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Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...

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falten könnten. 1 Bosson begrüßt auch, daß die Län<strong>der</strong> durch Rückführung auf die<br />

stammesmäßigen Ursprünge ihre ganze Bedeutung wie<strong>der</strong>bekommen sollen. 2<br />

So verkennt Bosson einerseits die Gleichschaltung <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>parlamente, aber an<strong>der</strong>erseits<br />

verherrlicht er auch den deutschen Einheitsgedanken und die Neuglie<strong>der</strong>ung<br />

des Reiches. Er will nicht wahrhaben, daß die Macht <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>parlamente aufgelöst<br />

wird und daß das Ausspielen <strong>der</strong> rassischen Faktoren nur eine Farce ist. Kurze Zeit<br />

später, nämlich am 7. April 1933, werden die Län<strong>der</strong>kommissare als Reichsstatthalter<br />

institutionalisiert. Darüber, daß dies das Ende <strong>der</strong> parlamentarischen Regierungsweise<br />

in den Län<strong>der</strong>n ist, informiert <strong>Vie</strong> int. ihre Leser erst ein Jahr nachdem es vollzogen<br />

ist.<br />

Auf Unkenntnis o<strong>der</strong> besser auf Nicht-Wissenwollen mag basieren, daß <strong>Vie</strong> int. über<br />

die brutale Gleichschaltung <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> nicht berichtet. 3 Es ist unwahrscheinlich, daß<br />

ein französischer politischer Beobachter die Verfahren, wie die Län<strong>der</strong>-, Gemeindeund<br />

Stadtregierungen zum Rücktritt gezwungen wurden, nicht mitbekommen hätte.<br />

Unverständlich ist, wie Bosson ein System gutheißen und als Vorbild für Frankreich<br />

hinstellen kann, das auf einem Gesetz beruht, das die Pluralität <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> und die<br />

Freiheit <strong>der</strong> Menschen unterdrückt.<br />

Bosson verherrlicht Hitler als jemanden, <strong>der</strong> alles lenkt, an alles denkt und genau<br />

weiß, was er tut. Er bewun<strong>der</strong>t Hitlers Willen, aus Deutschland ein organisches Ganzes<br />

zu machen.<br />

Ganz an<strong>der</strong>s sieht das Montabert. 4 Er hält von Hitlers innenpolitischen Maßnahmen<br />

gar nichts. <strong>Die</strong> Verbindung von Proletariat und Besitzlosen mit den chauvinistischen<br />

Instinkten des Bürgertums, auf <strong>der</strong> <strong>der</strong> Erfolg <strong>der</strong> nationalsozialistischen Bewegung<br />

beruhe, wird das Regime in den Ruin führen. Warum, sagt Montabert nicht. <strong>Die</strong> Aufstellung<br />

einer Armee von Braunhemden, eigentlich dazu gedacht, „die Arbeitslosenzahlen<br />

zu reduzieren und die Hitzköpfe des Landes zu disziplinieren“ 5 , werde zur<br />

Katastrophe beitragen. Auch hier fehlt die Begründung. Montabert kommentiert<br />

rückblickend die Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten, die er in <strong>der</strong> Machtergreifung Hitlers entdeckt.<br />

Das Schlimmste sei, daß Hitler Sozialist ist. Aber zur Durchführung seiner<br />

Vorhaben habe er die Finanzbourgeoisie gebraucht, das alte, teils aristokratische,<br />

national und konservativ gesonnene Deutschland. Das gute Deutschland, wie man<br />

meint. Und weil es im Spektrum zwischen Sozialisten und Extrem-Rechten keinen<br />

gab, dem die Unzufriedenen vertrauen konnten, hätten sie halt einen Anstreicher beauftragt,<br />

die Staatsgeschäfte zu übernehmen. 6 Montaberts Herablassung ist trotz des<br />

Wahrheitsgehaltes kaum zu überbieten.<br />

1 <strong>Vie</strong> int., 10.2.1934, a.a.O.<br />

2 a.a.O., S. 415<br />

3 Umso ausführlicher, natürlich im kritischen Rückblick: Fest, a.a.O., S. 550-552; Benz, u.a. (Hrsg.),<br />

a.a.O.<br />

4 <strong>Vie</strong> int., 25.7.1934, S. 251-257<br />

5 a.a.O., S. 252<br />

6 a.a.O., S. 252-253<br />

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