berlin-istanbul und wieder zurück - Partysan
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INTERVIEW _ AU REVOIR SIMONE<br />
INTERVIEW _ AU REVOIR SIMONE<br />
DIE LYNCHSCHE<br />
INSZENIERUNG<br />
AU REVOIR SIMONE<br />
Text <strong>und</strong> Interview: Alexander Nickel-Hopfengart<br />
Au Revoir Simone sind drei Musikerinnen aus New York.<br />
Sie wirken, als wären sie geradewegs einem David Lynch Film entsprungen.<br />
Auch bei ihrem Konzert im Münchner Atomic Cafe erzeugen sie eine sehr intime Atmosphäre.<br />
Versteckt hinter drei Keyboards <strong>und</strong> einem Drum Computer,<br />
hat man das Gefühl der perfekten Inszenierung beizuwohnen.<br />
Ob lasziv lächelnd oder extrovertiert tanzend.<br />
Von der Band geht eine ungewöhnlich starke Anziehungskraft aus.<br />
Allein durch ihre Anwesenheit tauchen sie den Saal in ein mysteriöses Licht.<br />
Als sich am Ende die Nebelschwaden verziehen,<br />
verspürt man das dringende Verlangen hinter die Kulissen zu blicken.<br />
Wer ist eigentlich Simone?<br />
Annie: Simone ist eine Kellnerin aus dem Film „Pee Wee´s Big<br />
Adventure“. Sie arbeitet in einem kleinen Straßencafe <strong>und</strong><br />
träumt davon, in Paris zu leben. Als sie schließlich Pee Wee<br />
trifft, inspiriert er sie dazu Amerika zu verlassen <strong>und</strong> ihren<br />
Traum zu leben.<br />
Klingt, als hättet ihr euch an Simone ein Beispiel genommen.<br />
Wie ist die Band entstanden?<br />
Erika: Ich denke zu einer richtigen Band sind wir geworden, als<br />
wir unsere erste öffentliche Show spielten. Mein Fre<strong>und</strong> hatte<br />
uns einen Gig als Support für seine Gruppe angeboten.<br />
Annie: Vorher sind wir immer zu Erika nach Hause gegangen,<br />
um auf ihren vielen Keyboards zu spielen. Wir haben da Stücke<br />
gecovert, von denen wir dachten, dass sie sich am Keyboard<br />
bestimmt cool anhören. Zum Beispiel „Girls! Girls! Girls!“ von<br />
Liz Phair <strong>und</strong> „Now That“ von dem Rapper Heavy D.<br />
Heavy D. ist ja, wie ihr auch, in New York aufgewachsen,<br />
aber eure Musik klingt im Gegensatz zu seiner sehr naturverb<strong>und</strong>en.<br />
Versucht ihr mit euren Stücken dem Leben in<br />
der Stadt zu entfliehen?<br />
Annie: Sehr interessante Frage. Ich kann nicht mit Sicherheit<br />
sagen, ob wir darüber nachdenken, während wir Songs schreiben.<br />
Ich genieße es nämlich sehr in der Großstadt zu leben.<br />
Seid ihr nostalgische Menschen?<br />
Annie: Ich verspüre sehr viel Nostalgie in Bezug auf Amerika,<br />
bevor es mit Fabrikanlagen, Walmarts <strong>und</strong> Einkaufszentren<br />
überschwemmt wurde. Ich denke, ich würde es lieben, in<br />
einem Land zu leben, in dem die Menschen die Architektur vergangener<br />
Zeiten zu schätzen wissen. Trotzdem genieße ich<br />
mein Leben im Hier <strong>und</strong> Jetzt.<br />
Ihr benutzt keine Computer auf der Bühne. Trotzdem klingt<br />
eure Musik sehr elektronisch…<br />
Annie: Wir spielen einfach lieber live, als zu programmieren.<br />
Und wir fühlen uns sehr wohl, hier in unserem Live-Elektronik-<br />
Instrumenten-Universum. Zusammen mit Hot Chip.<br />
Ihr habt David Lynch bei der Lesung seines Buches<br />
„Catching The Big Fish“ musikalisch unterstützt. Wie wars?<br />
