung vor.<br />

Seite -43-


Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Projektbüro <strong>Kultur</strong>elle Praxis und Ästhetische <strong>Bildung</strong><br />

Stuttgarter Straße 18-24<br />

60329 Frankfurt am Main<br />

Tel: 069 38989 203<br />

Fax: 069 38989 606<br />

E-Mail: m.gonszar@afl.hessen.de<br />

Internet: www.kulturmobil-hessen.de<br />

Verantwortlich: Michael Gonszar<br />

Gestaltung: Lothar Herz<br />

Stand: März 2009<br />

Hessisches<br />

Kultusministerium<br />

Amt für Lehrerbildung<br />

Projektbüro <strong>Kultur</strong>elle Praxis und ästhetische <strong>Bildung</strong><br />

Stuttgarter Straße 18-24<br />

60329 Frankfurt am Main

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