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Ringhälften aus Kunststoff korrigieren Kurzsichtigkeit

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P O L I T I K<br />

MEDIZINREPORT<br />

Wende in der refraktären Chirurgie<br />

<strong>Ringhälften</strong> <strong>aus</strong> <strong>Kunststoff</strong><br />

<strong>korrigieren</strong> <strong>Kurzsichtigkeit</strong><br />

Implantat bewirkt Abflachung der Kornea und damit eine<br />

Reduktion der Brechkraft. Der reversible Eingriff führt<br />

bei sorgfältiger Auswahl der Patienten zu guten Resultaten.<br />

K<br />

urzsichtigkeit (Myopie) entsteht,<br />

wenn die Brechkraft des<br />

optischen Apparates des Auges<br />

zu hoch ist und daher die Netzhaut<br />

für das entworfene<br />

Bild zu weit entfernt<br />

ist. Dieser<br />

Fehler wird vor<br />

allem durch eine<br />

zu stark gekrümmte<br />

Hornhaut (Kornea)<br />

verursacht, die<br />

den Hauptteil der<br />

Brechkraft von etwa<br />

44 Dioptrien bewirkt.<br />

Die Augenlinse<br />

dagegen steuert<br />

nur etwa 16<br />

Dioptrien bei. Die<br />

älteste Vorrichtung<br />

zur Brechkraftkorrektur<br />

ist die Brille. Einsatzfähige<br />

Kontaktlinsen kennt man seit Ende<br />

des Ersten Weltkrieges.<br />

Die ideale Lösung zur Korrektur<br />

der Brechkraft sah man aber stets<br />

darin, am Auge selbst geeignete Veränderungen<br />

vorzunehmen. In den<br />

50er Jahren ritzte man in Japan die<br />

Kornea von der Innenseite ein. Der<br />

Innendruck des Auges wölbte nun die<br />

Hornhaut vor, ihr Zentrum aber wurde<br />

flacher, die Brechkraft damit reduziert.<br />

Die verletzten Endothelzellen<br />

der Kornea regenerieren sich jedoch<br />

nicht mehr, die Hornhaut trübt sich,<br />

die Patienten erblinden, erinnerte<br />

Prof. Thomas Neuhann (München).<br />

In den 60er Jahren hatte der Russe<br />

Svyatoslav N. Fjodorov begonnen,<br />

die Kornea von außen anzuritzen, in<br />

der Kenntnis, daß die Epithelzellen<br />

der Hornhaut sich sehr gut regenerieren<br />

können. Damit war die „sternförmige<br />

radiale Keratotomie“ geboren,<br />

Intrakorneal-Ringhälfte vor der Implantation<br />

und eine Welle solcher Eingriffe<br />

schwappte um den Globus. Relativ<br />

schnell zeigten sich aber die Nachteile:<br />

häufig entstanden Überkorrektu-<br />

Fotos: KeraVision Inc.<br />

Intrakorneal-Halbringe in Position<br />

ren, und die Kornea wölbte sich oft<br />

unregelmäßig, was das Sehvermögen<br />

sehr beeinträchtigt.<br />

Obwohl die radiale<br />

Keratotomie<br />

<strong>aus</strong>gereift ist, wird<br />

dieses Verfahren<br />

langsam von der<br />

photorefraktiven<br />

Keratektomie verdrängt,<br />

die mit dem<br />

Argon ® -Excimer-<br />

Laser durchgeführt<br />

wird. Das emittierte<br />

UV-Licht trägt<br />

von der Hornhautoberfläche<br />

kleine<br />

Gewebepartikel ab<br />

und flacht sie damit<br />

ab. Die Brille wird<br />

in die Kornea „eingehobelt“. Diese<br />

Methode wurde inzwischen mehrfach<br />

variiert und weiterentwickelt. Das<br />

modernste ist die Laser-in-situ-Keratomeleusis<br />

(LASIK), eine Gewebeabtragung<br />

durch Laser nach Herstellung<br />

eines Hornhautlappens. Gegenüber<br />

der oberflächlichen Abtragung hat<br />

die LASIK den Vorteil, in der postoperativen<br />

Phase weniger Schmerzen<br />

zu bereiten.<br />

Die Nachteile aller bisher praktizierten<br />

refraktiv-chirurgischen Eingriffe<br />

sind einmal die Endgültigkeit,<br />

andererseits die Tatsache, daß die<br />

photorefraktive Keratektomie und<br />

die LASIK im Zentrum der Hornhaut<br />

vorgenommen werden und in Abhängigkeit<br />

von der Höhe der Korrektur<br />

der Myopie Narbenbildungen auftreten<br />

können, die dann das Sehvermögen<br />

beeinträchtigen. Darüber hin<strong>aus</strong><br />

dauert die visuelle Rehabilitation in<br />

vielen Fällen mehrere Monate.<br />

Außerdem ist eine postoperative Behandlung<br />

mit Kortikosteroiden erforderlich,<br />

die eine Katarakt-Entwicklung<br />

induzieren kann.<br />

Intrakorneale<br />

Implantate<br />

Alle genannten Nachteile der refraktiven<br />

Chirurgie können nun vermieden<br />

werden: Das neue Verfahren<br />

der intrakornealen Implantation von<br />

zwei Ringsegmenten <strong>aus</strong> <strong>Kunststoff</strong> in<br />

der Peripherie des Hornhaut-Stromas<br />

ist umkehrbar; das heißt, das Implantat<br />

kann ohne Schaden für das Auge wieder<br />

entfernt werden, und der ursprüngliche<br />

Zustand ist wiederhergestellt.<br />

Die beiden <strong>Ringhälften</strong> werden in der<br />

Peripherie der Kornea eingesetzt, das<br />

Hornhautzentrum bleibt also unberührt.<br />

Die beiden Implantate verän-<br />

A-724 (32) Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 13, 27. März 1998


