Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
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päpstliche Enzyklika „Mit brennen<strong>der</strong> Sorge“ anstimmt. Aber wo es tatsächlich um<br />
die systematische Ausgrenzung und schrittweise Vernichtung <strong>der</strong> Juden geht, da hält<br />
sie sich auffällig still.<br />
Es kristallisiert sich heraus, daß <strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong> <strong>Vie</strong> int.-Autoren, die zu diesem<br />
Thema schreiben, keine Rassisten sind, wenn man darunter die sozial-darwinistischen<br />
Leitvorstellungen des ausgehenden 19. Jh. versteht, die den Judengegnern<br />
den Beweis liefern, daß die Juden an<strong>der</strong>sartig, min<strong>der</strong>wertig und zerstörerisch sind.<br />
<strong>Die</strong>se Autoren lehnen die pseudowissenschaftlichen Kriterien <strong>der</strong> Rassenlehre ab,<br />
<strong>der</strong>gemäß soziale Phänomene auf biologische Gesetzmäßigkeiten zurückzuführen<br />
sind.<br />
Ebenso klar ist <strong>der</strong> Eindruck entstanden, daß die meisten Autoren eine Neigung zum<br />
jahrhun<strong>der</strong>tealten Antisemitismus nicht verbergen können. Er ist religiös bedingt und<br />
wird auf die Zeit zurückgeführt, als sich das Christentum vom Judentum lossagte.<br />
<strong>Die</strong> Kirchenväter verurteilten die Juden zu ewiger Knechtschaft, machten zugleich<br />
aber auch klar, daß sie als ewige Zeugen für die Wahrheit und den Sieg des Christentums<br />
toleriert werden durften. 1<br />
<strong>Die</strong>se Haltung <strong>der</strong> vorgeschriebenen Toleranz bei gleichzeitig religiöser Ablehnung<br />
mag <strong>der</strong> Grund dafür sein, daß <strong>Vie</strong> int. nicht in <strong>der</strong> Intensität von <strong>der</strong> jüdischen<br />
Rassenpolitik <strong>der</strong> Nationalsozialisten berichtet, wie es die Abrundung des Deutschlandbildes<br />
vielleicht erfor<strong>der</strong>lich macht.<br />
Aus einem an<strong>der</strong>en Blickwinkel betrachtet muß man hervorheben, daß <strong>Vie</strong> int. nicht<br />
in das fremdenfeindliche Horn <strong>der</strong> nationalistischen Rechten bläst, die während <strong>der</strong><br />
30er Jahre die Juden, Freimaurer und den Parlamentarismus für den politischen, wirtschaftlichen<br />
und demographischen Nie<strong>der</strong>gang Frankreichs verantwortlich macht.<br />
Der „Verrat durch die Juden“ ist nämlich auch in Frankreich ein Thema. 2 <strong>Vie</strong> int. teilt<br />
nicht den Nationalismus <strong>der</strong> Rechten, <strong>der</strong> sich gegen die angeblich von Juden und<br />
Freimaurern getragene Mo<strong>der</strong>ne richtet. 3 Anhand ihrer Aussagen zur Rassenpolitik in<br />
Deutschland läßt sie sich als demokratische und relativ liberale Zeitschrift einstufen.<br />
<strong>Die</strong> deutsche Außenpolitik wird im Berichterstattungszeitraum außerordentlich gut<br />
dokumentiert. <strong>Die</strong> Jahre zwischen <strong>1928</strong> und <strong>1940</strong> sind voller kontrastreicher Beziehungen<br />
auf deutsch-französischer und auf europäischer Ebene. <strong>Die</strong> Highlights dieses<br />
Beziehungsgeflechts werden jetzt im Zeitraffer noch einmal evoziert. Sie zeigen ein<br />
Deutschland, das sich aus den Fesseln des Versailler Vertrags zu befreien versteht<br />
und ein Frankreich, das dies mit Hilflosigkeit und Angst und am Ende mit Wut zur<br />
Kenntnis nimmt.<br />
1 In Anlehnung an Benz, W. u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 50<br />
2 Winock: Nationalisme ..., a.a.O., S. 169-172<br />
3 a.a.O., S. 164. Auf die Aufspaltung <strong>der</strong> Rechten in monarchistische und nationalistische Rechte wurde<br />
hier aus thematischen Gründen nicht eingegangen; auch nicht auf die Dreyfus-Affäre, die den Antisemitismus<br />
weiter Rechtskreise gefestigt hat, die nationalistische Rechte ins Leben rief und die Bewegung<br />
<strong>der</strong> Action Française auslöste; vgl. dazu Winock, a.a.O., S. 161-165. Zum sozial motivierten<br />
Antisemitismus <strong>der</strong> französischen Linken, vgl. Chebel d’Appollonia, a.a.O., S. 85-91<br />
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