Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
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daß das deutsche Theater in den Augen von <strong>Vie</strong> int. keinen hohen Stellenwert einnimmt;<br />
zumindest in den 30er Jahren nicht. So stellt Daniel-Rops am Theater dieselben<br />
Anzeichen des moralischen Zerfalls fest, wie sie auch beim Thema Nachkriegsjugend<br />
und in Teilbereichen <strong>der</strong> Literatur sowie im philosophischen Denken aufgezeigt<br />
werden.<br />
Genrespezifischer äußert sich da schon Battaglia. 1 Er meint, daß es nach Gerhart<br />
Hauptmann, <strong>der</strong> lei<strong>der</strong> zum „Zeugen seines eigenen Nie<strong>der</strong>gangs“ wurde, keinen<br />
Stern mehr am deutschen Theaterhimmel gebe. <strong>Die</strong> „anarchistischen Tiraden“ eines<br />
Hanns Johst seien keiner Beachtung würdig. Der katholische Battaglia findet für die<br />
religiös und poetisch inspirierten Autoren noch die freundlichsten Worte. Ihnen rechnet<br />
er Hofmannsthal, Leo Weismantel und Friedrich Griese zu. Daß Battaglia auch<br />
gerade Griese hervorhebt, <strong>der</strong> schon vor 1933 schrieb und dann von <strong>der</strong> nationalsozialistischen<br />
Kulturpolitik als beispielhaft empfohlen und geför<strong>der</strong>t wird 2 , läßt auf<br />
dessen Akzeptanz seiner völkisch-nationalen Ausrichtung schließen. Für gut befindet<br />
er dann auch, daß die Stücke von Reinhard Goering und Joachim von <strong>der</strong> Goltz das<br />
historische Theater mit nationalistischem Geist wie<strong>der</strong>beleben. 3<br />
Battaglia nennt zahlreiche Namen, die für das deutsche Theater <strong>der</strong> Weimarer Zeit<br />
stehen. Er belegt sie mit einem knappen Werturteil, das zuungunsten <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne<br />
ausfällt. Allerdings lehnt er auch kultisch-mystische Darbietungen ab. Insgesamt erscheint<br />
ihm das deutsche Theater als „trügerische Scheinwelt“. 4 Auch Gouhier zeigt<br />
sich 1934 nicht aktuell. Er bezieht sich bei seiner neutral und emotionslos gehaltenen<br />
Beschreibung des „heutigen deutschen Theaters“ 5 auf Schriftsteller und Regisseure,<br />
die ihre Blüte in <strong>der</strong> Weimarer Republik erlebten. Der Leser erfährt z.B. nichts vom<br />
nationalsozialistischen Gesetzesrahmen, <strong>der</strong> gerade, seit dem 15. Mai 1934, das deutsche<br />
Theater reglementiert. Aber immerhin gibt Pitrou, wenn auch drei Jahr später,<br />
zu Bedenken, daß dieses Gesetz politisch angepaßte Direktoren verlangt und dem<br />
Propagandaminister das Recht gibt, Stücke zu empfehlen o<strong>der</strong> zu verbieten. 6<br />
Trotz fehlen<strong>der</strong> Zeitgemäßheit <strong>der</strong> Kommentare bringt ein ideologieunabhängiger<br />
Vergleich den Leser zum Schmunzeln. Seitensprünge in <strong>der</strong> Liebe würden in Paris<br />
wie eine Bagatelle behandelt und in Berlin wie ein biologisches Problem. 7 Klischees<br />
verfestigen sich jedoch, wenn es heißt, das mo<strong>der</strong>ne deutsche Theater gebe sich gern<br />
„grau in grau“, während <strong>der</strong> Franzose von jedem Stück einen „aufmunternden Unterton“<br />
erwarte. 8 Lückenlos in das Gesamtbild vom Deutschen als kollektivem We-<br />
1 <strong>Vie</strong> int., 25.4.1934, S. 336<br />
2 vgl. hierzu Schiffels, Walter: Formen historischen Erzählens in den 20er Jahren, in: Rothe, a.a.O., S.<br />
204 und Bormann, Alexan<strong>der</strong> von: Vom Traum zur Tat. Über völkische Literatur, in: Rothe, a.a.O.,<br />
S. 307<br />
3 <strong>Vie</strong> int., 25.4.1934, S. 336<br />
4 a.a.O., S 227<br />
5 a.a.O., 10.9.1934, S. 526-528<br />
6 a.a.O., 10.10.1937, S. 149<br />
7 a.a.O., 25.9.1934, S. 528<br />
8 a.a.O.<br />
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