P O L I T I K<br />

MEDIZINREPORT<br />

dern die Spannung in der Kornea und<br />

damit ihre Brechkraft, berichtete Prof.<br />

Helmut Höh (Neubrandenburg).<br />

Die Implantation des KeraVision<br />

® -Ringes ist eine elegante Methode,<br />

die in Lokal-, Para- beziehungsweise<br />

Retrobulbäranästhesie, aber<br />

auch in Vollnarkose durchgeführt<br />

werden kann. Die Operation dauert<br />

etwa 30 Minuten. Nach Markierung<br />

des Hornhautzentrums mit einer Spezialvorrichtung<br />

und Ansaugen des<br />

Bulbus zur Ruhigstellung werden mit<br />

einem einstellbaren Diamantmesser<br />

zwei etwa 1,8 mm lange und rund<br />

330 m tiefe Schnitte in die etwa<br />

500 m dicke Hornhaut an ihrer Peripherie<br />

gesetzt.<br />

Von diesen Schnitten <strong>aus</strong>gehend,<br />

wird mit einem Spezialinstrument<br />

(Dissektor) jeweils eine Tasche in der<br />

Länge des Ringsegmentes in das Stroma<br />

laminiert, in die dann die beiden<br />

<strong>Ringhälften</strong> eingeschoben werden.<br />

Die winzigen Wunden werden mit<br />

Hornhautnähten verschlossen. Nach<br />

etwa vier Wochen werden die Nähte<br />

in Tropfanästhesie entfernt. Postoperativ<br />

empfinden die Patienten keinerlei<br />

Schmerzen. Nach der Entfernung<br />

der Fäden ist in der Regel auch die<br />

Endfraktion erreicht.<br />

Voll reversible Operation<br />

Die voll reversible Operation ist<br />

für jeden geübten Hornhautchirurgen<br />

kein Problem. Laut Prof. Günther<br />

Grabner (Salzburg) wurden weltweit<br />

bisher über 1 600 Personen mit diesem<br />

Verfahren korrigiert. Nur in zwei<br />

Fällen kam es zu einer leichten Einbuße<br />

des Sehvermögens infolge einer<br />

unregelmäßigen Hornhautkrümmung.<br />

In Europa wurde die MECCA-<br />

Studie initiiert (Multicenter European<br />

Corneal Correcture Assessment).<br />

Ihre Resultate umfassen Daten von<br />

200 Augen <strong>aus</strong> elf Kliniken und mit<br />

fünf Ringstärken. (Durch sie wird der<br />

gewünschte Dioptrien-Wert steuerbar.<br />

Der dünnste Ring ist 0,25 mm<br />

dick; er erbringt 1,5 Dioptrien. Eine<br />

Ringstärke von 0,450 mm erbringt 4<br />

bis 4,5 Dioptrien.)<br />

Vor<strong>aus</strong>setzung für ein gutes Resultat<br />

ist eine sorgfältige Auswahl der<br />

Patienten. Gegenwärtig beschränkt<br />

sich der Korrekturbereich auf 1,0 bis<br />

5,0 Dioptrien, wobei der refraktive<br />

Astigmatismus nicht mehr als 1 Dioptrien<br />

betragen darf. Alle Erkrankungen<br />

des Auges oder seines Halteapparates<br />

sind eine Kontraindikation für<br />

den Eingriff, ebenso wie frühere Operationen<br />

am Auge und außergewöhnliche<br />

Hornhautdimensionen.<br />

Im Rahmen der MECCA-Studie<br />

wurden an der Salzburger Landesaugenklinik<br />

bisher 25 Augen nach der<br />

neuen Methode versorgt. Auch hier<br />

sind die Ergebnisse überzeugend.<br />

Langzeitergebnisse fehlen allerdings<br />

noch. Die am weitesten zurückliegenden<br />

Eingriffe dieser Art sind rund<br />

sechs Jahre alt. Es handelt sich um<br />

neun Patienten <strong>aus</strong> Brasilien. In<br />

diesem Zeitraum ist die damals erreichte<br />

Refraktion stabil geblieben.<br />

Die europäischen Daten sind maximal<br />

erst 18 Monate alt. Aber auch hier<br />

zeigte sich bisher keine Instabilität<br />

der Korrektur. Siegfried Hoc<br />

