Zürcher Beiträge 54 endgültig - ETH Zürich
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und sie war erfolgreich. Die Muslime begrüssten den politischen Schutz gegen<br />
die ‚Übermacht’ der Hindus, während die Hindus in diesem Spaltversuch einen<br />
Verrat der Muslime gegen die Autonomie-Bewegung sahen. Bis in die zwanziger<br />
Jahre hinein konnte die Kongress-Partei diese wachsenden Spannungen<br />
durch die moralische und politische Autorität Mahatma Gandhis und Jawaharlal<br />
Nehrus noch zusammenhalten.<br />
4.2 Die Geburt Pakistans<br />
Dann allerdings begann die Front zu bröckeln. Nehru wollte die Risse kitten,<br />
indem er das Prinzip des Säkularismus als Eckstein der Kongress-Ideologie<br />
einführte. Aber es war eine westlich-aufklärerische Definition, die der Agnostiker<br />
dem Begriff gab: Jedes religiöse Element wird aus dem politischen Diskurs<br />
verbannt. Für die Hindu-Radikalen in der Partei war es eine Neutralisierung der<br />
religiösen Kultur durch den Westen. 1925 wurde der Rashtriya Swayamsevak<br />
Sangh – das Nationale Freiwilligenkorps, kurz „RSS“ genannt – gegründet. Der<br />
RSS ist bis heute die wichtigste radikal-hinduistische Kaderorganisation geblieben.<br />
Doch auch die Muslim-Vertreter bekämpften das Konzept, da es ihnen das<br />
Recht auf religiös-demarkierte Wahlbezirke nahm. Mohammed Ali Jinnah nutzte<br />
den Dissens, um den Kongress zu verlassen und seine eigene Muslim Liga zu<br />
gründen. Seine These: Die Minderheit ist in einem von Hindus dominierten<br />
Staat nicht sicher – die Muslime brauchen daher eine ‚Heimat’ in Form eines<br />
separaten Staats – die Idee Pakistans war geboren.<br />
Der Kongress erreichte zwar das Ziel der Unabhängigkeit des Landes, aber es<br />
war um den Preis der Einheit Indiens. 15 Die Stunde des grössten Triumphs wurde<br />
zur Stunde der Teilung und damit der Millionen von Toten und Vertriebenen.<br />
Zudem sollten beide Länder, Indien und Pakistan, diese Zäsur fortan unterschiedlich<br />
interpretieren – für Pakistan war es ein Triumph, für Indien war es<br />
eine Tragödie. Die Unterschiede zwischen Hindus und Muslimen wurden nun<br />
quasi durch politische Grenzzäune gefestigt und durch die Verfassung legitimiert.<br />
Und was noch verhängnisvoller werden sollte: nur die früheren muslimischen<br />
Mehrheitsprovinzen im Westen und Nordosten des Landes fielen an<br />
Pakistan; die Hälfte der Muslime des Subkontinents blieb in Indien, nun einer<br />
15<br />
Hassan, Mushirul. India’s Partition. Delhi 1993.<br />
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