Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
den darüber hervor, daß in Deutschland nur noch eine Partei zur Wahl stand und daß<br />
die Frage <strong>der</strong> Abstimmung so formuliert war, daß nur mit „Ja“ geantwortet werden<br />
konnte:<br />
Le plébiscite demandait si le pays approuvait la position prise par le gouvernement<br />
en politique étrangère et son intention de réclamer sans plus tar<strong>der</strong> le<br />
‚Gleichberechtigung’ et la révision des traités. 1<br />
Auch die gleichzeitige Auflösung des Reichstags beunruhigt den demokratiegewohnten<br />
französischen Journalisten nicht. Immerhin gibt er zu, daß die Wahlvorbereitungen,<br />
zu denen Unterdrückung und Zerschlagung <strong>der</strong> linken Parteien gehören<br />
und Wählerkontrolle durch Spezialdienste sowie mit „Ja“ vorbereitete Stimmzettel,<br />
etwas mit Zwang zu tun haben. Aber dessen Wirksamkeit bewun<strong>der</strong>t er. 2<br />
Das Plebiszit vom 12. November 1933 fällt mit Deutschlands Austritt aus dem Völkerbund<br />
zusammen und mit seiner For<strong>der</strong>ung nach Gleichberechtigung. <strong>Die</strong>se Punkte<br />
spricht Montabert auch an, sie sind ja schließlich Gegenstand <strong>der</strong> Abstimmung, aber<br />
ihre listige psychologische Verknüpfung mit dem Wahltermin erkennt er nicht.<br />
Wie die Regierung mit <strong>der</strong> Rechten umgeht, mit dem Zentrum, <strong>der</strong> Armee und <strong>der</strong><br />
„Intelligentzia“ 3 läßt Montabert offen. Jedenfalls hatten sich zu diesem Zeitpunkt die<br />
meisten Parteien auch schon selbst aufgelöst, darunter das Zentrum am 5. Juli 1933. 4<br />
Nicht als Unrecht, son<strong>der</strong>n einfach nur als „inédit“ 5 bezeichnet Montabert Hitlers<br />
Stimmenfang in Krankenhäusern und Gefängnissen. 6 Für ihn scheint wie für Hitler<br />
nur das Ergebnis zu zählen:<br />
De toute façon, le résultat est concluant. 7<br />
Er erklärt seinen Lesern auch, warum die Wahl für Deutschland so wichtig war. Hitler<br />
brauche freie Hand für die Grenzverschiebung im Osten und für die Aufrüstung.<br />
Dafür bringt Montabert sogar Verständnis auf, was seltsam anmutet angesichts <strong>der</strong><br />
Bedrohung, die damit für Frankreich verbunden ist.<br />
Das Wahlergebnis nimmt Montabert zum Anlaß, auf das Wesen des neuen Deutschland<br />
Rückschlüsse zu ziehen:<br />
L’absence de toute presse ou influence modératrice renforce la portée de la<br />
propagande chauviniste, et on est frappé par le caractère grave, mystique, qu’a<br />
pris la psychologie allemande. Le sentiment national, porté à son maximum<br />
1 <strong>Vie</strong> int., 25.11.1933, S. 118<br />
2 a.a.O., S. 119<br />
3 <strong>Vie</strong> int., a.a.O., S.119<br />
4 Gebhardt, a.a.O., S. 192 und ausführlicher zum Ende <strong>der</strong> Parteien und Verbände: Fest, a.a.O., S.<br />
566-568<br />
5 <strong>Vie</strong> int., 25.11.1933, S. 119<br />
6 Zum Zustandekommen des Wahlergebnisses schreibt ähnlich, aber wesentlich kritischer im Aufdekken<br />
<strong>der</strong> Zusammenhänge: Fest, a.a.O., S. 601-605<br />
7 <strong>Vie</strong> int., a.a.O.<br />
110