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Die Geschichte der Fröndenberger Straßennamen

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Exkurs 4<br />

Straßenbenennungen und die Heimatvertriebenen<br />

Im Folgenden geht es um <strong>Straßennamen</strong> im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Zuzugswelle <strong>der</strong> Heimatvertriebenen<br />

aus den deutschen Ostgebieten o<strong>der</strong> von Deutschstämmigen bewohnten Siedlungsgebieten<br />

in Polen, <strong>der</strong> Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Jugoslawien und an<strong>der</strong>en<br />

Gebieten, die massiv ab Frühjahr 1946 im Kreisgebiet Unna einsetzte, nachdem zunächst <strong>der</strong><br />

Ruhrkohlenbezirk und direkt angrenzende Regionen für Zuzüge jeglicher Art gesperrt worden<br />

waren.<br />

Nach unterschiedlich hoch ausgefallenen Schätzungen und Berechnungen wurden zwischen<br />

10 und 15 Mio. Menschen aus ihren angestammten Wohngebieten zwischen Ende 1944 und<br />

Ende 1949 vertrieben, von denen etwa 2,5 Mio. während <strong>der</strong> Flucht starben, ermordet<br />

wurden o<strong>der</strong> bereits an ihren angestammten Wohnsitzen ermordet o<strong>der</strong> von dort in die<br />

UDSSR verschleppt wurden. Während etwa ¼ <strong>der</strong> Heimatvertriebenen in Mitteldeutschland<br />

untergebracht wurde, gelangten ¾ in die britische und amerikanische Besatzungszone, später<br />

auch in die französische Zone. 1<br />

Manche Transporte kamen direkt nach Westfalen, an<strong>der</strong>e Personengruppen hatten vorher in<br />

Bayern, Nie<strong>der</strong>sachsen und beson<strong>der</strong>s in Schleswig-Holstein Aufnahme gefunden, wurden<br />

aber „weitergeleitet“, da die genannten Aufnahmeräume bereits hoffnungslos durch Flüchtlinge<br />

übervölkert waren und die Versorgung <strong>der</strong> Heimatvertriebenen wie auch <strong>der</strong>en dauerhafte<br />

Integrierung, Bereitstellung von Arbeitsplätzen etc. nicht zu bewältigen war. 2<br />

Zwischen 1950 und 1961 flüchtete mindestens ein Drittel <strong>der</strong> auf dem Gebiet <strong>der</strong> DDR zunächst<br />

untergekommnene Heimatvertriebenen weiter in Richtung Bundesrepublik o<strong>der</strong> West-<br />

Berlin. 3<br />

Bereits ab 1947 sind im Kreisgebiet Unna Straßenbenennungen mit diesem Bezugsrahmen<br />

nachweisbar. 4 Dokumentiert werden sollte damit die Verbundenheit <strong>der</strong> Städte mit ihren<br />

Neubürgern und ihrem Schicksal, dienten aber auch <strong>der</strong> manifestierten Erinnerung zur Aufrechterhaltung<br />

des Anspruchs auf Rückkehr und im Kalten Krieg als bleibende Erinnerung an<br />

die völkerrechtswidrige Vertreibung aus den seit 1945/46 kommunistisch regierten Län<strong>der</strong>n<br />

Osteuropas.<br />

Auch die einheimische Bevölkerung sollte durch diese <strong>Straßennamen</strong> an die Herkunft <strong>der</strong><br />

neuen Mitbürger dauerhaft erinnert werden, wie auch in <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung <strong>der</strong> Gedanke<br />

an eine Wie<strong>der</strong>vereinigung in den Grenzen von 1937 und ein „gesamtdeutsches Denken“<br />

wachgehalten werden sollte, was sich jedoch mit den Jahren durch die gewachsenen<br />

Realitäten und <strong>der</strong> europäischen Nachkriegsordnung zunehmend als illusorisch und<br />

wirklichkeitsfremd erwies.<br />

1 Erst relativ spät, im Frühjahr 1948, begann auch <strong>der</strong> Zuzug von Heimatvertriebenen in die französische<br />

Besatzungszone, die sich bis dahin unter manchen Vorwänden aber auch wegen massiver<br />

Versorgungsprobleme in den ihnen zugewiesenen südwestdeutschen Regionen strikt geweigert hatte,<br />

Flüchtlinge aufzunehmen. In die späteren Bundeslän<strong>der</strong> Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wurden<br />

mehrheitlich aus Ungarn, Jugoslawien und den südlichen sudetendeutschen Siedlungsgebieten stammende<br />

Personen eingewiesen, die oft bereits aus ihrer Heimat ausgewiesen, in österreichischen Übergangslagern<br />

untergebracht worden waren. In den fünfziger Jahren wan<strong>der</strong>ten aber auch in geringer Zahl Pommern, Schlesier<br />

und Ostpreußen zu, die zuvor in Nordwestdeutschland Aufnahme gefunden hatten.<br />

2 Beson<strong>der</strong>s gravierend im landwirtschaftlich strukturierten Schleswig-Holstein, wo beson<strong>der</strong>s viele Vertriebene<br />

durch die Schiffsevakuierungen <strong>der</strong> letzten Kriegsmonate aus dem Memelgebiet, aus Ostpreußen und Pommern<br />

gelandet waren.<br />

3 Wobei es hier oft schwierig ist zu differenzieren zwischen den zwangsweise Ausgesiedelten und Vertriebenen<br />

und den mehr o<strong>der</strong> weniger freiwillig aus <strong>der</strong> Sowjetzone geflüchteten Menschen, die aus eigenem Willen<br />

wegen vermeintlicher o<strong>der</strong> echter politischer Verfolgung und/o<strong>der</strong> wirtschaftlichen Gründen flüchteten.<br />

4 Breslau und Danzig, I. Kant und G. Hauptmann traten an die Stelle von York und Roon, des König und des<br />

Kronprinzen. Quelle: Amtliche Bekanntmachungen <strong>der</strong> Militärregierung vom 18.1.1947

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