Annie: Ich war ein bisschen nervös. Nicht wegen David, aber<br />
wegen den vielen Zuschauern, die uns zugeschaut haben. Die<br />
haben alle sehr genau darauf geachtet, was wir tun.<br />
Manchmal bekomme ich ein wenig Lampenfieber, wenn so<br />
viele Leute da sind.<br />
Erika: Für mich war es unglaublich inspirierend ein Teil dieser<br />
Show zu sein. David Lynch strahlt so eine w<strong>und</strong>erbare Energie<br />
aus.<br />
Heather: Das ist wahr, er glüht geradezu vor Fre<strong>und</strong>lichkeit<br />
<strong>und</strong> Gelassenheit. Aber ich war trotzdem extrem nervös, als ich<br />
neben ihm spielen musste.<br />
In dem Buch geht es um Meditation. Wie steht ihr dazu?<br />
Annie: Ich meditiere schon seit zwei Jahren.<br />
Erika: Ich auch. Ich fand es sehr interessant zu hören, wie er<br />
die Meditationsübungen in seinem hektischen Leben unterkriegt.<br />
Habt ihr einen Lieblings-Lynch-Film?<br />
Annie: Ich mag Twin Peaks. Die Serie ist so cineastisch, dass<br />
ich sie als Film werte.<br />
Erika: Blue Velvet <strong>und</strong> Mullholland Drive. Ich erinnere mich<br />
noch, dass ich völlig verwirrt das Kino verlassen habe. So, wie<br />
bei einem Traum, der dich emotional berührt, aber von dem du<br />
nichts Spezifisches mehr weißt. Ich mag Filme, die man verinnerlicht<br />
<strong>und</strong> von denen man sich herausgreifen kann, was<br />
man möchte.<br />
Lynch arbeitet manchmal mit Zeitsprüngen. Wohin würdet<br />
ihr springen, wenn ihr die Möglichkeit hättet?<br />
Annie: Ich würde in die 20er Jahre reisen <strong>und</strong> so richtig die Sau<br />
raus lassen.<br />
Erika: Ich war schon immer von den 60ern besessen.<br />
Heather: Mich würde es weit in die Zukunft ziehen. Da würde<br />
ich dann hoffentlich Aliens, fliegende Autos, Gemeinden auf<br />
dem Mond <strong>und</strong> so was in der Art vorfinden.<br />
Euer LP-Cover scheint sich auf den Look des Sofia Coppola-<br />
Films “The Virgin Suicides” zu beziehen. Da stellt sich die<br />
Frage: Seid ihr auf der Bühne eigentlich ihr selbst oder<br />
spielt ihr dort eine Rolle?<br />
Annie: Wir spielen keine Rolle. Wir sind immer wir selbst.<br />
Heather: Wir haben auch gar nicht die Zeit, ein Image für uns<br />
zu konstruieren.<br />
Auf der Bühne covert ihr „Young Turks“ von Rod Stewart.<br />
Gefällt euch diese Idee von ewiger Jugend?<br />
Annie: Ich halte es für sehr wichtig neugierig zu bleiben.<br />
Erika: Das ist wie in diesem Belle & Sebastian Song „There´s A<br />
Lot To Be Done While Your Head Is Still Young”.<br />
Heather: Ich meine, wer will nicht für immer jung <strong>und</strong> frei<br />
sein?<br />
Eure neue Platte heißt „The Bird Of Music“. Was für ein<br />
Vogel ist Au Revoir Simone?<br />
Annie: Einer, mit einer schönen Stimme, der dich an einem<br />
Sommertag im Hinterhof besuchen kommt.<br />
Erika: Nein, ein einsamer, der über einen stillen, zugefrorenen<br />
See fliegt.<br />
Heather: Ich denke, es ist ein bösartiges Monster, das gegen<br />
die Scheibe pickt, während du versuchst zu schlafen. Like the<br />
raven…<br />
Und dann ist sie plötzlich <strong>wieder</strong> da. Die „Lynchsche“<br />
Inszenierung.<br />
Vielen Dank für das Interview <strong>und</strong> auf Widersehen Simone.<br />
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