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Marcel Kolvenbach - Heinz-Kühn-Stiftung

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<strong>Marcel</strong> <strong>Kolvenbach</strong><br />

Peru<br />

es gibt Cola mit Rum, dazu Funk-Musik, Shaka Kahn und Santana auf CD,<br />

überall auf der Welt träumen die Menschen auf amerikanisch. Trotzdem<br />

oder gerade deswegen fühle ich mich irgendwie an Bukarest erinnert. Weil<br />

man in Lateinamerika wie in Osteuropa den Enkeln eines vergangenen<br />

europäischen Glanzes begegnet.<br />

Vielleicht ist Lateinamerika gescheitert, weil die Menschen nie wirklich<br />

hier angekommen sind und statt wie in den USA ihr gelobtes Land zu<br />

besingen, von Paris geträumt haben, wie es Vargas Llosa in dem Buch,<br />

das mich während der Reise begleitet, so eindrucksvoll über die feine<br />

Gesellschaft in Arequipa des 18. Jahrhunderts schildert.<br />

6.2 Zusammenleben als kulturelles Missverständnis<br />

Wenn aber das „europäische“ Lateinamerika gescheitert ist, ist es dann<br />

nicht an der Zeit, den Nachkommen der Menschen, die dieses Land vor den<br />

Spaniern bewohnten, eine Chance zu geben?<br />

Dieses Projekt beginnt gerade beim Nachbarn Bolivien. Und die politische<br />

Elite in Lima schaut mit Grauen auf den großen Nachbarn und befürchtet<br />

einen politischen Erdrutsch, wenn die indigene Bevölkerung sich ihrer<br />

politischen Macht erst einmal bewusst geworden ist.<br />

Der Weg in das benachbarte La Paz führt noch einmal über Puno, wo<br />

ich Sara Salas, eine Freundin von Angela treffe. Sara ist auch Journalistin,<br />

eigentlich. Da sie nicht vom Schreiben leben konnte, ist sie in die Firma<br />

ihres Vaters eingestiegen, die sie jetzt leitet. Geschäfte über die Grenze mit<br />

Bolivien, eine Firma, die sich um die Zollformalitäten kümmert in einer<br />

Gegend, in der der Schmuggel blüht. Der Vater war einmal Bürgermeister<br />

von Puno, ein einflussreicher Mann, der sich in das schöne Arequipa<br />

zurückgezogen hat.<br />

Sara gelingt der Drahtseilakt. Sie bewohnt das Haus der Eltern in Puno,<br />

aber ihre Köchin und Haushälterin Andrea wird nicht wie ein Küchengerät<br />

behandelt, sondern gehört zur Familie, ist eine Freundin und leistet<br />

Gesellschaft. Andrea ist eine hoch gewachsene und breite Frau, eine kräftige<br />

Aymará, wie die Leute in Bolivien und eben in diesem Teil Perus. Die vielen<br />

gemeinsamen Jahre mit Sara haben Andrea zu einer perfekten Kultur-<br />

Übersetzerin gemacht. Anders als die Menschen auf dem Land, kann sie mir<br />

ein bisschen von der Verschiedenartigkeit vermitteln, die zwischen der Welt<br />

der indigenen Bevölkerung und den Nachkommen der Eroberer steht. Und<br />

mir wird immer mehr klar, dass das scheinbar reibungslose Zusammenleben<br />

eigentlich ein Riesenmissverständnis ist.<br />

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