Zürcher Beiträge 54 endgültig - ETH Zürich
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Wie kommt es, dass die Hindus in so viele gewalttätige Auseinandersetzungen<br />
verwickelt sind, wenn doch eigentlich alles dagegen spricht? Der Hinduismus<br />
ist, wie erwähnt, eine Religion, die geradezu definiert wird durch ihre Bereitschaft,<br />
die Vielfalt der religiösen Erfahrung zu akzeptieren. Während die monotheistischen<br />
„Religionen des Buchs“ – Judentum, Christentum, Islam – im<br />
anderen eine Herausforderung, wenn nicht eine Gefährdung der eigenen Überzeugung<br />
sehen, 9 ist der Hinduismus in sich schon ein Potpourri von Glaubensformen,<br />
die vom Mono- zum Polytheismus gehen, vom Deismus zum Theismus<br />
und Atheismus – und es gibt keine kirchliche Instanz, die festhält, was gilt.<br />
Gandhi hat einmal gesagt, gerade „weil ich ein strenggläubiger Hindu bin, bin<br />
ich auch ein Muslim und ein Christ.“ 10 Zudem bezeichnete der Begriff Hinduismus<br />
erst um die letzte Jahrhundertwende im Sprachgebrauch eine Religion;<br />
zuvor war es eine geographische Bezeichnung und meinte die jenseits des Indus-Stroms<br />
gewachsenen Glaubensformen. 11<br />
3 Religiöse Gewalt: Psychologische Faktoren<br />
Es gibt zwei Ansätze, mit denen die Antwort traditionell angegangen wird –<br />
einen psychologischen und einen geschichtlichen. Auch ich werde diese beiden<br />
Erklärungselemente darstellen, bevor ich sie um eine dritte Variante zu erweitern<br />
versuche.<br />
9<br />
10<br />
11<br />
Bereits Arthur Schopenhauer hatte in seinen „Parerga“ im letzten Jahrhundert behauptet, er<br />
müsse, „um der Wahrheit gerecht zu tun, hinzufügen, dass die fanatischen Greueltaten, die im<br />
Namen der Religion ausgeführt werden, nur den Anhängern monotheistischer Religionen angelastet<br />
werden können, das heisst dem Judaismus und seinen beiden Zweigen, dem Christentum<br />
und dem Islam. Nichts dergleichen kann bei den Hindus und den Buddhisten gefunden<br />
werden“ (Schwab, S. 449).<br />
Gandhi, M. K.; zit. nach A. Nandy. The Politics of Secularism and the Recovery of Religious<br />
Tolerance. In: Veena Das (Hg.). Mirrors of Violence. Delhi 1990. S. 91.<br />
Badrinath, Ch. Dharma. India and the World Order. Edinburgh 1993. S. 19 ff.<br />
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