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Zürcher Beiträge 54 endgültig - ETH Zürich

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Ich könnte hier enden, wenn es nicht eine neue, paradoxe Entwicklung zu beobachten<br />

gäbe: Im gleichen Zeitraum, in dem sich Indien wirtschaftlich der Welt<br />

zu öffnen beginnt – seit den frühen neunziger Jahren – rückt die religiös und<br />

nationalistisch inspirierte BJP ins politische Zentrum. Die Bewegung, die während<br />

Jahrzehnten, sei es im Untergrund oder in der politischen Arena, mit Gewalt<br />

oder mit Pamphleten, für ein starkes Indien in der Gestalt einer rigorosen<br />

Hindu-Kultur und gegen die Öffnung zum Ausland gekämpft hat, sitzt heute an<br />

den Hebeln der Macht und organisiert Indiens Einordnung in den Prozess der<br />

Globalisierung. Wie lässt sich dieses Paradox erklären? Und welche Wirkungen<br />

hat dies für die religiös-nationalistische Bewegung? Hat die politische Gewalt<br />

zugenommen – oder hat sich die Bewegung mit der Übernahme der Regierungsverantwortung<br />

gemässigt?<br />

5 Hindutva: Ein alternatives Gesellschaftsmodell?<br />

5.1 Die Angriffe auf Christen<br />

Die Antworten auf diese Fragen sind ebenfalls paradox. Seit etwa drei Jahren<br />

stellen nicht nur die offiziellen Statistiken, sondern auch unabhängige Beobachter<br />

einen Rückgang der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Hindus<br />

und Muslimen fest. Wie lässt sich dies erklären? Ist es das Resultat der wirtschaftlichen<br />

Öffnung, welche das Land endlich mehr an seine Prosperität denken<br />

lässt als an ideologische Unterschiede? Die BJP selber hat eine einfache<br />

Antwort bereit: Wir haben mit der Kongress-Kultur aufgeräumt, heisst es etwa<br />

in ihrem Wahlmanifest von 1998. Diese hatte die Minderheiten als Wahlvieh<br />

missbraucht, doch die BJP mit ihrem Motto ‚Justice to All – Appeasement to<br />

None’ habe zur Beruhigung in der Beziehung zwischen den Gemeinschaften<br />

geführt. Im Klartext: Die Muslime haben realisiert, dass sie eine Minderheit<br />

sind.<br />

Muslim-Führer sehen es etwas anders. Die einen meinen zwar ähnlich, ihre<br />

Glaubensbrüder hätten sich in die Selbstisolation zurückgezogen, um den nun<br />

noch bedrohlicheren Gegner nicht noch mehr zu provozieren; andere, wie der<br />

ehemalige Abgeordnete Syed Shahabuddin, sehen im Rückgang der Unruhen<br />

die beidseitige Anerkennung, dass sich mit dem Zerstörungspotential moderner<br />

Waffen so etwas wie ein Gleichgewicht des Schreckens etabliert habe. „Nach<br />

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