Zürcher Beiträge 54 endgültig - ETH Zürich
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historischen Grundlagen des wichtigsten Gegensatzes, jenem zwischen Hindus<br />
und Muslimen, eingehen. Als Drittes werde ich den jüngsten Konflikt – zwischen<br />
Hindus und Christen – betrachten und aus ihm die Schlussfolgerung ableiten,<br />
dass religiöse Gewaltkonflikte auf dem Subkontinent eine konfuse,<br />
vielleicht vergebliche, aber dennoch grundsätzliche Auseinandersetzung mit der<br />
westlich inspirierten Globalkultur sind.<br />
2 Religion als zentrales Element menschlicher<br />
Identität<br />
2.1 Die individuelle und die soziale Funktion des<br />
Religiösen<br />
Religionssoziologen weisen der Religion eine zentrale Rolle zu, weil sie zwei<br />
wichtige Aspekte menschlichen Verhaltens verbindet. 3 Der eine ist die persönliche<br />
Funktion der Religion, der andere ihre soziale Rolle. Für ein Individuum<br />
beantwortet Religion die Grundfragen seiner Existenz – Leben und Tod, Gut<br />
und Böse, das Ausgesetztsein gegenüber Kräften der Natur, die Spannung zwischen<br />
Instinktnatur und dem Anspruch, diese zu transzendieren. Religion ist, so<br />
der Religionssoziologe Mark Juergensmeyer, „der Versuch, die Welt in ein<br />
kohärentes Muster von Bedeutung einzuordnen.“ 4<br />
Religiöse Rituale, Institutionen, Mythen, Glaubensformen stärken die persönliche<br />
Identität, sie ordnen das Individuum auch in eine soziale Gemeinschaft ein.<br />
Angriffe auf die Religion gefährden daher nicht nur die persönlichen Lebenskoordinaten<br />
eines Individuums, sie destabilisieren auch die Gruppe. Und dabei<br />
mobilisieren solche Angriffe Widerstand auf beiden Ebenen, um diese zentrale<br />
Orientierungsinstanz zu verteidigen – innere Verhärtung, die sich nach aussen<br />
in Gewalt umsetzen kann. Dies macht es möglich, das Paradox zwischen<br />
3<br />
4<br />
Juergensmeyer, S. 78.<br />
Ders., S. 30.<br />
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