Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
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ne bedürftigkeitsgebundene Krisenfürsorge, gefolgt von <strong>der</strong> noch knapper bemessenen<br />
und rückzahlungspflichtigen kommunalen Wohlfahrtsunterstützung. 1<br />
Beson<strong>der</strong>es Augenmerk richtet er auf die letzte Stufe. Sie sei eine schwere finanzielle<br />
Belastung für die Gemeinden. Sie müßten die Hauptlast <strong>der</strong> finanziellen Unterstützung<br />
tragen, weil die Anwärter immer zahlreicher würden. 2 Für den französischen<br />
Leser wird es interessant gewesen sein zu erfahren, wie die Bedürftigkeit festgestellt<br />
wird, nach <strong>der</strong> sich dann die Höhe <strong>der</strong> Zuwendung richtet. Der Betroffene muß Aussagen<br />
machen über Miete, Familienzusammensetzung, Gehalt <strong>der</strong> Ehefrau, Zahl <strong>der</strong><br />
Personen, die von ihm abhängig sind und über sonstige Einkünfte. <strong>Die</strong>s, so hat Dillard<br />
herausgefunden, wird nicht nur amtlicherseits streng überprüft, son<strong>der</strong>n auch<br />
manchmal von übelwollenden Nachbarn:<br />
... on a le sentiment que l’allocation indûment touchée est un vol à la communauté<br />
publique. 3<br />
Der Leser erfährt weiterhin, daß die Unterstützung auch in Naturalien ausgegeben<br />
wird. Es gebe auch Bons für Kleidung und den Schuster. <strong>Die</strong> öffentlichen<br />
Speisungen seien weit verbreitet und werden täglich mehr. 4 Welches Ausmaß das<br />
Elend in Deutschland annimmt, wird trotz <strong>der</strong> etwas emotionslosen Art <strong>der</strong> Informationsvermittlung<br />
ergreifend deutlich.<br />
Für den, <strong>der</strong> ganz tief sinkt, sei dann noch die private Fürsorge da. Daran beteiligten<br />
sich Verbände, Kirchengemeinden, Privatpersonen o<strong>der</strong> Unternehmen. <strong>Die</strong> soziale<br />
Hilfsbereitschaft nötigt dem Autor Respekt ab.<br />
On imagine difficilement avec quelle générosité elle (la charité privée) joue ce<br />
rôle, et combien l’esprit de solidarité si vivant en Allemagne suscite de sacrifices<br />
pour ai<strong>der</strong> les nécessiteux. 5 – Le courant de charité est splendide. 6<br />
Nur befürchtet Dillard, daß auch sie sich angesichts des nahenden Winters und <strong>der</strong><br />
wachsenden Zahl an Hilfsbedürftigen allmählich erschöpfen wird. 7<br />
Hier entsteht ein von Sympathie und Mitgefühl geprägtes Deutschlandbild. Es<br />
kommt während Dillards Recherchen in den örtlichen Arbeitsämtern und während<br />
seiner Reisen in Deutschland zustande. Mit Beispielen aus <strong>der</strong> Hauptstadt und an<strong>der</strong>en<br />
großen deutschen Städten belebt er seine Berichterstattung über die deutsche<br />
Wirtschaftskrise.<br />
Im letzten Artikel seiner Reihe über die Arbeitslosigkeit in Deutschland 8 rollt Dillard<br />
noch einmal ausführlich die Gründe auf, die dazu geführt haben. Interessant sind die<br />
1 <strong>Vie</strong> int., 25.12.1932, S. 457-462<br />
2 a.a.O., S. 463<br />
3 a.a.O., S. 464<br />
4 a.a.O., S. 465-466<br />
5 a.a.O., S. 466<br />
6 a.a.O., S. 467<br />
7 a.a.O.<br />
8 <strong>Vie</strong> int., 10.4.1933, S. 84-106<br />
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