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Die Geschichte der Fröndenberger Straßennamen

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Exkurs I<br />

Hintergründe <strong>der</strong> Benennung <strong>der</strong> „Hengstenbergstraße“ und <strong>der</strong>en<br />

gesellschaftspolitische Auswirkung bis in die Gegenwart<br />

Mit dem Gemein<strong>der</strong>atsbeschluss <strong>der</strong> Gemeinde Fröndenberg vom 10.8.1926, eine Neubaustraße<br />

nach dem in Fröndenberg geborenen Theologen Ernst Wilhelm Hengstenberg im<br />

Wohngebiet Fröndenberg-Ost/Westick zu benennen, betrat <strong>der</strong> Gemein<strong>der</strong>at Neuland. 1<br />

Zum ersten Mal wurde eine Straße nicht nur nach einer in Fröndenberg geborenen Person,<br />

son<strong>der</strong>n nach einer Person <strong>der</strong> deutschen Geistesgeschichte benannt.<br />

Lei<strong>der</strong> hat sich außer dem üblichen Ergebnisprotokoll <strong>der</strong> Gemein<strong>der</strong>atssitzung kein weiterer<br />

Schriftverkehr o<strong>der</strong> sonstiges Material in den Gemeindeakten darüber erhalten.<br />

In einen Artikel im „Hellweger Anzeiger“ vom 18.8.1926 heißt es zum Thema <strong>der</strong> neuen<br />

<strong>Straßennamen</strong> 2 u.a.<br />

„Bekanntlich wurden in <strong>der</strong> letzten Gemein<strong>der</strong>atssitzung neue <strong>Straßennamen</strong> beschlossen. Es<br />

dürfte wohl Jeden interessieren, die Erklärung hierfür zu erhalten (...)die Hengstenbergstraße<br />

hat ihren Namen erhalten zum Gedächtnis an den in Fröndenberg im früheren Abteigebäude<br />

(jetzigen Bernsteinschen Hause) am 20. Oktober 1802 als Sohn des Pfarrers Hengstenberg geborenen<br />

und am 28. Mai 1869 in Berlin gestorbenen Professors <strong>der</strong> Theologie Ernst Wilhelm<br />

Hengstenberg. Derselbe war Begrün<strong>der</strong> und Leiter <strong>der</strong> evangelischen Kirchenzeitung und<br />

Verfasser mehrerer bedeuten<strong>der</strong> Werke wie „Christologie des Alten Testamentes“, „<strong>Die</strong><br />

Freimaurerei und das evangelische Pfarramt“, „<strong>Die</strong> Juden und die christliche Kirche“ usw.“<br />

Soweit die wörtliche Wie<strong>der</strong>gabe aus <strong>der</strong> Tagespresse, wobei <strong>der</strong>en Informationen zu<br />

Hengstenbergs Leben und zu seinen Werken mit hoher Wahrscheinlichkeit dem gerade vor<br />

einem Jahr (1925) erschienenen „<strong>Fröndenberger</strong> Heimatbuch“ von Fritz Klute 3 entnommen<br />

wurden, <strong>der</strong> gleich 15 Werke des Theologen nennt.<br />

Warum die Tagespresse gerade diese drei Werke über Christologie, Juden und Freimaurer<br />

erwähnte, kann aus heutiger Sicht nur dahingehend vermutet werden, dass es schon immer die<br />

exotischen Titel und Themen waren, die zu je<strong>der</strong> Zeit jeden Zeitungsleser ansprechen und die<br />

Beschäftigung mit Freimaurern und Juden, skeptisch beobachteten Randgruppen über die man<br />

mehr redete als wusste, erschienen dem Redakteur wohl deshalb beson<strong>der</strong>s erwähnenswert.<br />

Nicht nachzuweisen ist, ob <strong>der</strong> Gemein<strong>der</strong>at von sich aus die Benennung vornahm, o<strong>der</strong> ob<br />

ein entsprechen<strong>der</strong> Antrag <strong>der</strong> Gemein<strong>der</strong>atsfraktion <strong>der</strong> „Evangelischen Volksliste“ o<strong>der</strong><br />

auch einer an<strong>der</strong>en im Gemein<strong>der</strong>at vertretenen Partei vorlag o<strong>der</strong> eventuell ein Schreiben <strong>der</strong><br />

evangelischen Kirchengemeinde als Empfehlung o<strong>der</strong> Bitte um Benennung vorlag.<br />

Hengstenberg war ein bereits zu Lebzeiten umstrittener und streitbarer Theologe, dessen<br />

Werke zwei entscheidende Kernthemen enthalten. Zum ersten einen militanten Antijudaismus<br />

im Sinne des Spätwerkes von Martin Luther und zum zweiten ein vehementes Eintreten<br />

für die preußische Einheit von Thron und Altar, Gottesgnadentum des Königs und Kampf<br />

gegen die Volksbildung beson<strong>der</strong>s auf dem Lande. Themen also, die eigentlich im Jahr 1925<br />

in einem demokratischen Staat nicht unbedingt auf <strong>der</strong> Agenda standen, o<strong>der</strong> doch?<br />

1 Siehe dazu Kopie aus dem Gemein<strong>der</strong>atsprotokoll vom 10.8.1926 im Anhang 1 lfd. Nr.7<br />

2 Auf <strong>der</strong> gleichen Ratssitzung wurden auch die Straßen „Zum Münzenfund“, „Auf den Beisen“, „Zwischen den<br />

Wegen“ und „Fischerssiepen“ benannt.<br />

3 Fritz Klute, Fröndenberg einst und jetzt, Fröndenberg 1925 (unverän<strong>der</strong>ter Nachdruck Fröndenberg 1981),<br />

Seite 198 im Zusammenhang mit noch bestehenden Bauwerken aus stiftisch-klösterlicher Zeit. Hengstenberg<br />

wurde in einem ehemaligen Abteigebäude geboren, das vom preussischen Domänenfiskus dem reformierten<br />

Pastor als Wohnung zugewiesen worden war. 1827 kaufte <strong>der</strong> jüdische Bürger Kusel Bernstein dieses heute<br />

älteste erhaltene Profangebäude <strong>der</strong> Stadt, das aus dem Jahr 1607 stammt.

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