Die Deutschlandberichterstattung der Vie Intellectuelle (1928 - 1940 ...
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Sie stehen nicht zu ihrer Kriegsschuld. <strong>Die</strong> Franzosen denken, Deutschland benutze<br />
sie als Vehikel, um seinen politischen Machtanspruch zu vergrößern. <strong>Die</strong> Deutschen<br />
wollen ein Europa nach deutschem Vorbild.<br />
Laut <strong>Vie</strong> int. sind die Deutschen alle gleich: Sie gucken nur über die Mauer ihres<br />
Gartens, um die Feinde zu vertreiben. Sie denken nur an sich und daran, wie sie ihre<br />
wirtschaftlichen und sozialen Probleme lösen können. Dabei beachten sie nicht, daß<br />
sie dem französischen Nachbarn vertrauenswürdig erscheinen müssen, wenn sie finanzielle<br />
Unterstützung für die Lösung ihrer Probleme beanspruchen.<br />
<strong>Die</strong> Deutschen sind auch alle gleich anfällig für Gewalt. Zwang und Brutalität bringen<br />
sie zum Gehorsam.<br />
<strong>Die</strong> deutsche Problematik erscheint wie ein Krebsgeschwür, hingegen erstrahlt das<br />
gesunde, kulturreiche Frankreich in harmonischem Glanz.<br />
In Frankreich herrscht, gemäß <strong>Vie</strong> int., wirklicher Pazifismus, während <strong>der</strong> deutsche<br />
Pazifismus in Wirklichkeit nur den ausgeprägten Nationalismus verschleiere. Auch<br />
in diesem Punkt fühle sich Frankreich bedroht. Seine pazifistischen Stimmen verstummen<br />
langsam angesichts <strong>der</strong> nationalistischen Töne aus dem Osten.<br />
Anläßlich <strong>der</strong> Volksabstimmung am 12. November 1933, die Alexandre de Montabert<br />
beschönigend „Wahlen“ nennt, analysiert <strong>der</strong>selbe auch mit Anerkennung und<br />
Respekt das Abschneiden Hitlers. Daß ein Wahlergebnis fast einstimmig ist, sei ohne<br />
Beispiel in <strong>der</strong> Geschichte des allgemeinen Wahlrechts. Es komme einer nationalen<br />
Bewegung gleich, wobei Montabert durchklingen läßt, daß es auch eine Revolution<br />
sein könnte. 1 Jedenfalls hat sein Beschreibungsvokabular einen revolutionären Anstrich:<br />
On peut distinguer plusieurs facteurs qui ont permis à Hitler de briser toute<br />
résistance et de rallier à lui, ou du moins de mater la moitié de l’Allemagne qui<br />
lui était franchement hostile. 2<br />
Er führt die Gründe für Hitlers Sieg zunächst darauf zurück, dass er die Arbeitslosenzahlen<br />
in den Griff bekommen hat. Öffentliche Arbeiten, Straßenbau und Trockenlegung<br />
von Sümpfen hätten ihm nicht nur moralische Anerkennung son<strong>der</strong>n auch den<br />
Wahlsieg gebracht. Montabert glaubt, daß das deutsche Volk jetzt ein Ziel und eine<br />
Aufgabe brauche und daß es Hitler dafür dankbar sei. 3 Der französische Leser erfährt,<br />
daß die zwei bis drei Millionen im „Arbeitsdienst“ 4 organisierten Menschen trotz<br />
harter Arbeit und geringer Entlohnung zufrieden seien, weil sie Nahrung und Unterkunft<br />
bekommen und das Gefühl hätten, gebraucht zu werden. Montabert weist auf<br />
die Suggestivkraft <strong>der</strong> begleitenden Nazi-Propaganda hin. 5 Dennoch scheint auch er<br />
sich von Hitler einlullen zu lassen, denn aus seinen Ausführungen geht kein Befrem-<br />
1 <strong>Vie</strong> int., 25.11.1933, S. 117<br />
2 a.a.O.<br />
3 a.a.O.<br />
4 a.a.O. <strong>Die</strong>ses Wort wird deutsch zitiert, mangels französischer Entsprechung.<br />
5 a.a.O., S. 118<br />
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