Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
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Aus den Berichten geht hervor, daß sich Katholiken und Nationalsozialisten in <strong>der</strong><br />
deutschen Presse polemische Argumentationsschlachten liefern. <strong>Die</strong> Nazis sind wütend,<br />
weil sich die Kirche nicht aus <strong>der</strong> Politik heraushält, während die Vorhaltungen<br />
<strong>der</strong> Katholiken auf die moralisch-religiösen „Entartungen“ des Nationalsozialismus<br />
abzielen. 1 Dadurch, daß diese Reden von <strong>Vie</strong> int. weitgehend unkommentiert bleiben,<br />
muß sich <strong>der</strong> französische Leser selbst ein Bild von den nationalsozialistischkatholischen<br />
Streitigkeiten machen. Aber Nichtkommentierung bedeutet auch Einflußnahme.<br />
Der überzeugte französische Katholik wird Gegenposition zu Hitler-<br />
Deutschland beziehen, wenn die Vorwürfe <strong>der</strong> katholischen Kirche gerechtfertigt<br />
sind.<br />
Den Ausspruch Goebbels „Nous ne voulons pas que la clergé fasse de la propagande<br />
chrétienne“ 2 bringt <strong>Vie</strong> int. als Beweis dafür, daß die Nationalsozialisten trotz aller<br />
offiziellen Respektsbekundungen für die religiöse Gewissensfreiheit gegen den Wi<strong>der</strong>stand<br />
des katholischen Klerus „strenge Unterdrückungsmaßnahmen einsetzen“. 3<br />
Der Leser erfährt dann, welches diese „beschämenden Handlungen offenkundiger<br />
Feindschaft“ sind 4 :<br />
• Staatsanwälte und Bevollmächtigte werden gezwungen, eng mit <strong>der</strong> Geheimpolizei<br />
zusammenzuarbeiten, „en vue de l’anéantissement du catholicisme politique“ 5 ;<br />
• „Le 12 juillet la cour de cassation prussienne (Preussisches Kammergericht) a<br />
légalisé les mesures de police que mettent les communistes et les catholiques dans<br />
la même catégorie“. 6<br />
• „Il est interdit aux membres du Front du Travail d’appartenir en même temps à<br />
une union ouvrière confessionnelle“. 7<br />
• <strong>Die</strong> Ernennung Kerrls zum „Reichsminister für Religionsausübung“ dient nach<br />
Ansicht von <strong>Vie</strong> int. den Nationalsozialisten dazu: „Son poste n’a été crée que<br />
pour faciliter aux nazis la tâche d’imposer toute leur volonté aux catholiques ainsi<br />
qu’aux protestants“. 8<br />
<strong>Vie</strong> int. dokumentiert wie 1935 antichristliche Propagandaaktionen an Boden gewinnen.<br />
Sie sind beson<strong>der</strong>s gegen die Katholiken gerichtet. Bis 1937 tritt das Regime<br />
gegen Kleriker und Ordensleute eine Lawine von Sittlichkeits- und Devisenprozessen<br />
los. <strong>Die</strong>se belegt <strong>Vie</strong> int. mit größter Entrüstung. <strong>Die</strong> Nazi-Presse berichte darüber in<br />
1 <strong>Vie</strong> int., 25.4.1934, S. 209<br />
2 a.a.O., 25.7.1935, S. 250<br />
3 a.a.O., 25.4.1934, S. 209<br />
4 a.a.O., 25.7.1935, S. 253<br />
5 a.a.O., 25.9.1935, S. 601<br />
6 a.a.O., S. 602<br />
7 a.a.O., S. 604<br />
8 <strong>Vie</strong> int., 25.9.1935, S. 602<br />
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