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Zürcher Beiträge 54 endgültig - ETH Zürich

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die Widersprüche seiner Religion, die Mythen und den Ritualismus, die Offenheit,<br />

die den anderen willkommen heisst, statt ihn abzuwehren – ganz wie<br />

Sadhvi Rithambara in ihrer Rede fragte: „Sind wir schwach, weil wir tolerant<br />

sind, oder sind wir tolerant, weil wir schwach sind?“.<br />

Um den Gegner zu besiegen, müssen seine Methoden übernommen werden. 23<br />

Diese Nachahmung des Gegners beginnt beim Körpertraining am Morgen, bei<br />

dem die RSS-Mitglieder eine Uniform tragen, die sie „wie Kolonialpolizisten“<br />

aussehen lässt. 24 Und sie endet bei einem Idealbild eines Hinduismus, der seiner<br />

Mythen, seiner allzu vielen Götter entkleidet wird, dessen Sekten sich vereinen<br />

sollen und dessen Mitglieder wie die Christen und Muslime einem einfachen<br />

eindeutigen Dogma folgen sollen, statt sich in unzähligen Glaubensformen und<br />

Kasten zu verzetteln.<br />

Aber in dieser neuen Konstruktion der Religion, die mit dem Pantheon von<br />

Göttern nicht mehr zurechtkommt, ging auch ein wichtiger Bestandteil des Hinduismus<br />

verloren. Der Hinduismus sagt: Es gibt nicht eine einzige Wahrheit,<br />

sondern diese ist vielfältig – die direkte Folgerung des Prinzips, dass im Hinduismus<br />

im Grunde alles göttlich ist, aus dem wiederum der Toleranzgedanke<br />

wächst. Der Schriftsteller Gurcharan Das erzählte kürzlich, dass er in Bombay<br />

in einem Taxi sass, in dessen Frontscheibe Bildchen von Guru Nanak (dem<br />

Gründer des Sikhismus), Krishna und Jesus klebten. Der Sikh-Taxifahrer erklärte,<br />

er sei auf der Suche nach einer Darstellung von Mohammed. „Sie haben aber<br />

eine umfassende Versicherungspolice“ meinte Das belustigt. „Nein“, antwortete<br />

der Taxifahrer, „es soll mich daran erinnern, dass es nur einen Gott gibt.“<br />

Doch wodurch soll dieses Pantheon ersetzt werden? Da der Hinduismus in seinen<br />

tausend Spielarten unbrauchbar wird als Gegenpol zum einfachen und starken<br />

Gottesbild des Islam und des Christentums, stellt sich die Nation als Gottesund<br />

Religionsersatz zur Verfügung. Wenn man die Pamphlete und Flugblätter<br />

der radikalen Hindu-Gruppen anschaut, dann erscheint dort Indien nie in Gestalt<br />

eines Gottes wie Shiva oder Krishna – denn dann gäbe es ja nur Streit zwischen<br />

den Anhängern der verschiedenen Götter und ihrer Heilswege. Sie erscheint in<br />

Form einer Landkarte Gross-Indiens. Manchmal ist sie zu einer Frauengestalt<br />

stilisiert, die als „Bharat Mata“ angesprochen wird – „Mutter Indien“, genau so<br />

23<br />

24<br />

Golwalkar, M. S. Bunch of Thoughts. Bangalore 1960.<br />

Nandy, Ashis. S. 83. Nandy nennt den RSS einen „pathologischen Auswuchs des Kolonialismus“.<br />

83

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