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Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...

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In <strong>der</strong> richtigen Einschätzung <strong>der</strong> Bedrohung durch Hitler sind sich fast alle Kommentatoren<br />

einig. Im gesamten Beobachtungszeitraum wird sie nicht verharmlost.<br />

Wenn auch die meisten Franzosen die Gefahr nicht wahrhaben wollen 1 und die allerwenigsten<br />

unter ihnen Mein Kampf gelesen haben 2 , so können sich zumindest die<br />

an Deutschland interessierten <strong>Vie</strong> int.-Leser <strong>der</strong> Bedrohung bewußt sein, denn die<br />

Korrespondenten informieren faktisch richtig und ausführlich.<br />

D’Harcourt ist verstimmt, weil sich Polen von Frankreich abgewendet und am 26.<br />

Januar 1934 einen Nichtangriffspakt mit Deutschland abgeschlossen hat. Ziemlich<br />

pikiert erinnert er Polen an eine Erklärung Hitlers vom 20. Mai 1931, in <strong>der</strong> dieser<br />

sein Mißtrauen internationalen Bündnissen gegenüber bekundet hatte. 3<br />

Einer <strong>der</strong> wenigen Journalisten von <strong>Vie</strong> int., die die Gefahr, die von Hitler ausgeht,<br />

total verkennen, ist Alexandre de Montabert. 4 Er meldet sich ab April 1933 mit vier<br />

ausführlichen Deutschlandberichten zu Wort. Er beschreibt Hitlers innen- und außenpolitische<br />

Aktionen ironisch und herablassend. Hitler wird als armer Tropf hingestellt,<br />

<strong>der</strong> nur Mißerfolge einheimst. De Montabert will aufzeigen, wie unsicher sich<br />

Hitler im Gebrauch <strong>der</strong> ihm zur Verfügung stehenden Machtmittel ist. Es sei in <strong>der</strong><br />

mo<strong>der</strong>nen Geschichte ohne Beispiel, daß sich <strong>der</strong> „Chef eines zivilisierten Landes“<br />

nur mit Hilfe eines „Handstreichs“, und damit ist <strong>der</strong> „Röhm-Putsch“ gemeint, an <strong>der</strong><br />

Macht hält. 5 De Montabert hält die Deutschen für unfähig und für ein Volk von Unzufriedenen,<br />

weil sie einen „Anstreicher“ gerufen haben, um die Regierungsgeschäfte<br />

zu leiten. 6 Er ist davon überzeugt, daß die Hitler-Ära eigentlich schon beendet ist. 7<br />

<strong>Die</strong>se Einstellung ist auf gar keinen Fall die <strong>der</strong> politischen rechten Mitte, <strong>der</strong> man<br />

die bisherigen Beiträge zuordnen konnte. Sprecher <strong>der</strong> rechten Mitte vertreten nämlich<br />

mehr als die <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Parteien die Auffassung, daß sich Hitler länger als die<br />

vorherigen Regierungschefs an <strong>der</strong> Macht halten wird. 8 Mit De Montabert teilt aber<br />

dennoch ein Großteil <strong>der</strong> Franzosen die Hoffnung, daß Hitlers Sturz unmittelbar bevorsteht.<br />

9 <strong>Die</strong>s sind am ehesten die Kommunisten und Sozialisten. Ersteren paßt <strong>der</strong><br />

Nationalsozialismus nicht in ihr Denksystem und kann schon deshalb keine Zukunft<br />

haben; letztere sehen in Hitler ein „konjunkturbedingtes Phänomen“. 10<br />

Daß <strong>Vie</strong> int. eine Darstellung zuläßt, die vom konservativen Grundkurs abweicht,<br />

spricht für ihren Versuch, eine gewisse Meinungsfreiheit zu realisieren. <strong>Die</strong>se ist<br />

1 Kimmel, Adolf: Der Aufstieg des Nationalsozialismus im Spiegel <strong>der</strong> französischen Presse (1930-<br />

1933), H. Bouvier und Co. Verlag, Bonn 1969, S. 153<br />

2 Hörling, Hans: L’Opinion française face à l’avènement d’Hitler au pouvoir, in: Francia, 1975, 3, S.<br />

587<br />

3 <strong>Vie</strong> int., 10.7.1934, S. 87; vgl. auch: Bloch, a.a.O., S. 440 und Poidevin/Bariéty, a.a.O., S. 381-382<br />

4 <strong>Vie</strong> int., 25.7.1934, S. 251-257<br />

5 a.a.O., S. 257<br />

6 <strong>Vie</strong> int., 25.7.1934, S. 252, 253<br />

7 „Mais on peut dire sans commettre d’imprudence que la phase hitlérienne est terminée.“ a.a.O., S.<br />

257<br />

8 vgl. hierzu: Hörling, a.a.O., in: Francia 1976, 4, S. 694<br />

9 Bloch, a.a.O., S. 436<br />

10 Poidevin/Bariéty, a.a.O., S. 372, 373<br />

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