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Marcel Kolvenbach - Heinz-Kühn-Stiftung

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<strong>Marcel</strong> <strong>Kolvenbach</strong><br />

Peru<br />

Huancavelica gab es vor ein paar Tagen Tote. Es ging um einen Grenzstein<br />

zwischen zwei Dörfern. Felix bestätigt meine Beobachtung. Die Menschen<br />

hier bringen sich wegen ein paar Metern Feld um. Das Land auf dem sie<br />

leben ist das einzige, was sie haben und das verteidigen sie bis zum letzten<br />

Blutstropfen.<br />

Noch in der Nacht werde ich von meinen neuen Freunden geweckt. Sie<br />

wollen mich zu Felix bringen, er sei auf einem „Pitzkay“, das wolle ich<br />

sicher sehen. Ich folge ihnen schlaftrunken und höre schon von weitem<br />

einen rhythmischen Lärm, der sich über das schlafende Dorf ergießt. Der<br />

Schein einer kleinen Gaslampe verrät den Ursprung. Felix begrüßt mich<br />

überschwänglich. Die Menschen lachen, tanzen und trinken. Sie haben die<br />

ganze Nacht nicht geschlafen. Ich will wissen, was die Menschen feiern?<br />

Ein Kind sei gestorben, kurz nach der Geburt. Jetzt feiern die Menschen<br />

den „pitzka“ (fünften) Tag. In der Tradition der Inkas wird die Leiche eines<br />

Menschen fünf Tage nicht begraben, am fünften Tag wird ein Abschiedsfest<br />

gefeiert und die Sachen des Menschen werden gesammelt und gewaschen.<br />

Mit dieser Totenfeier begrüßen wir den Morgen, der seine Flügel über<br />

das Dorf ausbreitet. Zwei Musiker haben sich zu den trauernden Frauen<br />

in tanzender Trance hinzugesellt und das plärrende Radio abgelöst. Eine<br />

Trommel und eine alte Geige geben den monotonen Trauermarsch vor.<br />

Dann bekommen wir Hunger. Felix stellt mich seiner Mutter vor, die das<br />

Frühstück in einer kleinen Küche, eine Art begehbarer Ofen, draußen, vor<br />

dem Haus, bereitet: getrockneter Dung und Eukalyptuszweige feuern den<br />

kleinen Steinofen an. Die kleine, fast zahnlose Frau, die nicht älter als vierzig<br />

sein dürfte, hockt wie eine Greisin, eingehüllt in Rauch vor dem schwarzen<br />

Topf, in dem eine Gemüsesuppe brutzelt. Sie lächelt und erklärt – ohne dass<br />

ich ein Wort verstehen kann – auf Quechua, was wir zum Frühstück essen<br />

werden. Es schmeckt wunderbar, wärmt und füllt den Körper mit einer<br />

eigentümlichen Kraft, die ich danach immer wieder in den Kräutertees und<br />

Suppen bemerken werde. Nahrung ist in Peru vorbeugende Medizin. Neben<br />

den Koka-Blättern gibt es Hunderte Kräuter, die den Körper gegen die Kälte<br />

und die Höhe stärken.<br />

3.4 Ein Priester als Präsident<br />

Der kleine Mann verschwindet fast hinter dem überdimensionalen<br />

Schreibtisch und wirft mir durch seine verschmitzten Augen einen prüfenden<br />

Blick zu. Er lässt mich reden, über den Grund meines Besuches und das<br />

Thema „Indigenismo als politische Kraft“. Plötzlich erhellt sich sein Gesicht<br />

und sein Körper füllt sich mit Leben. Er springt auf, um den Tisch herum, an<br />

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