Marcel Kolvenbach - Heinz-Kühn-Stiftung
Marcel Kolvenbach - Heinz-Kühn-Stiftung
Marcel Kolvenbach - Heinz-Kühn-Stiftung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Marcel</strong> <strong>Kolvenbach</strong><br />
Peru<br />
Ich entdecke eine Gruppe von Demonstranten, die in einem großen<br />
Gebäude verschwindet. Ich folge den Menschen und lande in einer großen<br />
Sporthalle, die sich in der Mehrzahl mit Frauen gefüllt hat. Dazu spielt<br />
eine reine Männerband. Es ist eine Gedenkveranstaltung für die Toten<br />
vor einem Jahr. Organisiert ist das Treffen von Contexto, ein Projekt für<br />
schwangere Frauen und Kinder in Potosi, der armen Minenstadt. Während<br />
ich Teresa Subieta, die Direktorin der Initiative filme, eine beeindruckende<br />
Frauenrechtlerin und Aktivistin, kommen immer mehr Kinder zu mir auf<br />
die Stufen. Sie wollen wissen, wo ich herkomme. Ich sage Deutschland und<br />
erkläre, dass das 14 Stunden mit dem Flugzeug oder drei Wochen mit dem<br />
Schiff entfernt sei und ein großer Ozean zwischen Peru und meiner Heimat<br />
liege. Dann kommt ein kleines, hübsches peruanisches Mädchen zu mir,<br />
sie heißt Roxanna. Sie fragt mich völlig unvermittelt, ob alle Menschen in<br />
Deutschland so schön seien. Wie so schön? Ob alle eine so weiße Haut hätten?<br />
Ich sage die Wahrheit: in Deutschland gibt es Menschen jeder Hautfarbe.<br />
Hell wie ich, farbig und richtig schwarz und ich lüge: es sei in meiner Heimat<br />
ganz egal, welche Hautfarbe jemand hat. Dann sage ich ihr, sie sei ein sehr<br />
hübsches Mädchen und solle stolz auf sich und ihre Leute sein. Sie dreht<br />
sich verschämt weg und glaubt mir nicht. Sie findet sich wirklich hässlich,<br />
schmutzig und minderwertig, dank 500 Jahren europäischer Indoktrination.<br />
Vielleicht kann ich sie ein bisschen davon überzeugen, dass ich es anders<br />
sehe. Jedenfalls findet sie später den Mut, mich ihrer Mutter vorzustellen<br />
und ich sage ihr, dass sie stolz auf ihre Tochter sein kann.<br />
8. KÖLN<br />
Think globally, act locally.<br />
Zurück in Deutschland entdecke ich in der „Bio-Ecke“ eines Supermarktes<br />
in Köln Bananen aus Peru. Der Koka-Bauer aus Cusco meinte: „Ökologischer<br />
Anbau, das ist unsere Zukunft. Wir können nicht mit den großen internationalen<br />
Konzernen konkurrieren, aber wir kennen unser Land, unsere Pflanzen und<br />
wir haben einen Schatz, den wir zu schätzen lernen müssen, eine reiche,<br />
oft unberührte Natur. Unsere Kultur lehrt uns, Mutter Erde als Gott zu<br />
verehren und in Frieden mit den Göttern zu leben. Tausende Jahre haben<br />
wir ohne Chemie und moderne Technik überlebt. In den Industriestaaten<br />
gibt es ein großes Interesse an natürlichen, gesunden Lebensmitteln. Was<br />
für uns normal ist, ist dort ein Luxus und die Menschen sind bereit dafür zu<br />
bezahlen. Im Einklang mit der Natur zu produzieren und im Einklang mit<br />
unseren Traditionen, das ist die Zukunft.“<br />
320