Stammzellen <strong>aus</strong> dem Bioreaktor<br />

Wissenschaftlern des Forschungszentrums<br />

Jülich ist es gelungen,<br />

Blutstammzellen in einem Bioreaktor<br />

innerhalb von 14 Tagen um<br />

das Zehnfache zu vermehren. Das<br />

neue Zellkultursystem ahmt die Bedingungen<br />

im menschlichen Knochenmark<br />

nach. In Kooperation<br />

mit der MainGen Biotechnologie<br />

GmbH (Frankfurt) soll die Methode<br />

nun bis zum klinischen Einsatz weiterentwickelt<br />

werden.<br />

Stammzellen spielen eine wichtige<br />

Rolle bei der Hoch-Dosis-<br />

Chemotherapie von Krebspatienten.<br />

Hierfür werden die wenigen, im Blut<br />

frei schwimmenden Stammzellen<br />

vor der Therapie in einer Art Blutwäsche<br />

gewonnen, anschließend gelagert<br />

und dem Patienten später wieder<br />

zugeführt. Eine weitere Quelle<br />

für diese pluripotenten Zellen findet<br />

sich im Nabelschnurblut der Neugeborenen.<br />

Oft reicht die Menge<br />

des gewonnenen Materials jedoch<br />

nicht <strong>aus</strong>.<br />

Bisher wurden Stammzellen im<br />

kleinen Maßstab in Kulturflaschen<br />

vermehrt. Ein biotechnisches Verfahren,<br />

um eine <strong>aus</strong>reichende Zellmenge<br />

unter kontrollierten Bedingungen<br />

herzustellen, fehlte jedoch.<br />

Ein Jülicher Forscherteam setzt nun<br />

zur Vermehrung der Stammzellen<br />

ein neues Zellkulturverfahren mit<br />

offenporigen Mikrokügelchen ein.<br />

Diese ähneln in der 1 000fachen<br />

elektronenmikroskopischen Vergrößerung<br />

einem Schwamm. In<br />

ihren Nischen, welche die Struktur<br />

des Knochenmarks nachahmen, siedeln<br />

sich die Stammzellen besonders<br />

gut an. Mit Hilfe eines Bioreaktors<br />

werden die Zellen dann optimal mit<br />

Nährmedium versorgt.<br />

Im menschlichen Knochenmark<br />

sorgen neben den räumlichen Besonderheiten<br />

auch die Stromazellen<br />

für eine optimale Umgebung der<br />

Stammzellen. Stromazellen beeinflussen<br />

nämlich durch das geregelte<br />

Ausschütten von Wachstumsfaktoren<br />

die Reifung der Blutzellen. Dem<br />

Biologen Bernd Schröder gelang es,<br />

Stromazellen und Stammzellen gemeinsam<br />

auf den Mikrokügelchen<br />

anzusiedeln. Durch dieses Nachahmen<br />

der natürlichen Bedingungen<br />

konnten die Stammzellen im Bioreaktor<br />

innerhalb von zwei Wochen<br />

um das Zehnfache vermehrt werden.<br />

Auch in der Gentherapie hofft<br />

man auf die neuen Zellkultursysteme.<br />

Die Anwendung kann an folgendem<br />

Beispiel verdeutlicht werden:<br />

Das Gen zur Produktion des<br />

Gerinnungsfaktors VIII, das Hämophilie-A-Patienten<br />

fehlt, soll unter<br />

Laborbedingungen in die defekten<br />

Stammzellen eingeschleust werden.<br />

Die Zellen werden dann entsprechend<br />

in einem Bioreaktor vermehrt<br />

und anschließend dem Patienten<br />

zurückgegeben. Diese veränderten<br />

Stammzellen siedeln sich selbständig<br />

im Knochenmark an, vermehren<br />

sich und bilden nunmehr Blutzellen,<br />

die wieder zur Herstellung von Faktor<br />

VIII fähig sind: Die regelmäßige<br />

Einnahme von Faktor-VIII-Präparaten<br />

wäre dann nicht mehr erforderlich.<br />

EB<br />

Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 13, 27. März 1998 (33)<br />

A-725

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