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Marcel Kolvenbach - Heinz-Kühn-Stiftung

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<strong>Marcel</strong> <strong>Kolvenbach</strong><br />

Peru<br />

bewacht und hinter Mauern versteckt sich die wirtschaftliche, politische<br />

und intellektuelle Elite des Landes. Dahinter öffnet sich ein Universum wie<br />

aus einer vergangenen Zeit. Dienstpersonal, großzügige Villen, liebevoll<br />

gepflegte Gärten wirken in der staubigen Wüstenstadt wie Oasen aus<br />

Tausendundeiner Nacht. Der Reichtum der „Reichen“ erscheint vielleicht<br />

umso größer, als man nach Wochen in Peru, sich an die bittere Armut<br />

gewöhnt hat, die die meisten Menschen im Lande heimsucht. Wer hätte<br />

das Recht, denen einen Vorwurf zu machen, die, weil sie gute Geschäfte<br />

machen konnten, nicht im Dreck leben? Der Reichtum wirkt auch deswegen<br />

abstoßend, weil er sich hinter Mauern verbergen muss. In Düsseldorf-<br />

Meerbusch wäre die Luxusvilla nur ein Reihenhaus, die Limousine ein<br />

durchschnittliches Familienauto.<br />

Ich treffe Angela Delgado, ihre Mutter und Tante. Der lange verstorbene<br />

Vater machte ein kleines Vermögen mit dem Import von VOLVO-Lastwagen.<br />

Sie ist Journalistin und arbeitet für das Kulturministerium. Wenn jemand die<br />

soziale Situation in Peru kritisch sieht, dann sind es sie und ihre Freundinnen.<br />

Junge Menschen, die sehr wohl wissen, dass sie zu einer Elite gehören, die<br />

historisch von der Ausbeutung der Urbevölkerung profitiert hat, daran heute<br />

aber auch nicht über Nacht alles ändern können. Angela hat einige Zeit in<br />

den USA verbracht, Europa besucht, sie könnte jederzeit das Land verlassen<br />

und sich woanders niederlassen, manchmal träumt sie auch davon, vielleicht<br />

macht sie es irgendwann.<br />

Mario Vargas Llosa stammt ebenfalls aus Arequipa und es gibt einen<br />

Stolz, der die Bürger der Stadt seit Jahrhunderten verbindet. Immer wieder<br />

gab es Versuche der Unabhängigkeit Arequipas vom Rest des Landes.<br />

Dass ihre Vorfahren aus bedeutenden italienischen, französischen und<br />

spanischen Familien stammten spürt man sofort. Im Herzen der Stadt liegt<br />

das ehemalige St. Catalinen Kloster, eines der reichsten Klöster seiner Zeit,<br />

heute ein Museum. Ausgestattet mit dem teuersten Gold und Silberschmuck,<br />

Teppichen und Möbeln, lebten hier Töchter aus gutem Hause in einer Art<br />

Luxushotel. In den zahlreichen Kriegen mit dem Umland diente das Kloster<br />

als Rückzugsbastion.<br />

Die „weiße Stadt“, erbaut unter ihrem Wahrzeichen, dem Vulkan<br />

„Misti“, wurde 2000 von der Unesco zum Weltkulturerbe ernannt und ist<br />

vielleicht die schönste Kolonialstadt Lateinamerikas. Angela erzählt mir,<br />

dass die Menschen in Arequipa von den zwanzig Jahren Terror nichts<br />

mitbekommen haben, die Führungsriege des Sendero Luminoso rekrutierte<br />

sich aus alteingesessenen Familien Arequipas. Vielleicht ist darum die Stadt<br />

verschont geblieben. Dennoch ist heute zu spüren, dass die gesellschaftlichen<br />

Spannungen nicht vor dem Weltkulturerbe Halt machen.<br />

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