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Die Geschichte der Fröndenberger Straßennamen

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Dazu jeweils ein Zitat aus seinen Werken, zunächst zum Antijudaismus:<br />

„Luther hat das Wesen <strong>der</strong> Juden tief und ernst erkannt“. Mit diesen Worten kommentiert<br />

Hengstenberg Luthers Postulat gegenüber den Juden, die sich „verstockt“ und immun gegenüber<br />

dem Übertritt zum Protestantismus zeigten. Weiter heißt es:<br />

„Man verbrenne ihre Hütten und Synagogen und treibe sie unbarmherzig zur Arbeit an“ 4<br />

Zur Allgemeinbildung auf dem Lande äußert sich Hengstenberg wie folgt:<br />

„Ein Landschullehrer braucht nicht beson<strong>der</strong>s gelehrt zu sein; ja eine gewisse Unwissenheit<br />

und Selbstbescheidenheit wird ihm prächtig zustatten kommen“ 5 und weiter:<br />

„Landschullehrer in unseren Tagen sind nichts als unchristliche Buben und Mietlinge“ o<strong>der</strong><br />

„wie viel Gottesfurcht, Pietät gegen König, Beugung unter Autorität möchte heutzutage in<br />

den unteren Schichten <strong>der</strong> Bevölkerung vorgefunden werden, wenn sie nicht lesen könnten“ 6<br />

Waren diese Äußerungen im „Jahr Sieben“ <strong>der</strong> Weimarer Republik dem Gemein<strong>der</strong>at bekannt,<br />

<strong>der</strong> nur wenig später unter Ausnutzung letzter finanzieller Rücklagen <strong>der</strong> Gemeinde<br />

den Bau <strong>der</strong> katholische Volksschule (Overbergschule) beschloss?<br />

Es darf nicht verkannt werden, dass die „Evangelische Volksliste“ in Fröndenberg die stärkste<br />

Fraktion vor <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> Zentrumspartei im Gemein<strong>der</strong>at dieser Jahre war und in ihrer<br />

Grundausrichtung <strong>der</strong> Monarchie ebenso verhaftet gebliebe war, wie einem kleinbürgerlichen<br />

Antisemitismus, <strong>der</strong> in breiten Kreisen „zum guten Ton gehörte“.<br />

Ohne den militanten Antijudaismus Hengstenbergs zu verharmlosen, muss vermutet werden,<br />

dass die Straßenbenennung auf Grund des Stolzes erfolgte, einen Professor als gebürtigen<br />

<strong>Fröndenberger</strong> als Sohn <strong>der</strong> Gemeinde ehren zu dürfen.<br />

<strong>Die</strong> Vermutung liegt sehr nahe, dass inhaltliche Aussagen in Hengstenbergs Werken zumindest<br />

nicht auf ihre Übereinstimmung mit den Werten <strong>der</strong> Weimarer Verfassung hin überprüft<br />

wurden, so sie (die Schriften Hengstenbergs) denn inhaltlich den Entscheidungsträgern, über<br />

ihre bloße Existenz hinaus, überhaupt inhaltlich bekannt gewesen sind.<br />

Für eine Landgemeinde, die stets Wert darauf legte, Schulmittelpunkt des Amtes zu sein und<br />

großen Wert auf eine qualitative Besetzung <strong>der</strong> Lehrerstellen legte (aus dem jeweiligen<br />

Kontext <strong>der</strong> Zeit heraus, wie Qualität definiert wurde), war die Benennung nach Ernst<br />

Wilhelm Hengstenberg jedenfalls ein Fehlgriff, wenn die Problematik denn überhaupt erkannt<br />

worden wäre!<br />

1945 jedenfalls, nachdem <strong>der</strong> seinerzeit salonfähige Antisemitismus in den zurückliegenden<br />

12 Jahren zum Holocaust mutiert war, wurde die Problematik <strong>der</strong> Straßenbenennung nach<br />

dem antijudaistischen Professors vom Gemein<strong>der</strong>at nicht erkannt, denn <strong>der</strong> seit 1926<br />

bestehende Straßenname stand nicht auf <strong>der</strong> Liste <strong>der</strong> umzubenennenden Straßen, die dieser<br />

zumindest von alten Kämpfern und bekennenden wie tätigen Nationalsozialisten gesäuberte<br />

Gemein<strong>der</strong>at im Juli 1945 beriet. Geän<strong>der</strong>t wurden nur die ganz offensichtlich nach Nazi-<br />

4 Zitiert nach: Ernst Wilhelm Hengstenberg, <strong>Die</strong> Opfer <strong>der</strong> heiligen Schrift - <strong>Die</strong> Juden und die christliche<br />

Kirche, Berlin 1859<br />

5 Noch Hengstenbergs Vater, <strong>der</strong> reformierte Pfarrer in Fröndenberg, versuchte im Jahr 1805 einen karitativen<br />

Fonds zur Verbesserung <strong>der</strong> Lehrergehälter einzurichten, denn „schwerlich wird sich nach dem Absterben <strong>der</strong><br />

gegenwärtigen Lehrperson ein Mann von Kenntnissen und pädagogischen Fähigkeiten entschließen, diese<br />

ärmliche Stelle anzunehmen“, zitiert nach Klaus Basner, <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Schulen im Raum Fröndenberg,<br />

Fröndenberg1991, Beiträge zur Ortsgeschichte, Band 7, Seite 154<br />

6 Zitiert nach: Wilhelm Schulte, Westfälische Köpfe, 300 Lebensbil<strong>der</strong> bedeuten<strong>der</strong> Westfalen, Münster 1963,<br />

2.A. 1977, S.111ff. Der eher konservative Wilhelm Schulte widmet Hengstenberg einen Artikel in seinen<br />

Buch, lässt aber keinen Zweifel an <strong>der</strong> Umstrittenheit <strong>der</strong> Person Hengstenberg und vermutet sicher nicht zu<br />

Unrecht „Demokraten und Sozialisten wurden somit dem Christentum entfremdet“

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