Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
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Deutschland gegenüber angebracht sind. 1 Eine „menschliche Lösung“ für „menschliche<br />
Konflikte“ ist <strong>der</strong> Zeitschrift so wichtig, daß sie einen Aufruf lanciert zur „kollektiven<br />
Absage an einen bewaffneten Frieden“. 2<br />
Neben diesen pazifistischen Äußerungen werden in <strong>Vie</strong> int. aber immerhin noch bis<br />
Anfang 1935 Stimmen laut, die an Hitlers Machterhalt zweifeln. Sie stehen im Gegensatz<br />
zu Hörling und Kimmel, die den französischen Zweifel mit dem Januar 1933<br />
für nicht mehr begründet erklären. 3<br />
<strong>Die</strong> Volksabstimmung an <strong>der</strong> Saar im Januar 1935 ist für <strong>Vie</strong> int. ein Scheidepunkt in<br />
den deutsch-französischen Beziehungen. Deshalb vermittelt sie ihren Lesern zahlreiche<br />
und erstaunlich detaillierte Sachinformationen über die Geographie und Geschichte<br />
des Saargebietes, über den Versailler Vertrag, insoweit er den völkerrechtlichen<br />
Status und die zu organisierende Abstimmung betrifft, und sie zeigt die wirtschaftlichen<br />
Konsequenzen für Deutschland und Frankreich im Falle <strong>der</strong> einen o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Entscheidung. 4<br />
Wie wichtig <strong>der</strong> Zeitschrift die Saarfrage ist, kann man auch daran ermessen, daß sie<br />
ihr zwei Leitartikel widmet. 5 Sie erscheinen bezeichnen<strong>der</strong>weise erst nach Bekanntgabe<br />
des Abstimmungsergebnisses. <strong>Die</strong>se wie alle an<strong>der</strong>en im Oktober 1932 eingeführten<br />
Leitartikel sind mit „Billet de Civis“ überschrieben, wenn sie einen weltlichen<br />
Inhalt behandeln, und, wenn sie ein religiöses Thema haben, mit „Christianus“.<br />
Immer sind sie pseudonym, geben aber so konkret wie keine an<strong>der</strong>e Stellungnahme<br />
die Meinung <strong>der</strong> Zeitungsredaktion wie<strong>der</strong>. Das ist dann die Richtlinie, an <strong>der</strong> ihre<br />
Haltung zu den jeweiligen Themen <strong>der</strong> Zeit abgelesen werden kann, von <strong>der</strong> die<br />
weiteren Kommentare aber durchaus abweichen mögen, solange <strong>der</strong> Grundkonsens<br />
gewahrt bleibt.<br />
In <strong>der</strong> Berichterstattung über die Wahlvorbereitung werden Zweifel laut, ob es Hitler<br />
mit <strong>der</strong> von ihm proklamierten reibungslosen Zusammenarbeit zwischen Deutschland<br />
und Frankreich auch dann noch ernst meinen wird, wenn das Saargebiet erst wie<strong>der</strong><br />
dem Deutschen Reich angeglie<strong>der</strong>t ist - dazu rüste Deutschland nämlich viel zu stark<br />
auf. 6 Das beunruhigt die Franzosen und läßt sie nicht an den Frieden glauben.<br />
Darüber hinaus vermutet <strong>Vie</strong> int., daß sich Deutschland des Abstimmungsergebnisses<br />
nicht sicher sei. Es gebe im Saargebiet das große Stimmenpotential <strong>der</strong> Katholiken,<br />
aber auch <strong>der</strong> Sozialisten und Kommunisten 7 , die für eine Nie<strong>der</strong>lage Hitlers sorgen<br />
könnten. Deshalb versuchen die Nationalsozialisten mit Intrigen und hohem Propagandaaufwand<br />
die Wähler zu beeinflussen. 8 Im Vergleich dazu bezeichnet <strong>Vie</strong> int.<br />
1 <strong>Vie</strong> int., a.a.O.<br />
2 a.a.O., S. 52<br />
3 vgl. Hörling, a.a.O., 1975, 3, S. 614-615 und Kimmel, a.a.O., S. 132, 133, 141<br />
4 <strong>Vie</strong> int., 25.12.1934, S. 437-457<br />
5 <strong>Vie</strong> int., 25.1.1935, S. 234-236 und 12.2.1935, S. 418-420<br />
6 <strong>Vie</strong> int., 10.9.1934, S. 461 und 25.11.1934, S. 79<br />
7 a.a.O., S. 78 und 25.11.1934, S. 463<br />
8 <strong>Vie</strong> int., 10.9.1934, S. 462<br />
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