26.10.2012 Aufrufe

Anmerkungen zu den rechtlichen Grundlagen der - Bkjpp

Anmerkungen zu den rechtlichen Grundlagen der - Bkjpp

Anmerkungen zu den rechtlichen Grundlagen der - Bkjpp

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Forum 3 – 2004<br />

normalen Erfahrungen des Menschen zählen (z. B. Herbert 1999, 12). Eine<br />

solche Argumentation vernachlässigt die Tatsache, dass weniger die<br />

Auslöser das Trauma und seine Bewältigung beeinflussen als das Erleben<br />

des Betroffenen. An<strong>der</strong>erseits ignoriert sie die Wirkungen „sequentieller“<br />

(Keilson 2002, 44ff) und „kumulativer“ Traumata (Khan 1963), die hinter<br />

<strong>den</strong> so genannten Anpassungs- und Persönlichkeitsstörungen erkennbar<br />

wer<strong>den</strong> (Bürgin 1999, 128, Herman 2003, 164). Yule (1994) z. B. sieht<br />

keine Anhaltspunkte dafür, dass Traumata, die durch krisenhafte Beziehungsphänomene<br />

wie Paarkonflikte, Trennungen o<strong>der</strong> fortgesetzte Unterdrückung<br />

hervorgerufen sind, sich in ihrer psychologischen Auswirkung,<br />

im Ausmaß und in <strong>der</strong> Art von Belastungsreaktionen von an<strong>der</strong>en Traumata<br />

unterschei<strong>den</strong> lassen. Judith Herman beschreibt als Konsequenzen<br />

solcher Eingren<strong>zu</strong>ngen, dass viele Missbrauchsopfer als solche unerkannt<br />

durch die Institutionen des Gesundheitswesens wan<strong>der</strong>n und nicht selten<br />

in <strong>der</strong> Psychiatrie lan<strong>den</strong>. In Fehldiagnosen sieht sie die Gefahr einer weiteren<br />

Traumatisierung von Opfern durch Fachleute (Herman 2003, 164f).<br />

Eingeengte Definitionen mögen <strong>den</strong> Bedürfnissen von Kostenträgern und<br />

<strong>der</strong>en Gutachtern entgegenkommen. Ob sie <strong>den</strong> Verstehensprozess bei<br />

Therapeuten und Klienten begünstigen, bleibt fraglich.<br />

Es entspricht auch <strong>den</strong> eigenen Beobachtungen, dass sich hinter vielen<br />

Phänomenen des Verhaltens und Erlebens, die mit <strong>den</strong> gängigen kin<strong>der</strong>psychiatrischen<br />

Diagnosen belegt wer<strong>den</strong>, traumatische Verarbeitungsprozesse<br />

verbergen, die als solche nicht <strong>zu</strong>r Kenntnis genommen wer<strong>den</strong>.<br />

So tauchen z. B. bei Durchsicht <strong>der</strong> Überweisungsdiagnosen <strong>der</strong> <strong>zu</strong> uns<br />

überwiesenen Kin<strong>der</strong> in <strong>den</strong> letzten Jahren keine einzige <strong>der</strong> in <strong>der</strong> ICD10<br />

vorgesehenen Kodierungen für Belastungsreaktionen auf. Explizit formulierte<br />

Hinweise auf eine Traumasymptomatik fehlten ebenso. Stattdessen<br />

fin<strong>den</strong> wir in ca. 90% <strong>der</strong> Fälle als Überweisungsdiagnosen ein ADS,<br />

ADHS o<strong>der</strong> HKS 4 . Offenbar tendieren die überweisen<strong>den</strong> Fachleute da<strong>zu</strong>,<br />

bei kindlichem Symptomverhalten eher an das Vorliegen von Entwicklungsbehin<strong>der</strong>ungen,<br />

organisch bedingten Erkrankungen, Persönlichkeitsmerkmalen<br />

o<strong>der</strong> an Erziehungsfehler <strong>zu</strong> glauben, als an post- traumatische<br />

Bewältigungsmechanismen. Dies steht möglicherweise auch<br />

damit im Zusammenhang, dass die ICD10 keine Spezifizierungen für Kin<strong>der</strong><br />

und Jugendliche vorsieht. Jugendliche mögen in einigen ihrer typischen<br />

Verarbeitungsmuster noch mit Erwachsenen vergleichbar sein.<br />

Kin<strong>der</strong> zeigen natürlich auch post- traumatische Reaktionen, jedoch, weil<br />

sie in Entwicklung begriffen sind, mit einer weit diskreteren Symptomatik,<br />

als sie bei Erwachsenen beschrieben wer<strong>den</strong> (s. z. B. auch Terr 1995).<br />

4<br />

Aufmerksamkeitsdefizit- Syndrom (ADS), Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitäts- Syndrom (ADHS)<br />

Hyperkinetisches Syndrom (HKS)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!