Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
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Tatsache sowie sein deutsch klingen<strong>der</strong> Name bestätigen die Vermutung, daß er<br />
selbst auch ein von Deutschen enttäuschter Emigrant ist.<br />
Türmer bedauert, daß die emigrierten Katholiken noch kein unabhängiges Publikationsorgan<br />
geschaffen haben, in dem sie ihrer Beunruhigung über die aktuelle Lage<br />
Ausdruck geben könnten. 1 In Deutschland selbst gelingt es aber einem kleinen Kreis<br />
oppositioneller katholischer Schriftsteller, über mehrere Jahre ihre Unabhängigkeit<br />
zu bewahren. Sie beziehen offen Stellung gegen die Ideologie des Dritten Reiches.<br />
Sie versammeln sich um die in Leipzig erscheinende Zeitschrift „Hochland“. 2 Neben<br />
katholischem Gedankengut druckt sie auch Buch- und Theaterrezensionen ab. Sie gilt<br />
als Konzession <strong>der</strong> Nationalsozialisten an die katholischen Intellektuellen. 3 Daran<br />
erkennt man, daß das geistige katholische Leben im Dritten Reich nicht ganz zum<br />
Erliegen gekommen ist. Im Gegenteil: Im Mai 1936 stellt <strong>der</strong> französische Autor<br />
Marcel Pobé eine neue Blüte des Katholizismus in <strong>der</strong> Deutschen Literatur fest. 4 <strong>Die</strong><br />
Wie<strong>der</strong>belebung <strong>der</strong> konfessionellen Literatur wird auf einen neuen Glaubenshunger<br />
und die Restauration <strong>der</strong> nach Kriegsende verloren geglaubten christlichen Werte<br />
zurückgeführt. 5<br />
Anklang findet auch das Buch „Stefan Rott“ von Max Brod. 6 Jedoch kommt es in<br />
dem Beitrag von Wladimir Weidlé nicht auf den gesellschaftspolitischen Kontext<br />
an. 7 Im Mittelpunkt steht die Beschreibung des Typs „Ideenroman“. <strong>Die</strong>ser Romantyp<br />
will abstraktes Gedankengut mit Leben füllen. Der Leser erfährt, daß <strong>der</strong> Ideenroman<br />
die geläufigste Romanform vor <strong>der</strong> Hitlerzeit war. Schriftsteller wie Jakob<br />
Wassermann, Hermann Hesse und die Brü<strong>der</strong> Mann hätten zu seiner Verbreitung<br />
beigetragen. Er lehne sich an den seit Goethes „Wilhelm Meister“ oft nachgeahmten<br />
Stil des Bildungsromans an. 8 Weidlé ordnet Ideen- und Bildungsroman dem literarischen<br />
Expressionismus <strong>der</strong> Weimarer Zeit zu. Er kennzeichnet positiv die Kraft, die<br />
Phantasie und das Ungekünstelte an Max Brods Werk. Er hebt es aber insofern vom<br />
Expressionismus ab, als <strong>der</strong> empfindsame Ausdruck seiner Meinung nach nicht <strong>der</strong><br />
Nüchternheit und Sprödigkeit dieser literarischen Bewegung entspricht. 9<br />
Warum es ins Französische übersetzt und von <strong>Vie</strong> int. rezensiert wird, mag in <strong>der</strong><br />
Thematik begründet liegen: <strong>Die</strong> Zerrissenheit des jungen Katholiken, Stefan, zwischen<br />
Glaube und Unglaube, die marxistische Ideologie und die unerlaubte Liebe zur<br />
Mutter seines Freundes 10 ; brisante, aber keineswegs uninteressante Konflikte für die<br />
katholische <strong>Vie</strong> int.<br />
1 <strong>Vie</strong> int., 10.6.1934, S. 255<br />
2 a.a.O., 25.3.1938, S. 470<br />
3 Schwarz, Falk: <strong>Die</strong> gelenkte Literatur, in: Denkler/Prümm (Hrsg.). a.a.O., S. 75<br />
4 <strong>Vie</strong> int., April/Mai 1936, S. 163-166<br />
5 Schäfer, Hans <strong>Die</strong>ter, a.a.O., in: Denkler/Prümm (Hrsg.), a.a.O., S. 459<br />
6 <strong>Vie</strong> int., 10.9.1935, S. 558 und 10.7.1936, S. 130-139<br />
7 a.a.O., 10.7.1936, S. 131<br />
8 a.a.O., S. 131, 132<br />
9 a.a.O., S. 132<br />
10 <strong>Vie</strong> int., 10.9.1935, S. 558<br />
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