Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
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höhere Rentabilität zu erzielen, Konzentrationsbewegungen in <strong>der</strong> Industrie und<br />
Landwirtschaft gehören. <strong>Die</strong> Produktion in <strong>der</strong> Schwerindustrie konnte gesteigert<br />
werden, <strong>der</strong> Bedarf an Energie war groß. Er wurde zum Teil aus den deutschen Kohlegruben<br />
und denen im abgetretenen Lothringen gedeckt. Ähnlich wie in Deutschland<br />
schlossen sich Schwerindustriezweige mit Banken zusammen. Auch <strong>der</strong> Staat hat<br />
begonnen, sich an einigen Wirtschaftsunternehmen zu beteiligen. <strong>Die</strong> Automobilindustrie<br />
ging zur Massenproduktion über. In Frankreich liefen die Einführung mo<strong>der</strong>ner<br />
Produktionsmethoden und steigende Rationalisierung Hand in Hand. Das kritisiert<br />
<strong>Vie</strong> int. jedoch am deutschen Nachbarn. An<strong>der</strong>s als in Deutschland steckt in<br />
Frankreich die Kartellbildung noch in den Anfängen, es herrscht <strong>der</strong> Wirtschaftsliberalismus,<br />
und Planung wird klein geschrieben. Der Vergleich <strong>der</strong> Entwicklungen<br />
zeigt, daß es keinen Grund zu ironisch mitleidvoller Herablassung geben dürfte.<br />
Frankreichs Wirtschaft steht bis 1932 nicht schlecht da. Erst viel später als in<br />
Deutschland macht sich die Weltwirtschaftskrise bemerkbar. 1<br />
<strong>Die</strong> Arbeitslosigkeit und die Krise in Deutschland beschäftigen <strong>Vie</strong> int. weiterhin.<br />
Zwischen November 1932 und April 1933 erscheint dazu eine vierteilige Artikelserie.<br />
Angesichts <strong>der</strong> erschöpften Finanzen fragt sich die Zeitschrift, wie sich<br />
Deutschland halten wird und wie lange noch. 2 Sie bietet eine detaillierte Zahlenanalyse,<br />
die unterstützt wird mit Diagrammen und Statistiken. <strong>Die</strong>se sehr anschauliche<br />
Darstellungsweise ist für die sonst nur mit Texten arbeitende <strong>Vie</strong> int. ungewöhnlich.<br />
Der Ton ist dem Thema angemessen und sachlich gehalten, wertende Aussagen gibt<br />
es nicht. <strong>Die</strong> Informationen sind interessant und vielschichtig.<br />
Aus ihrem Zahlenmaterial leitet <strong>Vie</strong> int. ab, daß die versteckte Arbeitslosigkeit so<br />
hoch ist, daß insgesamt mindestens 14 Millionen Menschen unterstützt werden<br />
müßten. 3 Sie befürchtet, daß es kaum eine Familie gibt, die nicht von ihr betroffen<br />
ist. Unter diesem Zustand leide die Bevölkerung moralisch und materiell. 4<br />
Man erfährt, daß die Arbeitslosigkeit regional unterschiedlich ist und beson<strong>der</strong>s die<br />
Industriezentren in Berlin-Brandenburg, Westfalen, Rheinland und Sachsen betrifft. 5<br />
Auch in den einzelnen Branchen sei sie unterschiedlich ausgeprägt. So sei das Baugewerbe,<br />
das sich nach dem Ersten Weltkrieg gut entwickelte, von ihr beson<strong>der</strong>s betroffen.<br />
6 Kein Wun<strong>der</strong>, denn die amerikanischen Kredite hätten aufgehört zu fließen.<br />
<strong>Die</strong> Arbeitslosigkeit in <strong>der</strong> Landwirtschaft sei weniger gut faßbar, weil sie statistisch<br />
kaum belegt sei. In einem Zahlenbeispiel ist ablesbar, daß sie von 1927-1931 um<br />
116 910 arbeitslose Menschen gestiegen ist. Damit einher geht <strong>der</strong> sinkende Verbrauch<br />
an landwirtschaftlichen Düngemitteln. 7 Im Nachbarland Frankreich gibt es im<br />
selben Zeitraum zwar keine Arbeitslosigkeit, aber Landarbeiter und arme Bauern<br />
1 Vgl. ausführlicher zur wirtschaftlichen Entwicklung von 1918-1936: Bloch, a.a.O., S. 367-375<br />
2 <strong>Vie</strong> int., 10.11.1932, S. 471<br />
3 a.a.O.<br />
4 a.a.O., S. 473<br />
5 <strong>Vie</strong> int., 10.11.1932, S. 472<br />
6 a.a.O., S. 477<br />
7 a.a.O., S. 478-479<br />
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