Marcel Kolvenbach - Heinz-Kühn-Stiftung
Marcel Kolvenbach - Heinz-Kühn-Stiftung
Marcel Kolvenbach - Heinz-Kühn-Stiftung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Peru<br />
<strong>Marcel</strong> <strong>Kolvenbach</strong><br />
Cirilo Robles, ein Professor, der eigentlich mit seiner Familie in Puno lebte,<br />
hatte mit Geldern der Drogenmafia eine Wahl zu der fast niemand gegangen<br />
war, mit einem Minimum an Stimmen gewonnen. Von Anfang an war seine<br />
Position umstritten, weil der Professor aus Puno keinen Kontakt zur lokalen<br />
Bevölkerung hatte. Bei seinem Amtsantritt begann er eine Affäre mit einer<br />
Sekretärin, die schnell die Rolle der „First Lady“ übernahm und begann, dem<br />
Vize-Bürgermeister das Leben schwer zu machen. Der sah in der Frau an<br />
Robles Seite eine echte Gefahr für seine eigene Karriere, hatte die besseren<br />
Kontakte vor Ort und wollte sich des lästigen ersten Mannes entledigen.<br />
Er begann eine massive Kampagne, um die Stadt gegen den Bürgermeister<br />
aufzubringen. Über Nacht wurden Parolen auf die Wände geschrieben, die<br />
den Bürgermeister der Korruption bezichtigten. Dann soll er sich an die<br />
Drogenmafia gewandt haben, die dem Bürgermeister zum Sieg verholfen<br />
hatte und ihr klargemacht haben, dass Robles sein Versprechen nicht erfülle.<br />
Daraufhin organisierte die Mafia einen Putsch, der als spontane Rache des<br />
Volkes getarnt wurde, es sollen aber richtige Killer aus dem Drogenmilieu<br />
auf Robles angesetzt worden sein. Vielleicht gesellten sich ein paar brave<br />
Bürger dazu, nachdem der Vize die Kampagne gegen den Bürgermeister<br />
losgetreten hatte.<br />
In der internationalen Presse war dann später zu lesen: Nachdem der<br />
Bürgermeister Gelder für eine Straße veruntreut habe, habe das Volk sich<br />
erhoben und ihn in Selbstjustiz umgebracht.<br />
Die Behauptung, der habe Gelder aus Lima für eine geplante Straße in<br />
die eigene Tasche gesteckt war schon deswegen unhaltbar, weil die Gelder<br />
aus Lima angeblich zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht in Ilave<br />
angekommen waren.<br />
Was wahr ist an dieser Version, die mir Insider aus Puno berichteten, ist<br />
für mich nicht überprüfbar, aber sie bietet eine spannende Alternative zu<br />
der Version „Lynchjustiz“ und zeigt, dass unabhängig von Traditionen und<br />
Kulturunterschieden, am Ende die Lust an der Macht die Menschen in ihrem<br />
Handeln leitet und so fremd kommt uns das gar nicht mehr vor.<br />
Der „Indigenismo“ könnte so in ganz vielen Fällen einfach auch nur Mittel<br />
zum Zweck sein.<br />
6. Arequipa<br />
6.1 Kulturbetrieb hinter Klostermauern<br />
Ich muss warten, bis der kalbgroße Schäferhund in den Zwinger gesperrt<br />
ist und mir der Wächter das stählerne Tor geöffnet hat. Tag und Nacht<br />
311