Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
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nin-Orden an <strong>der</strong> Seite Stalins. 1 Mit teuflischer Heuchelei habe sich Hitler immer<br />
wie<strong>der</strong> als Retter <strong>der</strong> westlichen Welt hingestellt 2 , und fast entsteht beim Leser <strong>der</strong><br />
Eindruck, Maritain - wie viele an<strong>der</strong>e Franzosen auch - habe ihm hierin vertraut.<br />
Maritain setzt schließlich die „Diktatur <strong>der</strong> Klasse“ und den „Mythos <strong>der</strong> Rasse“<br />
gleich; von beiden gehe „die gleiche mör<strong>der</strong>ische Kraft“ aus. 3 Ihnen setzt er die Kraft<br />
des Evangeliums entgegen. <strong>Die</strong> Rettung sieht er aber auch, ähnlich wie Sidobre,<br />
Christianus und in gewissem Sinne auch Vignaux, im Entschluß Englands und<br />
Frankreichs zum Krieg. 4 Der findet seine volle Anerkennung. Er sei politisch notwendig<br />
und zeuge von <strong>der</strong> moralischen Größe und Seelenstärke <strong>der</strong> beiden Völker.<br />
Seine Landsleute sieht er in verklärtem Licht: Sie würden ohne Haß, leidenschaftslos<br />
und mit ruhigem Mut den Kriegseintritt akzeptieren. 5 <strong>Die</strong> Franzosen brächten jetzt<br />
Opfer, aber am Ende würden Heil und Auferstehung winken. Aus <strong>der</strong> Kraft seines<br />
Glaubens nimmt Maritain die Überzeugung, daß Hitler nicht triumphieren wird. 6<br />
„Siegen“ heißt das oberste Kriegsziel für den weltlichen Leitartikler Civis. 7 Und:<br />
„Sicherheit“ und „dauerhafter Frieden“. 8 Der Anlaß für das Nachdenken über den<br />
Frieden wird zwar nicht genannt, aber die Annahme liegt nahe, daß es die Friedensvorschläge<br />
sind, die Ribbentrop und Molotow am 28. September 1939, dem Tag, an<br />
dem <strong>der</strong> Warschauer Wi<strong>der</strong>stand zusammenbricht, in Moskau ausarbeiten. 9 Frieden<br />
will Civis auch, aber keinen Vertrag, <strong>der</strong> nicht „Ergebnis eines Sieges“ o<strong>der</strong> „aus<br />
dem Geist des Friedens erwachsen“ ist. 10<br />
Seine For<strong>der</strong>ungen nach Sicherheit und Frieden haben durchaus einen aggressiven<br />
Tenor. Er spricht vom Krieg als gerecht, weil nur er die Wie<strong>der</strong>gutmachung des begangenen<br />
Unrechts bringen kann. 11 Hier tut sich ein Zwiespalt auf zwischen dem<br />
Beharren auf Gerechtigkeit und <strong>der</strong> Verpflichtung zur Nächstenliebe.<br />
In ihrem Wunsch, Deutschland zu bekämpfen und unschädlich zu machen, stimmt<br />
<strong>Vie</strong> int. mit <strong>der</strong> öffentlichen Meinung - soweit sie patriotisch ist – überein. 12 Aber in<br />
<strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Mittel würde sie eine härtere Gangart einschlagen, als es die Regierung<br />
tut. In vorsichtiger Wortwahl übt sie wie<strong>der</strong> Kritik an <strong>der</strong> Regierungspolitik. 13 <strong>Die</strong>se<br />
nämlich ist gekennzeichnet von einer Defensiv-Konzeption Deutschland gegenüber. 14<br />
Man ging aus von <strong>der</strong> irrigen Annahme, Deutschland sei militärisch um ein <strong>Vie</strong>lfaches<br />
überlegen, und wollte nicht unnötig das Leben <strong>der</strong> Soldaten aufs Spiel setzen.<br />
1 <strong>Vie</strong> int., a.a.O., 68<br />
2 a.a.O., S. 68, 69<br />
3 a.a.O., S. 69<br />
4 a.a.O.<br />
5 a.a.O., S. 70<br />
6 a.a.O., S. 71<br />
7 <strong>Vie</strong> int., 25.10.1939, S. 52<br />
8 a.a.O.<br />
9 Gebhardt, a.a.O., S. 253<br />
10 <strong>Vie</strong> int., a.a.O., S. 52, 53<br />
11 <strong>Vie</strong> Int., a.a.O., S. 53<br />
12 Bloch, a.a.O., S. 513<br />
13 <strong>Vie</strong> int., a.a.O., S. 53<br />
14 Bloch, a.a.O.<br />
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