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Zürcher Beiträge 54 endgültig - ETH Zürich

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Die Antwort schien mit der Gründung von Bangladesch zu kommen: das damalige<br />

Ostpakistan kämpfte für seine Unabhängigkeit, weil der ethnische Faktor<br />

ein stärkeres Bindemittel war als die gemeinsame Religion des Islam. Indien<br />

unterstützte diesen Kampf, weil es sich einerseits aus dem Klammergriff Pakistans<br />

an seiner Ost- und Westgrenze lösen konnte und andererseits damit beweisen<br />

wollte, dass Religion als grundlegendes Staatsprinzip nicht tragfähig war.<br />

Ende 1971, im dritten indisch-pakistanischen Krieg innert 24 Jahren, wurde<br />

Bangladesch unabhängig.<br />

Doch die Hoffnung, dass damit eine Beruhigung eintreten würde, erfüllte sich<br />

nicht. Indien hatte sich als Geburtshelferin von Bangladesch betätigt. Der Zorn<br />

darüber und die Schmach über den Verlust von Ostpakistan sollte zu einem<br />

tragenden Element der pakistanischen Aussenpolitik werden, und das Gefühl<br />

der Unterlegenheit vor dem nun noch mächtigeren Gegner wuchs zur Obsession.<br />

Die Folge war der „low-intensity war“ in Kaschmir, der 1989 begann und<br />

erst heute, nach zehn Jahren, abzuebben beginnt. Und es folgte ein Wettrüsten,<br />

das seinen bisherigen Höhepunkt in den Nukleartests beider Staaten im letzten<br />

Jahr erreichte.<br />

4.3.5 Eine Zwischenbilanz<br />

Es wäre falsch zu behaupten, dass die ideologischen Stauwehre, die Indien vor<br />

fünfzig Jahren errichtet hatte, um einen Religionskrieg abzuwenden, versagt<br />

haben. Indien steht noch, und es ist ihm auch gelungen, eine starke demokratische<br />

Kultur zu entwickeln, welche heute das Weiterleben einer pluralistischen<br />

Gesellschaft garantiert. Trotz der Zunahme religiöser Kräfte scheint die grosse<br />

Mehrheit der Bevölkerung die Politik der religiösen Polarisierung abzulehnen.<br />

Es soll nicht vergessen werden, dass die BJP, obwohl Regierungspartei, 1998<br />

nur 25% der Stimmen auf sich vereinte – bei einer Hindu-Mehrheit von 82%.<br />

Das Verhältnis zwischen Indien und Pakistan ist immer noch stark angespannt,<br />

aber immerhin kam es seit bald 30 Jahren zu keinem offenen Krieg mehr. Und<br />

das sozialistische Denkmodell wird langsam, aber sicher begraben, mit einer<br />

Beschleunigung des wirtschaftlichen Wachstums als Folge. Dennoch: Die gewalttätigen<br />

Auseinandersetzungen – Sie erinnern sich an die Statistik der Unruhen<br />

– haben im Lauf der Jahre nicht ab-, sondern im Gegenteil stark<br />

zugenommen. Und das Phänomen der Überbevölkerung und Unterentwicklung<br />

mit seiner enormen sozialen, ökologischen und ökonomischen Spannung ist<br />

heute virulenter als vor fünfzig Jahren.<br />

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