Marcel Kolvenbach - Heinz-Kühn-Stiftung
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<strong>Marcel</strong> <strong>Kolvenbach</strong><br />
Peru<br />
Unsere erste Station ist der Ombudsmann, Anwalt Porfirio Barrenechea<br />
Cardenas, Representante del Defensor del Pueblo in Puno, der Hauptstadt<br />
des gleichnamigen „Departamento“. Vor 8 Jahren ist der „Anwalt des<br />
Volkes“ vom Staat eingerichtet worden, zunächst in Lima und im Zuge<br />
der Dezentralisierung seit zwei Jahren auch in Puno und bald in allen 24<br />
Departments. Insbesondere bei Übergriffen gegen die Indigene Bevölkerung<br />
durch Militär, Polizei oder andere staatliche Behörden soll der Ombudsmann<br />
eingreifen und den Menschen Zugang zu ihren Rechten ermöglichen, an<br />
Anwälte oder Staatsanwälte vermitteln oder das Parlament alarmieren. An<br />
der Wand hängt ein großes Plakat: „Ein transparenter Staat – die Grundlage<br />
der Demokratie“ steht darauf zu lesen, der freie Zugang zu Informationen<br />
sei Bürgerrecht. Hugo Cabieses und Elsa Malpartida wollen ihr Recht<br />
einfordern und fragen nach einer Stellungnahme des Innenministeriums zu<br />
den Vorfällen in Sán Gabán. Ja, hätte er erhalten, gibt Anwalt Harrenechea<br />
Cardenas zu, aber das sei vertraulich. Auch sonst hatte er keine neuen<br />
Informationen zu bieten. Soviel zur Transparenz.<br />
Gesprächiger ist der Vertreter des Provinzpräsidenten in Macusani, der<br />
Hauptstadt von Carabaya. Die Provinzverwaltung steht auf der Seite der<br />
Bauern, der Bürgermeister Michel F. Portier Balland, verhandelte gerade<br />
in Lima, wir sprechen mit Maximo Torres Hancco. Er ist entsetzt über<br />
die Berichterstattung in den Medien in Lima. Die Gegend würde von den<br />
„Rondas“ – einer Selbstverteidigung der Bauern überwacht und man habe<br />
seit Jahren keine Kriminalität, versichert Maximo Torres. Dass alle Bauern<br />
der Gegend in den Medien und vom Innenministerium zu Drogenterroristen<br />
erklärt würden, sei eine Verleumdungskampagne, um die Toten zu<br />
rechtfertigen. Die Behauptungen von Nils Ericson seien nicht haltbar und<br />
wir sollten uns selber ein Bild machen.<br />
Vor der Abfahrt bekommen wir ein Bild von Mauros Obduktion zu sehen.<br />
Deutlich auf den Fotos zu erkennen: der Mann wurde von hinten erschossen,<br />
auf der Flucht vor den Polizisten und dem Tränengas.<br />
Mit dem Fahrer der Bezirksverwaltung fahren wir die Strecke entlang, an<br />
der es zu den Ausschreitungen kam. Das Bild ist eindeutig: erschreckende<br />
Armut. Menschen leben in den primitivsten Hütten. Aus der Kälte der<br />
Hochebene in rund 4.000 Metern reisen wir einen Tag lang bergab, bis wir<br />
in La Oroya in rund 1.000 Metern endlich in das tropisch-feuchte Klima<br />
eintauchen, in der die Koka-Pflanzen wachsen, neben Ananas, Bananen,<br />
Kakao und Kaffee.<br />
Auf dem Weg liegt das Wasserkraftwerk von Sán Gabán, an dem es zu<br />
der Auseinandersetzung gekommen war. Kein Journalist aus Lima hat sich<br />
hierher getraut, um die Aussagen des Innenministeriums oder Nils Ericsons<br />
zu überprüfen, oder es war einfach zu weit weg von Lima. Einer der vielen<br />
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